«Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‹Ich bin der Faschismus›. Nein, er wird sagen: ‹Ich bin der Antifaschismus›.»?
Was soll dieses Zitat von dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone aussagen?
Freu mich über jede Hilfe :)
10 Antworten
Silone ist ja 1931 als Antistalinist aus der KPI ausgeschieden. Selbst wenn das Zitat also nicht von ihm stammen sollte, beschäftigten ihn offensichtlich die Ausbreitung der "kommunistischen" Diktaturen in Mitteleuropa und der zunehmende Einfluss der der KPI und der KPF nach dem 2. Weltkrieg.
Da diese Parteien auf dem Boden ihres eigenen Programms in keiner Weise mehrheitsfähig waren, haben sie unter dem Firmenschild des "Antifaschismus" (wer kann schon dagegen sein?) versucht, breitere Bevölkerungskreise für sich zu gewinnen. Dabei haben sie stets darauf geachtet, solche "demokratischen", "antifaschistischen" oder "pazifistischen" Vorfeld-Organisationen durch gezielten Personaleinsatz zu kontrollieren. Letztlich wäre es diesen Kräften darum gegangen,
mit Hilfe von antifaschistischen Bündnispartnern (ähnlich wie in der Tschechoslowakei 1948) an die Macht zu kommen, um Gesellschaft und Staat nach sowjetischem Vorbild umzugestalten..
Silone kann für diese Art der Machtausübung durchaus das Konzept eines "roten Faschismus" vertreten haben (so genau weiß ich das nicht; es passt aber zu seiner Biographie), also die Theorie, dass "rote" und "braune" Diktatur sich nur unwesentlich unterscheiden (Totalitarimus).
In diesem Kontext ergäbe dann auch das von dir angeführte Zitat noch aktuell einen gewissen Sinn. Dass es auch in der Gegenwart Bestrebungen gibt, die Meinung anderer unter der Fahne des "Antifaschismus" zu unterdrücken, ist unbestreitbar (Einige der Antworten hier tendieren in diese Richtung.). Aber längst nicht jeder, der Zu-spät-Gekommenen, die heute die "Kämpfe" austragen möchten, die ihre Groß- oder Urgroßeltern bedauerlicherweise nicht ausgetragen haben, ist ein Kandidat für einen "roten Faschismus" à la Sowjetunion und DDR. Insofern würde ich selbst das Zitat nicht unterschreiben.
Kurz nach dem 2. WK war die Gefahr allerdings auch diesseits des Eisernen Vorhangs durchaus real und Silones Warnung, wenn sie denn so gemeint war, mehr als legitim.
Inwiefern ergibt denn der Begriff "roter Faschismus" einen Sinn wenn historisch der rote Terror und die rote Diktatur zuerst kamen? Das ist irgendwie geschichtsfälschend oder? Wenn schon, müsste man von einem braunen Kommunismus sprechen...
Wenn es wirklich von ihm stammen sollte, was zweifelhaft ist, soll es wohl aussagen, dass der neue Faschismus sich als Antifaschismus ausgeben wird.
Silones Verständnis des (italienischen) Faschismus hat er, neben den bekannten Romanen, in mehreren Büchern entwickelt, vor allem in "Der Fascismus. Seine Entstehung und seine Entwicklung" und dem eher satirischen "Die Kunst der Diktatur". In beiden charakterisiert er die faschistischen Führer als Opportunisten, Zyniker und Lügner, die Macht um ihrer selbst willen anstreben, und denen ein politisches Programm und geschlossene Allianzen nur so lange etwas gelten, wie sie Nutzen daraus ziehen können. Darüber hinaus zeichnet er die Ideologie des Faschismus als im Kern leer, amorph und widersprüchlich - und gerade deswegen erfolgreich, weil sie sich der jeweiligen Situation anpassen kann, ohne auf Prinzipien rücksicht nehmen zu müssen. Diese Eigenschaften sah er auch in der Kommunistischen Internationalen unter Stalins Führung, und er schildert mehrere Erlebnisse (Silone hatte selbst eine wichtige Funktion in der Kommunistischen Partei in Italien) mit Stalin und seinen Anhängern, die ihn diese Eigenschaften in der KPdSU wiedererkennen lassen. Darin sah er die Gefahr eines "roten Fascismus", wie er in einem offenen "Brief nach Moskau" schreibt. Aus diesem Grund bricht er in den 30er Jahren mit der KP und wendet sich stärker seinen schriftstellerischen Tätigkeiten zu. Der "Antifaschismus", von dem Silone in dem Zitat spricht, meint wahrscheinlich die offizielle Parteidoktrin, mit der aber auch die Schauprozesse gegen z.B. Trotzky und andere Parteigrößen legitimiert wurden, z.B. in dem Dissidenten als "faschistische Agenten" diffamiert wurden.
Mehr dazu: https://heimatmuseum-mumpitz.de/ignazio-silone-und-der-faschismus
Es ist gar nicht erwiesen, dass dieser Spruch von Silone stammt. Seit 2009 ist es "der Lieblingsspruch" von Rechtsextremisten und Neurechten und wird propagandistisch in sozialen Medien wie Twitter oder Facebook angewendet. Der Spruch wird nicht nur Silone zugeschrieben, sondern auch unzähligen anderen wie etwa Huey Long, Winston Churchill, Antonio Gramsci, Theodor Adorno oder Jacques Presser, um einige zu nennen. Silone wird es am häufigsten zugeschrieben. Es gibt aber keinen Nachweis. Es findet sich kein Werk, wo Silone diesen, oder einen ähnlich lautenden Satz, geschrieben hätte. In Italien ist das angebliche Zitat zudem vollkommen unbekannt. Es gibt allerdings einen Zeitzeugen, nämlich Francois Bondy, der dies in insgesamt drei Texten aus seiner Erinnerung her behauptet (zwei englische Texte aus 1976 und 1979 und eine deutsche Übersetzung des Textes von 1979 aus 1988). Bondy ist jedoch der Einzige, der dies behauptet und widerspricht sich auch noch in beiden Texten von 1976 und 1979 an entscheidenden Stellen wie etwa im genauen Wortlaut, dem Zeitpunkt (mal 1944, mal 1945), dem Ort (mal Italien, mal Genf) und, er sagt auch nichts darüber, in welchen Zusammenhang Silone den Spruch gesagt haben soll. Dafür bettet er Silones angebliche Aussage in zwei völlig verschiedenen Kontexten ein. Das alles zusammen genommen, spricht nicht für Authentizität.
Wer Interesse an meiner Recherche hat und erfahren möchte, warum Silone und andere von Rechtsextremen gerade im deutschsprachigen Raum seit 2009 als Kronzeugen für den Spruch missbraucht werden, kann das gerne auf meiner Benutzer-Unterseite hier nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:KarlV/Faschismus_und_Antifaschismus_in_der_Wikipedia
Das Zitat stammt aus dem Jahr 1944 .
Es sagt nichts über Antifaschisten von heute aus .
Es sagt vor allem , dass der Faschismus nicht im selben Gewand auftauchen wird , wie er es historisch tat. Sondern , dass man aufpassen muss , wie faschistische Haltungen sich im Mantel des gesunden Menschenverstands des Manns und der Frau von der Strasse im politischen Diskurs breitmachen .
Daher ist es ein zutreffendes Zitat über die sogenannten Rechtspopulisten, die legitime Nachfolger des "Wir wissen es und nur das gilt" des Faschismus sind.
Das Zitat ist aus einem Buch von seinem guten Freund, da schreibt er dass Silone das mal zu ihm gesagt hatte, lediglich nicht erwiesen ist, ob das wirklich eins zu eins so gesagt wurde, da das 40 Jahre nachdem er es gesagt haben soll veröffentlicht wurde, wodurch es sein kann dass der Freund den exakten Wortlaut des Zitats über die Jahre schon garnicht mehr richtig wusste…
François Bondy ist der besagte Freund. Also man kann definitiv sagen, dass ein derartiges Zitat oder zumindest etwas was inhaltlich in diese Richtung geht von silone irgendwann mal gesagt wurde🤷♂️
Das Zitat ist in den Texten von Silone unauffindbar. Eine Datierung ist daher unmöglich und nicht seriös. Da keine Primärquelle existiert und nur vom Hörensagen "zitiert" wird, geistern in Sozialen Medien die unterschiedlichsten Datierungen für den angeblichen Spruch. Alleine auf Twitter (X) etwa wurden bisher (Stand Juni 2024) folgende Datierungen feilgeboten: 1925, 1941, 1944 (s.o.), 1945, 50er Jahre, 1961, 1976, 1978 und 1988...