Wie passiert mit einem Kraftwerksgenerator bei einer zu großen Leistungsnachfrage im Stromnetz?
Hi,
ich habe ein paar Fragen, was das physikalische Prinzip der Generator-Netz-Wechselwirkung angeht. Gehen wir von einem permanenterregten Synchrongenerator aus. Was passiert überhaupt, wenn die Leistungsnachfrage im Stromnetz das Leistungsangebot der Kraftwerke übertrifft? Warum wird der Rotor dadurch "abgebremst", sodass die Zufuhr mechanischer Energie zur Aufrechterhaltung der Drehzahl erhöht werden muss?
Ich habe es mir bisher immer so erklärt, dass die in den Statorwicklungen induzierten Ströme ja ebenfalls ein Magnetfeld erschaffen, die dem des Rotors entgegenwirken. Die Magnetfelder dieser Ströme, die ja ins Stromnetz abgeführt werden bzw. sich im Stromnetz hin und her bewegen, entsprechen dann sozusagen dem Lastmoment und wenn mehr Leistung nachgefragt wird, dann müsste doch auch dieser Strom und infolgedessen auch die Stärke seiner Magnetfelder steigen, oder?
D.h. bei einer zu großen Leistungsnachfrage werden die Ströme der Statorwicklungen so groß, dass deren Magnetfelder das Rotormagnetfeld immer stärker abschwächen. Ist das so überhaupt korrekt und wenn ja, wie wird dadurch genau der Rotor "abgebremst"?
Ich danke für eure Antworten im Voraus.
MfG
4 Antworten
Die Drehzahl darf nicht erhöht werden. Der Generator muss in einer ganz bestimmten Geschwindigkeit und in Phase mit allen anderen drehen - nämlich so dass Strom in 50Hz erzeugt wird.
Dazu muss man den noch nicht ans Netz geschaltete Generator zuerst anlaufen lassen und mit dem Netz synchronisieren, was Frequenz und Phasenlage betrifft. Erst wenn er synchron und phasenrichtig ist, darf er überhaupt zugeschaltet werden. Wird das nicht gemacht, fliegt dir das Ding um die Ohren.
Sobald er zugeschaltet ist, folgt er in gewissen Grenzen von selbst der Frequenz des Netzes, da sich die Generatoren(Kraftwerke) sich mehr oder weniger gegenseitig synchronisieren.
Wird das Netz überlastet, werden die Generatoren zu stark belastet und sie "stinken gemeinsam ab". Das führt dazu, dass die Frequenz absinkt. Wird die Überlast jetzt nicht rechtzeitig abgewendet, stürzt das Netz komplett ab und es gibt für längere Zeit großflächigen Stromausfall.
Du kannst dann nicht einfach die Drehgeschwindigkeit des Generators hochdrehen - Wie denn? - Überlastet ist überlastet - Das Netz liefert nicht genug Saft. Du musst entweder mehr Strom erzeugen (Kraftwerkleistung erhöhen oder weitere Kraftwerkzuschalten zuschalten) oder die Last reduzieren (Lastabwurf).
Wird zu viel Strom erzeugt, passiert das Gegenteil: Netzfrequenz und Spannung steigen über die Toleranz hinaus. Dann muss das Gegenteil passieren: Stromerzeugung reduzieren. D.h.: einige Kraftwerke müssen vom Netz.
Warum sinkt die Drehfrequenz überhaupt bei Überlast:
Das ist einfach physikalisch bedingt: Du kannst immer nur so viel (elektrische) Energie entnehmen, wie (mechanisch) hineingegeben wird.
Je mehr Last dran ist, desto schwergängiger ist der Rotor und desto mehr Energie muss in den Generator reingegeben werden, um die Drehgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten, damit ihm nicht die Puste ausgeht und stehen bleibt.
Das kannst du selber ausprobieren: Nimm einen Generator (oder auch eine simple Asynchronmaschine) her und drehe die Welle von Hand. Nun schließe ihn kurz und drehe wieder die Welle - Die Welle ist nun deutlich schwerer zu drehen.
Da gibt es zwei Effekte.
Die Ausgangsspannung sinkt. Das lässt sich leicht ausregeln. Im Gegensatz zu einem Fahrraddynamo hat ein Generator einen Elektromagneten statt Permanentmagneten.
Erhöht man die Erregerspannung, dann erhöht sich die Ausgangsspannung. Klassisch hat jede Kraftwerksturbine (oder Dampfmaschine, Ölmotor, etc) zwei Generatoren. Einen kleinen für Gleichstrom der dann den Erregerstrom für den großen Generator erzeugt.
Der zweite Effekt ist, dass die Drehzahl und damit die Netzfrequenz sinkt. Um die Drehzahl aufrecht zu erhalten muss dann mehr Kraft auf den Generator übertragen werden. Das ist wie beim Auto wenn man von gerader Strecke auf eine Steigung fährt. Man muss mehr Gas geben oder das Auto wird langsamer. Ist der Motor zu schwach, wird das Auto entsprechend langsamer.
Sinkt die Netzfrequenz auf unter 49,8Hz oder steigt über 50,2Hz, wird abgeschaltet. Die Netzfrequenz darf also nicht um mehr als ±0,2Hz von den 50 Hz abweichen!
Geht die Frequenz zu weit runter, werden Verbraucher abgeschaltet, also Trafostationen die Häuser und Fabriken versorgen. Geht die Frequenz zu hoch, werden Kraftwerke vom Netz getrennt.
Das passiert vollautomatisch, da werden die Transferleitungen einfach hart abgeschaltet um das Stromnetz zu schützen.
Die Kraftwerke bzw. genauer die Netzbetreiber müssen aber vorher reagieren und entweder mehr Leistung ins Netz bringen oder weniger.
Weniger Leistung ist leicht, da kann man den Dampf einfach am Generator vorbei in den Kühlturm leiten.
Mehr Leistung ist schwierig. Das geht schnell nur bei Wasserkraft oder Gaskraftwerken. Gaskraftwerke mit Kolbenmotoren können ähnlich wie ein Auto mehr oder weniger Gas geben und reagieren ähnlich schnell wie ein Auto darauf.
Bei den meisten Wärmekraftwerken dauert es "ewig" bis man die Leistung komplett erhöhen kann. Wenn man vorne in ein Kohlekraftwerk mehr oder weniger (bzw. gar keine) Kohle rein schaufelt, dauert es über eine halbe Stunde bis sich die Dampfleistung anfängt zu ändern.
Man muss also eine Stunde vorher wissen wie viel Brennstoff man verbrennen muss um die Leistungen zu bedienen. Also muss das Kraftwerk mit höher Leistung verbrennen und einen Teil des Dampfes ungenutzt in die Kühltürme geben. Der überschüssige Dampf lässt sich bei Bedarf fast sofort in die Turbinen leiten.
Früher bis in die späten 1980er liefen alle Kohlekraftwerke auf 110% des Bedarfes. Deswegen war das Stromnetz damals so richtig stabil. Selbst wenn ein Kraftwerk plötzlich ausfällt können sozusagen die 10 Umliegenden sofort übernehmen.
Heute sind wir auf Regelkraftwerke (Kolbenmotoren die auf Gas und Öl laufen können) und Speicherkraftwerke angewiesen.
Und schau Dir mal diesen Film hier an:
P.S.:
Das mit der Frequenz ist in Spanien passiert. Die Fluktuirte schon eine Weile bevor es zu den harten Abschaltungen kam.
Wäre Spanien nicht so schwach über wenige Leitungen nur an Frankreich angeschlossen, hätten die auch ganz Europa mitreißen können. Die Französische Seite hatte die Transferleitungen rechtzeitig automatisch abgeschaltet.
Werden wild Kraftwerke und Verbraucher abwechselnd abgeschaltet, kann die Kaskade kaum noch gestoppt werden und kann dann das ganze Verbundnetz ausschalten.
Bei einer zu großen Leistungsnachfrage im Stromnetz muss der Generator mehr Leistung liefern. Wenn der Strom in den Statorwicklungen steigt, verstärkt sich das Magnetfeld, das den Rotor umgibt. Dadurch entsteht ein größeres Gegendrehmoment zwischen dem Magnetfeld des Rotors und dem des Stators, was den Rotor abbremst. Um die Drehzahl des Rotors konstant zu halten und die Synchronität mit der Netzfrequenz zu wahren, muss mehr mechanische Energie zugeführt werden. Ohne diese zusätzliche Energie sinkt die Drehzahl des Rotors, und der Generator kann aus der Synchronität geraten.
Jeder Stromfluss durch einen Generator bremst diesen ab oder treibt an. Im Gleichgewicht einer ausgeregelten Last ist die "Triebkraft"gleich der Bremskraft und die Drehzahl bleibt gleich. Wird zuwenig Triebkraft geliefert, dominiert die Bremskraft und die Drehzahl sinkt.
Je nach Betriebszustand ist eine Synchronmaschine also entweder ein Generator oder ein Motor.
Sehr hilfreich zum Verständnis ist hier das (vereinfachte) Ersatzschaltbild der Synchronmaschine, bestehend aus Polradspannung Up und synchroner Reaktanz L, angeschlossen an ein Netz der Spannung Un:
- Wenn man die Maschine bremst, wird der Läufer dem Drehfeld nachlaufen, der resultierende Winkel ist als Polradwinkel θ bekannt. Die Maschine nimmt hier Leistung auf.
Wird nur reine Wirkleistung aufgenommen sieht es so aus:
Vegrößert man die Polradspannung über die Erregung, wird aus der Maschine eine kapazitive Last:
Verkleinert man die Polradspannung, wird daraus eine induktive Last:
- Wenn man die Maschine antreibt, wird der Läufer dem Drehfeld vorlaufen. Die Maschine gibt hier Leistung ab.
- Man spricht daher hier nicht einfach von einem Generator sondern von der Synchronmaschine. Der Betriebszustand lässt sich durch den Polradwinkel und die Polradspannung in jeden Quadranten legen.
Über die zugeführte oder entnommene Leistung steuert man den Wirkstrom. Über die Erregung (Polradspannung) bestimmt man die Blindleistung.
Beide Größen werden im Netzverbund getrennt geregelt:
- Die Frequenz über die Wirkleistung (Leistungs-Frequenz Regelung - ein großes Thema für sich, über das man Bücher schreiben kann)
- Die Blindleistung über die Erreger-Spannung (Spannungs-Blindleistungs Regelung)




