Wie sehr war die Sowjetunion von der Weltwirtschaftskrise betroffen?

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Von Experte Udavu bestätigt

Die Sowjetunion verfolgte ja eine Politik der wirtschaftlichen Selbstversorgung. Das bedeutete wiederum, dass sie versuchte, sich weitgehend aus den internationalen Wirtschaftsbeziehungen auszuklinken. In der Weltwirtschaftskrise war das sogar hilfreich.

In den 1930er Jahren drückte Stalin eine umfassende Industrialisierung durch. Der Focus lag dabei auf der Entwicklung der Schwerindustrie. Weil die Sowjetunion bis dahin keine Schwerindustrie hatte und jetzt diese Produkte nicht mehr für viel Geld im Ausland kaufen musste, war diese Politik am Anfang sogar von Erfolg gekrönt. Es hat die eigene Wirtschaft widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks gemacht.

Zudem war die Sowjetunion zu dieser Zeit ja auch nicht besonders stark in die Weltwirtschaft integriert. Das Land war ja kein globaler Player. Im Jahr 1930 betrug sein Anteil am Welthandel gerade einmal 2,5 Prozent. Aber anstatt sich da einfach noch mehr herauszuhalten, haben sie die Krise clever genutzt. Denn im Jahr 1938 hatte die Sowjetunion einen Anteil von 3,3 Prozent am Welthandel.

Diese Steigerung des Handels der Sowjetunion in den dreißiger Jahren lag vor allem am Handel mit Deutschland. Beide Staaten waren zu dieser Zeit ja "geächtet" und zur Zusammenarbeit gezwungen. So bekam die Sowjetunion für sehr wenig Geld die fortschrittlichsten Technologien, weil Deutschland das Wasser bis zum Hals stand.

So ging die Sowjetunion aus der Weltwirtschaftskrise nicht etwa geschwächt, sondern gestärkt hervor. Die Industrialisierung war vorangekommen, die Produktivität war gestiegen und das Bruttosozialprodukt hatte sich mehr als verdoppelt.

Natürlich stand die Sowjetunion noch immer vor gewaltigen Problemen. Die Wirtschaft war (verglichen mit Deutschland) noch immer ineffizient und unproduktiv. Aber insgesamt ging das Land gestärkt aus der Krise hervor.

Die Sowjetunion war von der Weltwirtschaftskrise nicht betroffen, im Gegenteil hatte sie in diesen Jahren eine Phase von rasanter Industrialisierung und Wirtschaftswachstum unter dem ersten Fünfjahresplan.

Die Weltwirtschaftskrise war eine typische Überproduktionskrise. Die Verbindung aus Produktivitätssteigerung durch den Taylorismus und dem geringen Lohnniveau führten zu einem Überangebot an Waren, dadurch zu einem Preisverfall, Entwertung von Kapitalanlagen und Massenarbeitslosigkeit. Durch die entwickelte Weltwirtschaft griff die Krise auf fast die gesamte kapitalistische Welt über.

Nur unter der kurzsichtigen Profitlogik des Kapitalismus wird Überproduktion zur Ursache einer Krise. Das Phänomen der Überproduktionskrise wurde schon von Karl Marx ausführlich beschrieben und als eine Folge der Irrationalität des Kapitalismus benannt. Dass gerade die Sowjetunion mit ihrer Planwirtschaft der Krise entging, während der Kapitalismus unter seinem eigenen Gewicht strauchelte, wurde von vielen Zeitgenossen als die Bestätigung von Marx' Analysen gesehen.

Wohlgemerkt war die Wirtschaft der Sowjetunion zu dieser Zeit zwar zentral geplant, stand aber nicht unter demokratischer Kontrolle, wie sozialistische Prinzipien verlangt hätten, sondern unter der einer elitären Bürokratie um Josef Stalin. Die Industrialisierung der Sowjetunion wurde deshalb ohne Rücksichtnahme auf die Gegebenheiten vor Ort durchgeführt, was zu ganz eigenen Problemen führte, die nichts mit der Weltwirtschaftskrise zu tun hatten, aber zeitgleich abliefen.

Die USA entdeckten den Handel mit der Sowjetunion als eine neue Möglichkeit, die Krise abzumildern. Die Sowjetunion unter Stalin exportierte vor allem Getreide im Gegenzug gegen Maschinen, die für die weitere Industrialisierung benötigt wurden. Diese Prioritätensetzung verschärfte die Hungersnot, die Anfang der 30er Jahre durch mehrere Missernten verursacht wurde.