Welche Stellung hat die Szene Walpurgisnacht im Rahmen der Gretchentragödie?

2 Antworten

O Gott, ich habe es schon immer für einen Fehler gehalten, wenn die Deutschlehrer Kinder, die gerade mal aus dem Blümchen-Bienchen-Alter raus sind und ihre Versuche machen, mit Faust und Fragen quälen, die für einen reiferen Menschen schon schwer genug sind.

Die Walpurgis-Nacht ist die andere Seite des Geschlechterverhältnisses, ist Orgie, der überbordende Trieb als Gegenmodell zum "anständig-sittsamen" Mann-Frau-Verhältnis im Sinne der ordentlichen Menschen, zu denen auch Gretchen gehört, überhaupt Gegenmodell zu einer Ordnung, in der die Jungfräulichkeit der Braut und die Ehe zentrale Vorstellungen waren.

Man muss bedenken, das Goethe in Bezug auf das, was auf die Bühne gebracht werden kann, auch bestimmte, nicht nur gesellschaftskonforme, sondern sicherlich auch von seiner eigenen Sittlichkeit geprägte Vorstellungen hatte, die von denen der heutigen Menschen ziemlich abweichen.

spassvogel13 
Fragesteller
 12.06.2017, 20:00

ok vielen dank !!! bekommst wahrscheinlich die Beste Antwort von mir :) habe noch eine neuere Frage ,auch zu Faust 1 gestellt ... vielleicht kannst du da ja auch einmal vorbei gucken , denn wie ich merke kennst du dich mit dem Thema anscheinend ganz gut aus !

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Walpurgisnacht: Faust soll in der Liebe zum puren Sinnengenuss verführt werden („Staub soll er fressen, wie meine Muhme, die Schlange!“ siehe Mephisto im „Prolog im Himmel“). Das rote Mäuschen, das aus dem Mund des mit Faust tanzenden Mädchens gesprungen ist, soll eine Metapher für sinnliche Liebe sein. Faust soll Gretchen, seine ernste und große Liebe, vergessen, in ihm sollen vor allem, indem er sich einem neuen Mädchen zuwendet, keine ernsten Gefühle wie Verantwortung aufkommen.

Dann soll Faust sich an seichten Theaterstücken, geschrieben und gespielt von Dilettanten, erfreuen. Er soll zu einem oberflächlichen Menschen werden, der an seichtem „Theaterzeug“ Gefallen findet. Leicht und unbedeutend, total vergänglich ist das „Zeug“ der Dilettanten. Siehe Schlussverse: „Folget meiner leichten Spur: auf zum Rosenhügel!.... Luft im Laub und Wind im Rohr – und alles ist zerstoben“ Wenn Faust erst ein oberflächlicher Mensch ist, wird er auch reif sein für Mephistos Plan, ihn mit irdischem Genuss zu betrügen.


Doch Faust erinnert sich an Gretchen, sein Gewissen fängt an zu rumoren: „Mephisto, siehst du dort ein blasses schönes Kind allein und ferne stehen?“