Wie kritisch ist das Johannes Evangelium?
Das vierte Evangelium wird von jemandem geschrieben, der aufgrund seines Stils und seiner Kenntnisse der griechischen Sprache und Grammatik gut in Griechisch ausgebildet sein müsste, auf der anderen Seite hätte der Apostel Johannes als ungebildeter analphabetischer galiläischer Fischer höchstwahrscheinlich Aramäisch als Muttersprache gehabt und keine Kenntnisse einer anderen Sprache, geschweige denn die Fähigkeit im anspruchsvollen Griechisch des vierten Evangeliums zu schreiben
- Prof. Urban C. Wahlde (Professor für Neues Testament)
Was die meisten nicht wissen, ist, dass die Titel der Evangelien später von Christen des zweiten Jahrhunderts hinzugefügt wurden, Jahrzehnte nachdem diese Bücher geschrieben worden waren, damit sie behaupten konnten sie seien von Aposteln geschrieben worden... Sie mussten mit Aposteln in Verbindung gebracht werden, damit sie in den Kanon aufgenommen werden konnten
- Prof. Bart Ehrman (Religionswissenschaftler)
Das Johannesevangelium unterscheidet sich drastisch von den synoptischen Evangelien. Es ist voll von langen Dialogen, es spricht eher von "Zeichen" als von Exorzismus oder Wunder, und seine Erzählung unterscheidet sich an vielen Stellen von den Synoptikern
- Prof. Dale B. Martin (Bibelwissenschaftler)
3 Antworten
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die biblische Theologie zu betreiben und die Bibelwissenschaft hat wie chrisbyrd schon angedeutet hat, neben der historischen Aufklärungstheologie andere Formen, diese Schriften auszulegen. Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass man davon ausgeht, dass das Johannesevangelium am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr das jüngste Evangelium ist. Es stimmt auch, dass das Johannesevangelium sich von den Synoptikern unterscheidet und eine christologische Besonderheit aufweist. Und es stimmt auch, dass jedes Evangelium eine eigene Pragmatik aufweist und an unterschiedliche Adressaten gerichtet war, aber darin sehe ich kein Widerspruch? Johannes soll das Evangelium erst nach über 50 Jahren nach Christi Tod geschrieben haben und bereiste viele Länder. Wenn die Kritik nur darauf beruht, ob Johannes Griechisch konnte oder nicht, ist die Kritik komplett uninteressant, weil der Inhalt des Johannesevangeliums trotzdem eine Glaubensfrage bleibt und aus einer Glaubensfrage eine Wissensfrage zu machen, endet für gewöhnlich schlecht.
Na ja, in einer Gegend, in der z.B. in Tiberias eine vorwiegend griechisch sprechende Bevölkerung lebte, konnte auch mancher Analphabet Griechisch sprechen. Und woher will jemand wissen, dass er Analphabet war? Noch heute muss jeder jüdische Knabe bei der "Bar-Mitzwa" aus der (hebräischen!) Thora vorlesen können.
Und wie sicher ist, dass der Autor des 4. Evangeliums Fischer ist? Er wird nirgends als Fischer beschrieben, sein Evangelium beschreibt vorwiegend Szenen in Jerusalem, wo er sich offenbar gut auskennt - es ist doch die Tradition, die widerlegt wird, nicht das, was das Johannesevangelium erzählt.
Ja, das Evangelium unterscheidet sich von den Synoptikern. Wie eine Sammlung einzelner, vom Autor gesammelter Erzählungen vom Bericht eines, der (teilweise) selber dabei war.
Man kann aus dem, was in den Zitaten an Fakten enthalten ist, also auch andere als "kritische" Schlüsse ziehen, die "kritische" Theologie muss nicht unkritisch übernommen werden.
Man wird es nie wissen.
Da werden sich bibeltreue und historisch-kritische / atheistisch denkende Wissenschaftler immer darüber streiten.