Werte und Normen/Menschenbild?

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Hobbes erlebte den Dreißigjährigen Krieg, besser das religiös gerechtfertigte, dreißigjährige gegenseitige Morden, Vergewaltigen, Plündern und Niederbrennen in Europa. Merke Dir zwei Sätze für Hobbes: bellum omnium contra omnes (Latein - Deutsch >) Der Kampf (besser als: Krieg) aller gegen alle UND homo homini lupus est (Latein < ursprünglich von Plautus) Der Mensch ist des Menschen Wolf.

Vergleiche also das menschliche Verhalten wirklich mit dem Verhalten der Wölfe in ihren Rudeln: Das Alpha-Männchen beißt sich durch, ordnet sich aber bei der gemeinsamen Jagd ein usw.. Ich würde das nicht "böse" nennen, sondern "im Sinne der Natur". Die Kultur ist erst das Menschliche aus heutiger Sicht, sie muss gestaltet werden; sie ist aber auch nicht generell "gut". Diese religiös-ethischen Werte müssen immer wieder neu durchdacht und festgelegt (auch gesetzlich) werden! Kultur entwickelt sich aus der Natur.

Freud erlebte den schleichenden Untergang der Adelsdiktaturen (Kaiser-, Königreiche von Gottesgnaden). Die Menschen waren damals dressierte Duckmäuser oder ausbrechende Revolutionäre; Frauen wurden von der Männerwelt unterdrückt, waren Sexualobjekte, Geldobjekte, Mütter ihrer Soldatensöhne usw.. Freud entdeckte, dass die ständige Hemmung der Gefühle, besonders des sexuell-lustvollen Triebes (im Sinne der Religion positiv bewerteter Sex war ja nur die natürliche Fortpflanzung) zur Depression oder Aggression führt. Also ist die gesellschaftsbildende Einigung im friedvollen Guten, die nur durch die Hemmung der Triebe (betont der Männer) erfolgreich ist, die Ursache des Zuwiderhandelns des Einzelnen gegen das Gute, also die Ursache für das Böse: Das ist eine angeborene Neigung zum Zuwiderhandeln, dies kann man als das Böse deuten. Die gegenseitige Achtung der individuellen Bedürfnisse, diese Liebe ist die Lösung gegen das Böse...


Rousseau erlebte das Erblühen der Vernunft, des Verstandes. Alles wurde dem Verstand untergeordnet, der nach Reichtum und Ruhm strebte, nur das ist Fortschritt, was denn sonst?! Und zu viel Reichtum und Ruhm schenkt Macht - und die Machtgier ist die Ursache des Bösen. So betrachtet Rousseau den Rückschritt zur Natur (so ergab sich für sein Denken der Leitsatz "Zurück zur Natur") als den Fortschritt zum Guten: Wenn der Mensch seine Natur ausleben könnte, wäre alles nur gut; denn die Liebe ist das höchste Gut...

Lorenz erlebte das atomare Aufrüsten als erneute Drohung trotz beider Weltkriege. In seinem Buch "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit" (1972-73, Piper Verlag) zählt er ab Seite 107 ff. diese "Vorgänge" auf: 1) Überbevölkerung > Das Überangebot an zwischenmenschlichen Kontakten mache gleichgültig und aggressiv. 2) Verwüstung > Die Zerstörung der Natur ist zugleich die Zerstörung der Achtung der Schöpfung im menschlichen Weltbild. 3) Wettlauf der Menschheit mit sich selbst > Durch den rasenden technischen Fortschritt erhält der Mensch immer weniger Zeit zur Reflexion seiner Taten. 4) Schwund aller starken Gefühle durch Verweichlichung > Alles, was keinen Spaß, keine Befriedigung der Lust bringt, wird als sinnlos verneint. Freude und Leid wird nicht mehr mit Leidenschaft erfahren und danach gehandelt, sondern Langweile ist das Mittle zum Zweck. 5) Genetischer Verfall > Oberflächlicher Infantilismus gegenüber den Problemen der Welt scheint genetisch verursacht zu sein. 6) Abreißen der Tradition > Durch die Zerstörung der Familienbande ergibt es den Hass der Generationen gegeneinander. 7) Zunahme der Indoktrinierbarkeit > Die absichtliche Vereinfachung der stets komplizierter werdenden Welt schenkt Diktatoren ihr einfältiges Volk, das sich bedroht und als Opfer fühlt. 8) Aufrüstung mit Atomwaffen > Das gegenseitige Bedrohen ist einfacher als das tolerante Miteinanderleben.

Also ist der Mensch nicht von Natur aus böse, sondern (Seite 106 Mitte) "bei der unglaublichen kollektiven Dummheit der Menschheit" ist die Bewertung von Gut und Böse, von den bösen Folgen des Handelns in dieser immer komplizierteren Welt fast nicht mehr möglich.   

Light45 
Fragesteller
 08.11.2017, 20:17

Es ist schön, dass es Leute gibt, die sich die Zeit nehmen einem zu helfen. Ich danke dir, dass du dir zeit genommen hast mir zu helfen und die Hintergründe zu den Perspektiven dieser Menschen geschildert hat. So wird deutlich wieso sie dieser Meinung sind. Verzeih mir falls ich trotz deiner Erläuterung dumm frage, aber ich verstehe die Perspektive von lorenz immer noch nicht so ganz.. Er sagt dass der Mensch nucht böse ist sondern dumm handelt und somit nicht mehr möglich ist gut und böse zu bewerten?

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Skoph  08.11.2017, 22:19
@Light45

Bitte, bitte.... - Lorenz war Biologe und wohl der erste ernstzunehmende Verhaltensforscher im Tierreich. Man hat ihm vorgeworfen, seine Erkenntnisse über Tiere kritiklos auf Menschen zu übertragen, da befürchte ich, wollten die Gegner nicht haben, dass sie Tiere, ja nur selbsternannte Menschen sind. 

Ich vermute, das Problem ist, für das Verhalten im Tierreich gibt es nicht "Gut und Böse", weil Tiere nicht hinterhältig boshaft oder sadistisch folternd handeln, sie töten auch nicht aus Rache oder aus perverser Lust: Sie töten in der "Nahrungskette" oder Rivalen im Unfall oder als Selbstschutz aus "Angst", aus "Instinkt", da "menschelt" es vielleicht gerade wegen der menschlichen Deutung: Löwenmännchen töten manchmal ihre kleine Söhne, vermutlich damit es nicht zu viele Alpha-Tiere in einer Region gibt. Die Löwenmutter greift erst ein, will es verhindern, aber nur solange das Löwenkind noch lebt, dann zieht sie sich zurück: Man kennt inzwischen auch kurzes Trauerverhalten - vieler Tiere...

Deshalb ging es Lorenz nie direkt um "Gut und Böse", weil das theologische bzw. moralphilosophische Begriffe für menschliche/s Denkweisen und Verhalten sind; er nannte das "Todsünden", was indirekt Böses erschaffen kann.

Ja, er schrieb von der wie eine psychische Krankheit entstehenden Dummheit der Menschen, die dadurch kein Gerechtigkeitsgefühl, also auch keine Urteilsfähigkeit zwischen "Gut und Böse" mehr haben und deshalb ganz leichtsinnig und gleichgültig Böses tun...

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N´Abend,- kurz gefaßt:

1) Hobbes ist eine Art "Mischwesen". Im Konatkt mit F. Bacon hat er einerseits das Aufkommen des >Naiven Empirismus< miterlebt und mitformuliert und war somit eher ein Vertreter von Interpretationen eines Menschenbildes, dass dieses mechanistisch-psychologistisch auslegte und von einem Skeptizismus gegenüber der Vorstellung, dass der Mensch nicht nur rational handeln sondern auch vernunftfähig von seiner Rationalität Gebrauch machen könnte geprägt war. Gleichzeitig dämmerte ihm aber schon, dass es sowas wie "aufgeklärtes Denken" gäbe. Nur traute er dieses dem "gemeinen Volk" nicht zu sondern verlagerte es in ein Modell der Unterwerfung des Menschen unter eine "Regulationshoheit", also den Staat als Form eines elitären Macht- und Regulationsanspruches eines "aufgeklärten Herrschers", welcher qua seiner Aufgeklärtheit legitimiert wäre, zu herrschen. Legendär ist ja sein angeblicher Satz, dass ja ansonsten "der Mensch des Menschen Wolf sei". Siehe seine zentralen Werke: "Leviathan", "De Homine", "De Cive", "The Elements of Law, Natural an Politics".

2) Freud kannst du vergessen. Seine Vorstellungen werden in der zeitgenössischen Psychologie als "triviale Triebhydraulik" belächelt und gelten spätestens durch seinen direkten Schüler Alfred Adler bereits als überholt. Er hat noch einen gewissen "historischen" Wert in der Entwicklungsgeschichte der Psychologie und eine kleine Gruppe mit Sektencharakter hält noch an ihm 1:1 fest. mehr aber auch nicht. - Streich ihn aus deinem Vortragskonzept. - Versuche dir statt dessen lieber einen grundlegenden Überblick über die zeitgenössischen psychologischen Ansätze vom simplen Behaviorismus bis zur Humanistischen Psychologie zu verschaffen.

3) Rousseau. Für ihn gilt das Gleiche wie für Freud, nur auf dem Gebiet der Pädagogik. Als Zeitgenosse der Aufklärungsepoche hat er versucht, den emanzipatorischen Grundgedanken als Vorbehaltlosigkeit gegenüber (i.d.R. bis dahin) religiös geprägten Definitionen zu Wert, Funktion und Bestimmung des Menschen in der Welt und damit auch das entsprechende erzieherische Paradigma aufzulösen. Leider konnte er sich nie entscheiden ob er Denker oder Literat sein sollte. Für eine emanzipatorische Pädagogik ist z. B. ein John Dewey wesentlich wichtiger als er.

Gruß