Weimarer Republik SPD?

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Die SPD ist nicht nach der Reichstagwahl 1930 von der Regierung in die Opposition gewechselt, sondern eine von der SPD und anderen Parteien getragene Regierung ist am 27. März 1930 auseinandergebrochen und es wurde am 31. März 1930 eine neue Regierung unter Beteiligung auch einiger bisher nicht in der Regierung mitwirkender politischer Kräfte gebildet.

Die SPD stand zu dieser Regierung in Opposition, war aber grundsätzlich zu Verhandlungen bereit. Die Regierung ist ihr aber kaum entgegengekommen.

Im Juli 1930 stimmte die SPD bei wichtigen Abstimmungen im Reichstag gegen die Regierung. Am 14. September 1930 hat eine Reichtagswahl stattgefunden.

Vom 28. Juni 1928 bis zum 27. März 1930 gab es eine vom Reichskanzler Hermann Müller [SPD] geführte Regierung einer großen Koalition, getragen von SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), DDP (Deutsche Demokratische Partei), Zentrum, (Deutsche Zentrumspartei), BVP (Bayerische Volkspartei) und DVP (Deutsche Volkspartei). Die politischen Überzeugungen und die Interessen der Beteiligten lagen zum Teil erheblich auseinander und bei manchen Entscheidungen war es nötig, mühsam tragbare Kompromisse zu suchen.

Die 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise brachte große Schwierigkeiten und es gab wegen sozialpolitischer Gegensätze Auseinandersetzungen innerhalb der Regierung. Am stärksten war dabei der Gegensatz zwischen der SPD, die den Arbeitern/Arbeitnehmern und Gewerkschaften nahestand, und der DVP, die den Arbeitgebern/Großindustriellen und Unternehmerverbänden nahestand.

Die Gelder der Arbeitslosenversicherung waren in der Weltwirtschaftskrise und bei steigender Arbeitslosenanzahl nicht ausreichend. Es ging darum, ob die Beiträge erhöht oder die Leistungen für die Arbeitslosen gekürzt wurden und inwieweit staatliche Zuschüsse an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gegeben wurden.

Die DVP hat zunächst einen Vorschlag abgelehnt (Beitragserhöhung auf 3, 75 %, nachdem die SPD zunächst für 4 % eingetreten war). Der Zentrums-Fraktionsvorsitzende Heinrich Brüning hat einen neuen Vorschlag mit einer Erhöhung auf 3, 5 %vorgelegt, dem die DVP zustimmte, den aber die Mehrheit innerhalb der SPD ablehnte. Dieser Vorschlag eines Kompromisses hätte die Entscheidung um wenige Monate verschoben. Danach war eher eine Abweichung von den Wünschen der SPD zu erwarten (die Ablehnung der SPD kann dennoch als taktisch unklug beurteilt werden).

Nach dem Rücktritt der Regierung wurde eine neue Regierung mit Heinrich Brüning als Reichskanzler gebildet. Neben den vorherigen Regierungsparteien außer der SPD wurde die Regierung von einigen politisch »rechts« (aber nicht extrem »rechts«) stehenden Kräften unterstützt. Diese kamen von der Reichspartei des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei), der CNBL (Christlich-Nationale Bauern- und Landvolkpartei) und Leuten, die etwas später die KVP (Konservative Volkspartei; gegründet am 23. Juli 1930, wobei sich einige vorher bei der DNVP [Deutschnationale Volkspartei] tätige Politiker mit der am 28. Januar 1930 gegründeten Volkskonservativen Vereinigung zusamenschlossen) bildeten.

Schon seit 1929 hatte es geheime Sondierungen gegeben, wie eine Regierung ohne die SPD und mehr nach »rechts« verlagert gebildet werden könnte. Einige Kreise aus Großindustrie, Großagrariern und Reichswehr wollten die SPD aus der Regierung herausdrängen und auch der Reichspräsident Paul von Hindenburg bevorzugte dies, sobald eine außenpolitische Angelegenheit (Beschlüsse, damit der Young-Plan verwrklicht werden konnte) zustandegebracht sei. Es war die Rede von einem „Hindenburg-Kabinett", das »antimarxistisch« und »antiparlamentarisch« ausgerichtet sein sollte.

1930 war keine feste Regierungsmehrheit im Reichstag möglich. Die SPD hatte relativ am meisten Stimmen, war aber von einer Mehrheit im Reichstag deutlich entfernt. Ohne politische Partner konnte sie nicht Regierungspartei sein.

Die neue Regierung war eine Minderheitsregierung und daher stark abhängig vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Der Reichspräsident hatte in der Weimarer Republik eine starke Stellung, vor allem wenn es im Reichstag keine politisch handlungsfähige Mehrheit gab. Der Reichspräsident konnte den Reichskanzler und auf dessen Vorschlag die Reichsminister ernennen und entlassen (Artikel 53), den Reichstag auflösen, wenn auch nur einmal aus dem gleichen Grund (Artikel 25), und Notverordnungen erlassen (Artikel 48 Absatz 2). In der entstandenen Lage konnte der Reichspräsident entscheiden, wen er regieren ließ und mit dem Verfügen von Notverordnungen stützte. Die Regierungen werden auch als Präsidialkabinette bezeichnet (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidialkabinett).

Die Regierung Brüning war für Mehrheiten im Reichstag darauf angewiesen, zusätzlich Stimmen von der DNVP oder der SPD zu bekommen. Sie bemühte sich mehr um die DNVP.

Die SPD störte, wie die Lasten der Weltwirtschaftskrise ziemlich einseitig den Arbeitern aufgebürdet werden sollten.

Am 16. Juli 1930 wurde im Reichstag ein Gesetz zur Deckung der Ausgaben im Staatshaushalt mit 256 : 193 Stimmen abgelehnt (unter anderem von der SPD). Am 18. Jul 1930 stimmte Reichtstag eine Mehrheit von 236 : 221 Stimmen dafür, eine verfügte Notverordnung mit der vorher abgelehnten Deckung der Ausgaben im Staatshaushalt außer Kraft zu setzen (Abstimmung: 236 : 221 Stimmen).

Reichspräsident Paul von Hindenburg reagierte am 18. Juli 1930 mit einer Reichstagsauflösung und gab als Grund an:

„Nachdem der Reichstag heute beschlossen hat, zu verlangen, daß meine auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung erlassenen Verordnungen vom 16. Juli außer Kraft gesetzt werden, löse ich auf Grund des Art. 25 der Reichsverfassung den Reichstag auf.“

Bei der Reichstagswahl vom 14. September 1930 erreichte die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) sehr starke Zugewinne, außerdem stieg die Stimmenanzahl für die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands).

Nach diesem Ergebnis war die SPD mehrheitlich zu einer (begrenzten) Tolerierung der Regierung Brüning bereit (zumindest keine Unterstützung eines Misstrauensantrages gegen die Regierung oder eine Abstimmung im Reichstag für eine Forderung nach der Aufhebung einer Notverordnung) und Brüning äußerte eine Bereitschaft zu einem gewissen Entgegenkommen gegenüber der SPD.

Gründe für die Tolerierungspolitik der SPD: Geldwertstabilität wurde von vielen auch in der SPD nach den schlimmen Erfahrungen der Inflation für wünschenswert gehalten, es drohte ein Sturz der SPD-geführten Regierung (zusammen mit Zentrum und DDP [Deutsche Demokratische Partei]) in Preußen, die SPD folgte einer Logik des kleineren Übels. Unter den gegebenen Umständen hätte ein Zufallbringen der Regierung Brüning zu einer noch autoritäreren und weiter rechts stehenden Regierung geführt, möglicherweise mit den Nationalsozialisten als einer wichtigen Kraft.

Die SPD stand dabei allerdings auch kritisch zu einer zu einseitigen Belastung der Arbeitslosen und der Arbeitnehmer (vor allem der leicht kündbaren).

eine Internetseite mit einer Darstellung ist z. B.:

https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39537/zerstoerung-der-demokratie?p=all

IsaSinger 
Fragesteller
 12.11.2021, 21:12

Wow okay danke für diese ausführlichen Erklärungen, vielen Dank :)

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