Wie kann man die Wurzel aus einer negativen Zahl im Koordinatensystem ziehen?


22.03.2020, 14:52

Danke für eure tollen Antworten!!! Hab euch lieb!!!Lg shyguygirl

4 Antworten

der satz des pythagoras ist hierfür ein denkbar ungeeignetes beispiel. in der geometrie gibt das minus vereinfacht gesagt eine "richtung" an, für den satz des pythagoras benutzt du aber nur den länge der strecke. daher brauchst du da keine wurzel einer negativen zahl.

natürlich gibt es auch anwendungen bei denen du von einer negativen zahl die wurzel ziehen oder durch das quadrieren eine negative zahl erhalten möchtest (letzteres z.b. beim beschreiben von wellen oder vom wechselstrom). ich versuche es mal relativ einfach zu erklären.

es gibt neben den reellen zahlen (alle zahlen zwischen - unendelich und + unendlich) auch die komplexen und imaginären zahlen. beschränken wir uns auf die imaginären zahlen: die imaginären zahlen sind eine teilmenge der komplexenzahlen deren quadrat eine negativen reelle zahl ergibt. die wurzel der zahl -1 ist die zahl i, d.h. i²=-1. alle imaginären zahlen sind das produkt einer reellen zahl und i. z.b. -9= (3*i)²

shyguygirl 
Fragesteller
 22.03.2020, 13:48

Danke!!! :D

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Wann kommst du beim Satz des Pythagoras dazu, Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen zu müssen? Mit den üblichen Bezeichnungen a, b für die Katheten und c für die Hypotenuse lautet er



und wegen



kommen wir gar nicht in die Situation, dass wir auf der einen Seite ein Quadrat und auf der anderen Seite eine negative Zahl haben. Aber trotzdem gibt es natürlich einen Weg, Wurzeln aus negativen Zahlen zu ziehen und der heißt komplexe Zahlen. Ich mag den Begriff "Wurzeln aus negativen Zahlen" nicht wirklich, weil er nicht präzise ist (wir werden gleich sehen, dass die Verallgemeinerung der Wurzelfunktion auf die komplexen und damit insbesondere auf die negativen Zahlen nicht ganz einfach ist) - besser wäre zu sagen: Im Komplexen gibt es Zahlen, deren Quadrat negativ ist. Das ist der maßgebliche Unterschied zu IR.

Im Reellen haben wir die Wurzelfunktion so definiert: Ist x nicht-negativ (also positiv oder null), dann ist



die (eindeutige) nicht-negative Zahl, für die



gilt. Beispielsweise ist



wegen



obwohl andererseits auch noch



gilt. Es gibt also zwei reelle Zahlen, die im Quadrat 9 ergeben, aber mit "Wurzel aus 9" bezeichnen wir trotzdem nur die positive (die negative Zahl erhalten wir dann einfach, indem wir ein Minus davorsetzen). Hier haben wir also schon, um die Eindeutigkeit der Wurzel zu bewahren, eine Lösung, die intuitiv auch Sinn ergeben würde, unter den Tisch fallen lassen. Das ist aber auch okay, denn es ist Definition.

In den komplexen Zahlen gehen wir dann noch einen Schritt weiter: Die Struktur wird so definiert, dass es eine Zahl gibt, die im Quadrat -1 ergibt - die nennen wir Imaginäre Einheit i. Mit dieser lässt sich dann auch zu jeder negativen Zahl eine komplexe Zahl finden, die im Quadrat diese negative Zahl ergibt, beispielsweise ist



Bei der Definition der Wurzel müssen wir aber wieder ein bisschen aufpassen, denn - wie sollte es anders sein - es gibt natürlich auch wieder mehrere Zahlen, die im Quadrat -9 ergeben:



Im Komplexen lässt sich aber nicht mehr so einfach einfach die positive Lösung auswählen, denn wenn du mal versuchst, die komplexen Zahlen



nach der Größe zu ordnen oder ihnen ein Vorzeichen zuzuordnen, wirst du sehen, dass das wegen der Existenz zweier Bestandteile, nämlich Real- und Imaginärteil, nicht mehr ganz so einfach ist, tatsächlich ist es nicht möglich eine strukturverträgliche Ordnung auf den komplexen Zahlen zu definieren. Wir können komplexe Zahlen also per se nicht als größer oder kleiner vergleichen (im Falle, dass wie im Beispiel oben nur negative reelle Zahlen herauskommen, könnte man natürlich anhand der Zahl vor dem i die "positive" Lösung auswählen, aber eigentlich geht es dabei darum, die Wurzelfunktion auf alle komplexen Zahlen zu verallgemeinern und dort geht das eben nicht mehr).

Die Lösung: Man definiert sich einfach mehrere Wurzelfunktionen, in unserem Fall genau zwei - diese nennt man dann den Haupt- und den Nebenzweig der Wurzelfunktion. Wie man die konkret definiert, ist eine andere Sache, aber der Hauptzweig gibt dir eben die eine Lösung, der Nebenzweig die andere. Und dann sind wir auch an dem Punkt angelangt, an dem wir Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen können: Bezeichnen wir mit √ den Hauptzweig der komplexen Wurzelfunktion, so ist



und wir haben damit eine eindeutige Lösung. Der Nebenzweig würde uns dann noch die Lösung



ausspucken. Intuitiv kann man es sich dabei so vorstellen, als würden wir die -16 in Vorzeichen und Betrag teilen und dann die Wurzel auseinander ziehen,



aber dieses Wurzelgesetz (dass man Produkte unter einer Wurzel in ein Produkt zweier Wurzeln zerteilen kann), gilt in den komplexen Zahlen nicht mehr, weil es zu Widersprüchen führen würde - deshalb darf das nur die intuitive Vorstellung sein und ich habe bewusst keine Gleichheitszeichen gesetzt.

Klar wird aber, dass es nicht ganz so trivial ist, Wurzeln aus negativen Zahlen zu ziehen, auch wenn man sich eine imaginäre Einheit definiert und versucht, mit ihr so zu rechnen als wäre es eine Variable. Es braucht ein bisschen Vorüberlegung, dann aber geht es. Vielleicht noch ein kleiner Ausblick: Für die Gleichung



ist die reelle Lösung eindeutig: z = -1. Im Komplexen hingegen wird es wieder ein bisschen spannender, denn dort gibt es nun sogar drei Zahlen, die mit 3 potenziert -1 ergeben. Noch allgemeiner gibt es für die Gleichung



im Komplexen ganze n Zahlen, die die Gleichung lösen - diese nennt man die n-ten Einheitswurzeln. Das macht die reellen Zahlen so mächtig; nicht nur, weil man Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen kann, sondern weil beispielsweise Polynome mit dem Grad n immer genau n Lösungen haben, davon mögen einige komplex, aber der Punkt ist, dass es genau n Lösungen gibt. Stellen wir uns die Parabel



im Reellen vor, sehen wir sofort, dass es keine reelle Lösung gibt - die Parabel ist nach oben geöffnet und um 4 Einheiten nach oben verschoben. Nullstellen? Keine Chance. Im Komplexen gibt es genau 2 Lösungen. Haben wir uns im Reellen mit der Diskriminante davon überzeugt, dass reelle Lösungen existieren und wenn ja, wie viele (keine, eine oder zwei), brauchen wir das im Komplexen nicht mehr, denn Lösungen existieren immer und wir können auch ganz einfach die Anzahl ablesen (höchster Exponent). Und weil dieser Satz so fundamental wichtig ist, nennt man ihn den Fundamentalsatz der Algebra und die komplexen Zahlen wegen dieser Eigenschaft algebraisch abgeschlossen.

Aber nur so viel zu den komplexen Zahlen. Wenn du mehr darüber lernen willst, dann schau dir doch mal ein Analysis 1-Lehrbuch an - dort werden komplexe Zahlen in der Regel in aller Ausführlichkeit behandelt. Das war nämlich noch weit nicht alles, was im Komplexen anders ist als im Reellen.

Liebe Grüße.

shyguygirl 
Fragesteller
 22.03.2020, 14:41

Dann hatte ich gegenüber meinem Vater recht

PS: Danke für die Antwort!!!

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Hallo,

beim Satz des Pythagoras, der für rechtwinklige ebene Dreiecke gilt, kommst Du eigentlich nie in die Verlegenheit, die Wurzel aus einer negatven Zahl zu ziehen, denn die Längen von Dreiecksseiten werden immer als positive Zahlen angegeben.

Im Bereich der reellen Zahlen sind nur positive Wurzeln aus positiven Zahlen und natürlich Wurzel (0)=0 definiert.

Wurzeln aus negativen Wurzeln lassen sich allerdings im Bereich der komplexen Zahlen bestimmen, indem man einen kleinen Trick anwendet.

Es gibt eine komplexe Zahl i, die so definiert ist, daß i²=(-1).

Ziehst Du also die Wurzel aus (-9), stellst Du (-9) als das Produkt (-1)*9 dar.

Da die Wurzel aus einem Produkt gleich dem Produkt der Wurzeln aus den einzelnen Faktoren ist, kannst Du Wurzel (-9) zu Wurzel ((-1)*9) umschreiben und in Wurzel (-1)*Wurzel (9) aufteilen.

Die Wurzel aus 9 ist gleich 3, die Wurzel aus (-1) ist die imaginäre Einheit i.

Wurzel aus (-9) ist demnach 3i.

Im Bereich der komplexen Zahlen ist auch -3 als Wurzel aus 9 definiert, so kommst Du auf die beiden komplexen Wurzel ±3i, die beide quadriert wieder 9 ergeben.

In den komplexen Zahlen bekommst Du übrigens immer alle Wurzeln einer Zahl.

Eine Wurzel n-ten Grades hat im Komplexen immer n Wurzeln. Das ist im Bereich der reellen Zahlen längst nicht so.

Herzliche Grüße,

Willy

shyguygirl 
Fragesteller
 22.03.2020, 13:30

Vielen Dank für deine Antwort!
Ich habe schon mal darübert nachgedacht, dass man theoretisch die Wurzel aus einer negativen Zahl mal -1 rechnen kann...

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Timo1234w5  22.03.2020, 13:31

Das ist so nicht ganz richtig. Das Quadrat aus ±3i ergibt nicht +9, sondern -9. [(3i)²=3²•i²=9•(-1)=-9]

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Willibergi  22.03.2020, 13:36
Da die Wurzel aus einem Produkt gleich dem Produkt der Wurzeln aus den einzelnen Faktoren ist

Puh, da kommen wir aber in Teufels Küche, wenn wir das auf negative Radikanden verallgemeinern.

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Willy1729  22.03.2020, 13:37
@Willibergi

Nicht im Bereich der komplexen Zahlen und nur auf den beziehe ich mich hier.

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Willibergi  22.03.2020, 13:43
@Willy1729

Doch, klar. Das Paradebeispiel dabei ist doch das:

1 = √1 = √((-1)(-1)) = √-1 √-1 = i * i = -1

Das Ergebnis stimmt zwar, wenn wir mit √ den Hauptzweig der Wurzelfunktion bezeichnen, aber mit dem Weg bin ich nicht ganz einverstanden. Der lässt sich nicht so auf die komplexen Zweige und "negative Wurzeln" verallgemeinern.

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Willy1729  22.03.2020, 13:50
@Willibergi

Ich habe doch extra vor Scheinlösungen gewarnt. Das Wurzelziehen ist keine Äquivalenzumformung, daher funktioniert der 'Beweis', daß 1=-1 ist, auch nicht auf diese Weise.

Was ich meine, ist folgendes:

Im Reellen ist als Wurzel a einer positiven Zahl b nur die positive Zahl a definiert, für die gilt, daß a²=b. Danach ist die Wurzel aus 1 nur die 1 und nicht etwa auch die -1.

Im Bereich der komplexen Zahlen gilt aber auch (-1) als Wurzel aus 1, woraus man noch lange nicht schließen darf, daß 1=-1 ist, nur weil sowohl (-1)² als auch 1²=1.

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Willibergi  22.03.2020, 14:02
@Willy1729

Das Wurzelziehen ist eben schon eine Äquivalenzumformung, die (reelle) Wurzelfunktion ist auf ihrem gesamten maximalen Definitionsbereich streng monoton steigend und damit injektiv. Das Problem ist die Quadratfunktion, die ist nämlich nicht injektiv und damit das Quadrieren keine Äquivalenzumformung. Wurzelziehen bringt a priori keine Probleme mit sich.

Das ist natürlich Meckern auf hohem Niveau, aber so ist es, wenn wir es wirklich formal aufziehen wollen. Hier

Im Bereich der komplexen Zahlen gilt aber auch (-1) als Wurzel aus 1

kommen genau die komplexen Zweige ins Spiel. Dass die Wurzel aus 1 sowohl 1, als auch -1 ist, stimmt eben genau genommen wieder nicht - die Wurzelfunktion ist eindeutig, aber wir müssen angeben, auf welchen Zweig wir uns dabei beziehen. Bezeichnen wir mit √ den Hauptzweig der Wurzelfunktion, so ist √1 = 1 und nicht -1. Im Reellen bezeichnet man mit √ die positive Lösung, im Komplexen eben im Allgemeinen den Hauptzweig.

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1. Wenn es um den Satz des Pythagoras geht musst du erstmal zwei Dinge beachten:

-die Werte werden quadriert, und somit immer positiv

-es handelt sich um Längen, die immer positiv sind, auch im negativen Bereich des KoSys. Eine Länge ist der Betrag der Veränderung des Ortes.

2. Wenn du eine Wurzel aus einer negativen Zahl ziehen willst, dann kommst du in den Bereich der komplexen Zahlen. Dieses Thema ist jedoch zu komplex, um es hier zu erklären. Wenn du daran interessiert bist, musst du dir selbst Material besorgen und dich einarbeiten. Die Komplexen Zahlen werden auch in der Schule nicht mehr behandelt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
shyguygirl 
Fragesteller
 22.03.2020, 13:25

Vielen Dank!

Aber wenn man die Wurzel aus c^2 zieht? Oder muss man die Zahl als positive betrachten? :)

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Willy1729  22.03.2020, 13:34
@shyguygirl

Selbst wenn c negativ ist, ist c² auf jeden Fall positiv und die Wurzel aus c² ist dann c. Jetzt aber ist c auf jeden Fall eine positive Zahl, weil die Wurzel so definiert ist.

Nimm an, c=-3 und Du quadrierst diese Zahl.

(-3)²=9, eine positive Zahl.

Ziehst Du jetzt die Wurzel aus 9, kommst Du aber nicht mehr auf (-3), sondern auf 3. Daher mußt Du bei Wurzelgleichungen immer mit Scheinlösungen rechnen, weil das Wurzelziehen keine Äquivalenzumformung darstellt bzw. das Quadrieren einer negativen Zahl durch das Ziehen der Wurzel nicht rückgängig gemacht wird.

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