Was ist mit den anderen Evangelien?

20 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Wodurch unterscheiden sich die Evangelien der Bibel und die Apokryphen- Evangelien?

Darauf gibt es keine einheitlichen Antworten, da sie "anderen" Evangelien nicht einheitlich sind.

Wie du selber sagst: sie sind später entstanden. Und häufig kann mensch schon am Inhalt erkennen, dass sie weiter von Jesus weg sind als die vier "kanonischen" Evangelien.

Krasser Fall: Protoevangelium Jakobi. Da wird vor allem die Geburt und Kindheit Jesu erzählt, und wer das liest, der merkt schnell, dass der Verfasser von Leben in Judäa keine Ahnung hat. Etwa wenn Maria als Mädchen auf den Stufen des Altars sitzt ... dort durften nur Priester sein, denn der stand im "Vorhof der Priester", und in den kam Mensch nur über den "Vorhof der Männer"! Manche der apokryphen Evangelien sind schlicht Schrott.

Trotzdem haben die den christlichen Glauben beeinflusst, als dem oben genannten Evangelium stammt das Bild von Joseph als alten, impotenten Greis (der wurde angeblich von den Hohenpriestern ausgewählt, damit Maria weiter Jungfrau bleibt - schon bei dem Gedanken krallen sich wohl bei jedem Juden die Fußnägel hoch).

Anderes Beispiel: Thomasevangelium. Relativ als (2.Jh.), aber der Inhalt ist deutlich heidnisch-gnostisch beeinflusst (Jesus war Jude!). Das schließt nicht aus, das einige Sprüche darin (es enthält nur einzelne "Worte Jesu", keine Erzählung) dem entsprechen, was Jesus gesagt hat. Das ist, was den Wert betrifft, gewissermaßen das andere Ende des Spektrums, was die Glaubwürdigkeit angeht.

Ein allgemeiner Unterschied: die apokryphen Evangelien waren (schon in der Zeit der Christenverfolgung) weniger weit verbreitet als die kanonischen Evangelien. Typischerweise wurde so ein Evangelium von einer kleinen Gruppe lanciert, um ihre Sucht der Dinge durch eine "bisher geheime" Offenbarung Gottes/Jesu zu untermauern.

Viel mehr lässt sich kaum sagen, außer es wird auf einzelne apokryphen Evangelien eingegangen.


helmutwk  27.03.2013, 17:17

Die besten Erklärer für die Textgeschichte sind übrigens Linguisten

Da muss ich dir widersprechen. Ich hab selber mal Linguistik studiert, und daher bin ich mir sicher, dass das mit "Textgeschichte" nichts zu tun hat. Die Erforschung der Textgeschichte gehört ins Feld der Textkritik. An sich hat Textkritik die Aufgabe, herauszufinden, was der wahrscheinlichste Urtext ist - aber beim NT haben wir so viele Textzeugen, dass eben auch erforscht werden kann, wie sich der Text verbreitete und wie ein Zweig der Überlieferung den anderen verdrängte ... aber gerade was die Textgeschichte angeht, gibt es da noch offene Fragen und nicht bearbeitete Forschungsfelder.

helmutwk  27.03.2013, 10:51

Korrekturen:

da die "anderen" Evangelien nicht einheitlich sind.

Thomasevangelium. Relativ alt (2.Jh.)

Viel mehr lässt sich kaum sagen, außer es wird auf einzelne apokryphen Evangelien eingegangen.

Bin ich (knapp) in einem Kommentar zu einer Antwort, die einige auflistete.

Hallo framboisee,

Apokryphe Evangelien wie das Thomasevangelium, das Judasevangelium, das Petrusevangelium, erfreuen sich erneut großen Interesses. Es wird behauptet, sie würden lange verborgen gehaltene wichtige christliche Lehren und Ereignisse aus Jesu Leben ans Licht bringen. Enthalten sie wirklich Wahrheiten über Jesus und das frühe Christentum, die in der Bibel nicht zu finden sind?

Die apokryphen Evangelien rücken oft Menschen in den Mittelpunkt, die in den kanonischen Berichten gar nicht oder nur am Rande vorkommen. Oder sie berichten von Begebenheiten, die sich in Jesu Kindheit zugetragen haben sollen. Hier einige Beispiele:

  • Das „Protevangelium des Jakobus“ (auch „Geburt Marias“) schildert die Geburt und die Kindheit Marias sowie ihre Heirat mit Joseph. Aus gutem Grund ist dieser Text als Legende und religiöse Fiktion bezeichnet worden. Er fördert die Vorstellung der ewigen Jungfräulichkeit Marias und wurde eindeutig mit der Absicht verfasst, Maria zu verherrlichen (Matthäus 1:24, 25; 13:55, 56).

  • Das „Kindheitsevangelium des Thomas“ rückt Jesus als Kind zwischen 5 und 12 Jahren in den Blickpunkt und schreibt ihm eine Reihe wundersamer Taten zu. (Siehe Johannes 2:11.) Er wird als ungezogener, rachsüchtiger Hitzkopf beschrieben, der seine Wunderkräfte dazu gebraucht, sich an verschiedenen Leuten wie Lehrern oder anderen Kindern zu rächen. Manche von ihnen lässt er blind werden, andere macht er zu Krüppeln oder tötet sie sogar.

  • Das „Petrusevangelium“, geht auf Vorgänge rund um den Prozess, den Tod und die Auferstehung Jesu ein. Es sucht Pontius Pilatus zu entlasten und beschreibt fantasiereich ausgeschmückt die Auferstehung Jesu

  • Andere wiederum, zum Beispiel die „Pilatusakten“ (ein Teil des „Nikodemusevangeliums“), konzentrieren sich auf Personen, die mit den genannten Ereignissen in Verbindung standen. Da Einzelheiten bis hin zu Personen in diesen Texten frei erfunden sind, entbehren sie jeglicher Glaubwürdigkeit.

Eine genaue Untersuchung der apokryphen Evangelien zeigt, womit man es bei diesen Texten zu tun hat. Hält man sie neben die kanonischen Schriften, fällt ein deutlicher Mangel an göttlicher Inspiration auf (2. Timotheus 1:13). Die Schreiber hatten Jesus und seine Apostel nie kennengelernt. Deswegen enthüllen ihre Berichte auch keine verborgenen Wahrheiten über Jesus und das frühe Christentum. Ihre ungenauen, reich ausgeschmückten, fiktiven Texte sind keine Hilfe für den, der sich für Jesus und seine Lehren interessiert (1. Timotheus 4:1, 2).Gestützt auf das Bibellexikon der Zeugen Jehovas "Einsichten über die Heilige Schrift")


JensPeter  31.03.2013, 12:55

Ich stimme mit Deiner guten Antwort voll überein K221945.

In der Bibel selber sind Vorgaben für die Abgrenzung von "falsch" und "richtig" enthalten - diese muss man nur genau beachten:

Hier nur zwei davon:

1 Johannes 4:1 Geliebte, glaubt nicht jeder inspirierten Äußerung, sondern prüft die inspirierten Äußerungen, um zu sehen, ob sie von Gott stammen, weil viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen sind.

2 Daran erkennt ihr die inspirierte Äußerung von Gott: Jede inspirierte Äußerung, die Jesus Christus als im Fleische gekommen bekennt, stammt von Gott, 3 doch jede inspirierte Äußerung, die Jesus nicht bekennt, stammt nicht von Gott. Und dies ist die [inspirierte Äußerung] des Antichristen, von dem ihr gehört habt, daß er komme, und er ist schon in der Welt.

oder

Galater 1:6 Ich wundere mich, daß ihr euch so schnell abbringen laßt von dem, der euch durch Christi unverdiente Güte berufen hat, zu einer andersartigen guten Botschaft. 7 Doch gibt es keine andere; nur sind da gewisse Leute, die euch Unruhe bereiten und die gute Botschaft über den Christus verdrehen wollen. 8 Aber selbst wenn wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als gute Botschaft verkündigen sollte außer dem, was wir euch als gute Botschaft verkündigt haben, er sei verflucht. 9 Wie wir es zuvor gesagt haben, so sage ich auch jetzt wieder: Wer immer euch als gute Botschaft etwas verkündigt außer dem, was ihr angenommen habt, er sei verflucht.

Das sind klare und deutliche Worte über die man nicht zu spekulieren braucht.

Aus diesem Grund steht Gottes Wort immer über jedem Menschenwort.

LG

JensPeter

In den meisten apokryphen Evangelien sind altägyptische - sog. gnostische - Lehren enthalten, die vom Weiterleben der Seele nach dem Tod reden. Diese Glaubensrichtungen sind schon sehr früh in die Kirche infiltriert worden. Doch die ersten Christen haben ihre Leiter zu den Synoden geschickt und dort hat man solche Irrlehren ausgemerzt und klar Stellung bezogen: Nach dem Tod schläft man - und bei der Auferstehung wird man auferweckt. Gnostische Schriften wurden also nicht zugelassen.

Die deuterokanonischen oder apokryphen Evangelien unterscheiden sich von den kanonischen Evangelien durch das, was sie über Jesus Christus lehren. Sie enthalten zu großen Teilen esoterische Lehren aus Schriften, die das Judentum bereits aussortiert hat aus ihren heiligen Schriften (z. B. Henoch). Sie enthalten Sonderlehren und Elemente aus dem mit dem jungen Christentum konkurrierenden Gnostizismus (das war auch ein Vorwurf, dem man dem Johannes-Evangelium machte) und "Offenbarungen", deren Herkunft sich nicht nachvollziehen ließ, wie z. B. die merkwürdigen Geschichten über das Jesuskind aus den Kindheitsevangelien.

Die Kirchenväter und Lehrer der frühen Kirche waren nicht dumm. Unter ihnen waren auch Personen von hoher Bildung. Paulus z. B. war - so würde man heute sagen - studierter Theologe. Einige Kirchenväter haben sich mit diesen Schriften beschäftigt, sie analysiert und geprüft und wiederholt bewertet und neu bewertet. Aus ihrem Urteil entstand schließlich die Festlegung des Kanon, dessen, was zum Neuen Testament gehört und was nicht. Von den Juden - den "Hütern der Schrift", wie es im AT heißt - übernahm man das, was sie selbst schließlich ihren heiligen Schriften zurechneten. Gruß, q.

Biblische Wahrheiten sind keine absoluten Wahrheiten und man muss sie im Kontext Christologie sehen. Und nur, was dieses Dogma stützt - Christos = Gott - kann - kirchlich gesehen - wahr sein. Insofern kann man auch sagen: irgenwann haben sich die Anhänger des Johannes Evangeliums eben gegen alle anderen Gruppierungen durchgesetzt. Alles weitere wurde drumherum gruppiert. Was nicht passte wurde als häretische Fälschung gebrandmarkt und/oder auch vernichtet. Wahrheit und ihre Kriterien werden dann zwar recht tautologisch, aber daran stören sich Gläubige bekanntlich weniger bis gar nicht. Wer das dann immer noch nicht als "wahr" anerkennen wollte, dem hat die Inquisition gehörig eingeheizt.

Hätte man den drei Evangelien Matthäus, Markurs und Lukas das Thomas Evangelium anstelle vom Johannes Evangelium zugesellt - rein inhaltlich kein Widerspruch, weil ausreichend Parallelen - wir hätten heute keine Kirche. Das ist sicherlich der größte Unterschied, der sich benennen lässt. Logion 3 spricht jeder Kirche und jeder interpretierenden Autorität die Daseinsberechtigung ab:

(3) Jesus sprach: Wenn die, die euch (auf Abwege) führen, euch sagen: Seht, das Königreich ist im Himmel, so werden euch die Vögel des Himmels vorangehen; wenn sie euch sagen: es ist im Meer, so werden euch die Fische vorangehen. Aber das Königreich ist in eurem Inneren, und es ist außerhalb von euch. Wenn ihr euch erkennen werdet, dann werdet ihr erkannt, und ihr werdet wissen, dass ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid. Aber wenn ihr euch nicht erkennt, dann werdet ihr in der Armut sein, und ihr seid die Armut.

Eine sehr schöne Abhandlung über den historischen Prozess der kanonischen "Wahrheitsfindung" findet sich im Artikel "Wunschträume und Phantasien im NT"

Als Ergänzung zum AT das NT. Neben den vier Evangelien der Vulgata gab es an die 200 andere Evangelien, die Schriften der Apologeten erwähnen davon kein einziges. Selbst nach kirchlicher Lehre enstehen die vier Evangelien 80 – 120 n.C. Clemens von Alexandria (150 - 215 n.C.) schreibt im 1958 gefundenem Brief an einen Theophil „Ist es ein Wunder, dass es im Christentum so viele unechte Evangelien gibt, wenn die Wahrheit vorsätzlich und nachweislich unter dem Verbrechen des Meineids bestritten werden soll“.

Link zum Artikel:
http://community.zeit.de/user/emporda/beitrag/2008/04/19/wunschtraeume-undphantasien-im-nt