Wie sind folgende Verse zu verstehen (Vergil)?

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Von Experte ArnoldBentheim bestätigt

Die Verse sind Teile der Jupiter-Rede an Venus (Vergil, Aeneis 1, 257 – 296). Jupiter sagt in einem geschichtlichen Durchblick in die Zukunft etwas über Rom voraus

In der Deutung ist eine Zweifelsfrage, ob mit dem troischen/trojanischem Caesar (Troianus Caesar 286) und Iulius (288) Caesar oder Augustus gemeint ist. Einige Aussagen scheinen besser auf Caesar zu passen, andere auf Augustus.

Möglicherweise ist ein Denken an beide Männer eine Absicht.

Augustus (ein 27 v. Chr verliehener Ehrentitel) ist von seinem Großonkel Gaius Iulius Caesar testamentarisch adoptiert worden. Er, der bisher Gaius Octavius hieß, nannte sich selbst dann Gaius Gaius Caesar (einen Zusatz Octavianus, wie er üblich gewesen wäre, hat er selbst nicht verwendet).

Eine Herrschaft mit dem Ozean (Weltmeer) als Grenze könnte mit Caesars Eroberung Gallens verbunden werden. Aber auch Augustus hat in den Kantabrischen Kriegen (29 v. Chr. - 19 v. Chr.) die vollständige römische Eroberung der iberischen Halbinsel erreicht und der Ozean war dort dann Grenze.

Eine Aufnahme in den Hinnel entspricht einer Vergöttlichung. Für Caesar ist 44 v. Chr. eine Vergöttlichung beschlossen worden. Augustus war dadurch Sohn des Vergöttlichten (Divi filius) und auch für ihn selbst konnte Vergöttlichung erwartet werden. Caesar hat 45 v. Chr. unter anderem einen alexandrinischen (triumphum Alexandrinum) und einen pontischen Triumph (triumphum Ponticum) gefeiert (Sueton, Divus Iulius 37, 1). 47 v. Chr. hat er in einer Schlacht am Nil König Ptolemaios XIII. von Ägypten und in der Schlacht von Zela König Pharnakes II., Herrscher des Bosporanischen Reiches, besiegt. Beute/Trophäen aus dem Osten hat Caesar damit gewonnen.

Ein Sieg über römische Bürger in einen Bürgerkrieg ausdrücklich in einem Triumphzug zu feiern, wäre nicht in Ordnung gewesen.

Octavian (Augustus) hat offiziell Krieg gegen König Kleopatra von Ägypten geführt. Aus dem Krieg 32 – 30 v. Chr. (mit dem entscheidenden Sieg in der Seeschlacht bei Actium 31 v. Chr.) hat sich für ihn Beute aus dem Osten ergeben.

Das Schließen der Tore des Krieges bezieht deutlich auf Augstus. In seinem Taten-/Leistungsbericht (Res Gestae Divi Augusti 13) hebt er hervor, dreimal die Schließung der Tore des Ianus-Tempels angeordnet zu haben (Zeichen für einen durch Siege erreichten Frieden zu Land und zur See im ganzen römischen Reich), was vor seinen Lebzeiten nur zweimal geschehen sei. Vergil konnte die Schließungen 29 v. Chr. und 25. v. Chr. mitbekommen. In der augusteischen Dichtung, insbesondere bei Vergil, gibt es Äußerungen einer Erwartung einer friedlichen Zeit. Dazu gehörte sicherlich ein dauerhaftes Ende der Bürgerkriege.

Das Anrufen mit Gebete/Gelübden (vocabitur hic quoque votis 290) ist für den vergöttlichten Caesar denkbar, aber auch für Augustus. Vergil, Georgica 1, 24 – 42 kommt eine Anrufung Octavians vor, bei der dieser in einigen Aussagen für eine bevorstehende Zukunft in den Bereich des Göttlichen gerückt wird. Am Ende steht eine Aufforderung, sich schon jetzt daran zu gewöhnen, mit Gebeten/Gelübden gerufen zu werden (votis iam nunc adsuesce vocari 42).