Wie äußert sich euer Autismus?

3 Antworten

Ich versuche es mal. Muss aber dazu sagen, dass ich keine Diagnose habe. Es besteht nur der Verdacht. Ich habe es nie für notwendig gehalten, das diagnostizieren zu lassen.

  • Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Viele Verhaltensweisen sind für mich nicht immer leicht nachvollziehbar. Das betrifft vor allem die Kommunikation. Zwischentöne verstehe ich oft nicht und mitunter weiß ich nicht sicher, wie etwas gemeint ist. Auch Unsicherheit im Bezug auf eigenes Verhalten ist vorhanden, allerdings habe ich angepasstes Verhalten jahrelang "trainiert", so dass das eher ein kleineres Problem für mich darstellt.
  • Ich habe bei Reizüberflutung Probleme zu filtern. Es reicht schon, wenn bei einem Gespräch mehrere gleichzeitig reden oder ein Radio im Hintergrund läuft.
  • Ich sehe eher Details, die andere nicht so schnell wahrnehmen.
  • Ich kann mich in bestimmten Themen "verlieren". Das heisst, dass ich ein Thema bis zum letzten Detail verfolge und ich alles darüber wissen möchte.
  • Feste Strukturen sind sehr wichtig für mich. Mit Veränderungen komme ich nicht gut zurecht.

Dafür müsste ich erst einmal wissen, was nun tatsächlich aufgrund meines Autismus ist. Manches hätte ich vielleicht sowieso und manches kann auch von meiner zusätzlichen Sozialphobie kommen. Vieles kommt mir wohl auch normal vor.

Nun gut, was mir auffällt, wäre zum Beispiel die Tatsache mit dem Augenkontakt. Dieser ist so gut wie unmöglich bei mir. Lediglich bei meiner Mutter läuft dieser problemlos ab, wobei es sich selbst da manchmal etwas seltsam anfühlt. Allerdings könnte das eben auch an meiner Sozialphobie liegen - Soviel dazu.

Smalltalk konnte ich noch nie ausstehen. Bei Leuten die ich bereits kenne ist das in Ordnung, aber generell diese "Kennenlernphase" finde ich ganz schlimm. Ich weiß auch nicht, wie ich das erklären soll.

Ich reagiere ziemlich empfindlich auf Geräusche. Besonders schlimm sind plötzliche Geräusche. Aufgrund meines Autismus kann ich sie natürlich auch nicht ausblenden, so wie Menschen ohne Autismus das können. Geräusche von Bauarbeiten zB. sind auch extrem schlimm. Kettensägen, Jumpscares, Klatschen, Metall an Metall, Kindergekreische ... Mag kaum jemand, klar, aber die meisten können's ignorieren.

Überraschungen kann ich gar nicht ab. Ich muss mich auf alles vorbereiten können - Am besten Wochen im Voraus.

Ich betreibe Stimming. Manchmal wackel ich mit den Beinen, manchmal "summe" ich (Damit meine ich eher, dass ich ein unmelodisches "Lalala" und "Duptidudididududadam" von mir gebe) oder ich hüpfe, wackel mit meinem Oberkörper hin und her ... Früher bin ich regelmäßig auf Sofas usw. rumgesprungen. Die ganze Energie musste raus, all diese Eindrücke und Erlebnisse.

Ich bekomme Meltdowns, wenn ich traurig, stark verwirrt, wütend oder ähnliches bin. Also ich habe sehr starke Gefühle in alle Richtungen. Solche Meltdowns bestehen dann aus Heulen, nach Luft schnappen, mich beleidigen, auf den Kopf und ins Gesicht schlagen, an meinen Haaren reißen und meine Fingernägel in meine Haut (Gesicht, Arme und/oder Beine) drücken. Hört sich erstmal schlimmer an als es ist.

Wenn ich jemanden trösten soll, oder denke, ich soll es tun, weiß ich oft nicht, was ich sagen soll.

Ich habe große Probleme damit, meine Freunde nicht mit meinen Spezialinteressen vollzutexten. Das ist schlicht und ergreifend unmöglich. Ein Glück macht denen das nichts aus. Also ich neige zu Info-Dumping. Dadurch kann ich besserwisserisch wirken, dabei will ich einfach nur die Tatsache genießen, dass ich wenigstens bei einem Thema nicht komplett ahnungslos bin. Es geht mir dann nicht einmal darum, dass mein Gegenüber mitreden kann (oder will), sondern ich muss das alles einfach auslassen und es jemanden erzählen. Ergibt das Sinn? Keine Ahnung.

Ich habe Probleme damit, zB. ein Video zu hören und gleichzeitig etwas zu lesen oder zu schreiben. Manchmal geht es, manchmal nicht. Dann muss ich das Video auf Pause machen, oder ich merke mir zur Hälfte die Informationen im Video und zur anderen Hälfte die gelesenen Informationen. Ob das wirklich etwas mit meinem Autismus zu tun hat kann ich dir nicht sagen.

Jeglicher menschliche Kontakt ist in 99% der Fälle zu anstrengend. Vollkommen egal, wie sehr ich jemanden mag. Auch schriftlicher Kontakt. Da kann man schon mal ein paar Wochen auf meine Antwort warten ... Oder Monate.

Bestimmt gibt's noch mehr, aber das ist mir auf die Schnelle eingefallen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Ich habe meine Diagnose, das vorneweg.

Gerüche machen mir meist mehr als manch anderen zu schaffen, besonders, wenn es sich um Zwiebeln, Schweinefleisch, Zigarettenrauch, Parfüm, bestimmte Deos oder Dinge mit Duftstoffen handelt.

Einkaufen geht bis zu einem bestimmten Punkt und dann muss ich sehen, dass ich möglichst schnell aus dem Laden komme.
Wann der Punkt erreicht ist, hängt von der Anzahl der Menschen im Laden ab und der Temperatur im Geschäft. Auch wenn ich den Sommer liebe - warme Heizungsluft geht nur begrenzt.

Draußen können mich Menschenmassen orientierungslos machen, weil mir dann der Überblick fehlt.
Liegt auch an meiner Größe von 1,50 m.

Small Talk interessiert mich nicht.
Aber ich beteilige mich an Gesprächen, wenn das Thema für mich interessant ist. Da mache ich keinen Unterschied zwischen "die Leute kenne ich schon lange" und "zufälligerweise über den Weg gelaufen".

Ich springe ebenso gerne mal vollem Anlauf in die Ölwanne, während andere sich mit dem Fettnäpfchen begnügen.

Generell finde ich Menschen anstrengend.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema
kiniro  23.01.2022, 21:47

Was mir noch eingefallen ist: Ich habe Probleme einem Gespräch mit meinem Gegenüber zu folgen, wenn ein paar Meter weiter sich andere Leute lautstark miteinander unterhalten.
Dann richtet sich meine Aufmerksamkeit auf deren Unterhaltung, ohne das ich es will.
Mir fällt dann das Ausblenden in dem Fall schwer.

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tobianne  26.01.2022, 18:11

Das mit der Ölwanne war aber sehr metaphorisch für einen Autisten ;)

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kiniro  26.01.2022, 18:13
@tobianne

Ich weiß - ist halt ein Beweis dafür, dass es auch Autisten gibt, die im sprachlichen Bereich besser sind als in Sachen Mathe und Co.

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