Warum wird Autismus immer häufiger im Beleidigenden Kontext verwendet?
Ich bin selbst Autist, und es belastet mich sehr, wenn Menschen dieses Wort in einem beleidigenden Kontext nutzen. Oft wird „autistisch“ als Synonym für „dumm“ oder „unfähig“ gebraucht. Generell habe ich das Gefühl, dass neurodiverse Störungen und Behinderungen – darunter auch das Down-Syndrom – in der Gesellschaft häufig in einen Topf geworfen und abwertend als Überbegriff für Unwissenheit oder Unfähigkeit verwendet werden.
Besonders auf Plattformen wie TikTok oder in Subreddits wie r/okbrudimongo sehe ich zunehmend Inhalte, die sich über Menschen mit dem Down-Syndrom oder anderen Behinderungen lustig machen. Manche Nachahmungen und Witze sind extrem respektlos, und die Betroffenen werden regelrecht verhöhnt. Es ist enttäuschend, dass selbst Personen, die sich öffentlich für Gleichberechtigung oder Transrechte einsetzen, sich an solchen Inhalten beteiligen und offenbar keinerlei Sensibilität für diese Thematik zeigen.
Ich selbst habe Asperger Autismus und einen überdurchschnittlichen IQ, was es für mich umso schwieriger macht, wenn Autismus als Synonym für „dumm“ verwendet wird. In meinem Umfeld – insbesondere unter Jugendlichen – beobachte ich, dass solche Begriffe immer häufiger unüberlegt und ohne echtes Verständnis für deren Bedeutung genutzt werden. Oft fehlt es einfach an Wissen und Reflexion über Autismus, psychische Störungen oder Behinderungen im Allgemeinen.
Natürlich gibt es auch positive Inhalte: Memes, die von Autisten für Autisten erstellt werden, finde ich oft witzig.
Mich würde interessieren, warum solche Begriffe zunehmend in einem abwertenden Kontext verwendet werden. Natürlich ist das nicht neu, aber ich habe den Eindruck, dass es aktuell stark zunimmt. Woran könnte das liegen?
Ich freue mich über jede Antwort!
3 Antworten
Ja, weil das nun im Trend ist. (Nein, nicht Autismus ist im Trend, sondern, es als Beleidigung zu benutzen.)
Ist wie mit "behindert", obwohl das ja (genau so wie Autismus/autistisch) erstmal etwas Neutrales ist.
Oder im Englischen der R-Slur. Oder "acoustic" (für "autistic", aber halt ... Ne? You know)
Leute - insbesondere Jugendliche im Internet - benutzen lieber solche Wörter, damit sie "edgy" und sich halbstark fühlen können. Empathie ist dort fehl am Platz. Kannste lange suchen. Und viele juckt's halt null. Nein, nein, lieber suchen sie auch noch nach Ausreden, nach kruden Begründungen, Rechtfertigungen. Alles, nur um nicht einsehen zu müssen, dass man sich selber mal hinterfragen sollte und was einen dazu gebracht hat, so zu denken, sowas zu sagen/schreiben.
Anstatt, dass sie einfach ihre Klappe aufreißen und halt sagen, dass sie etwas "schlecht", "dämlich", "lächerlich", "ärgerlich", "widerlich" usw. finden.
Ich will das auf die Pubertät schieben, aber wir - die Gesellschaft und allem voran die Eltern - müssen ihren Kindern trotzdem früh genug beibringen, dass sowas nicht in Ordnung ist. Ich hab keine Lust, das auf die Pubertät zu schieben, weil wenn die das nicht jetzt, nicht schon von Anfang an lernen - Wann dann? Denken Eltern, Leute im Allgemeinen, wenn die Pubertät rum ist, wird man einfach von jetzt auf gleich reif?
Meine Güte - ICH habe damals, in meiner Jugend, "behindert" als Negativwort benutzt, obwohl ich selber behindert (Autistin) bin. Ich hab wahrscheinlich nur damit aufgehört und gelernt, dass und warum das schlecht ist, weil ich selber behindert bin und mich seit mehreren Jahren mit meiner Behinderung auseinandersetze.
Leute, die keinen Grund dazu haben, weil sie selber nicht behindert und neurotypisch sind, haben halt keine Beziehung zu sowas. Ich frage mich, ob die das trotzdem irgendwann lernen, oder ob Henry mit 40 noch immer denken wird, jemand als "Du Autist" zu beleidigen, sei soooo funny and original.
Ich hab keine konkrete Antwort auf deine Frage im Titel. Ich denke, es ist am meisten eine Verbindung aus:
- Anonymität (im Internet)
- (eingebildeter) Gruppenzwang
- Pubertät
- Ableismus (auch, weil es viele halt nicht juckt und sie es auf andere Dinge schieben und denken, das würde sich bessern, anstatt mal ernsthaft zu hinterfragen, wie sie ihre Kinder erzogen haben, dass sie solch ableistische Beleidigungen raushauen)
Generell habe ich das Gefühl, dass neurodiverse Störungen und Behinderungen – darunter auch das Down-Syndrom – in der Gesellschaft häufig in einen Topf geworfen und abwertend als Überbegriff für Unwissenheit oder Unfähigkeit verwendet werden.
Exakt so ist es.
r/okbrudimongo
Noch nie von gehört, aber der Name des Subreddits alleine verrät mir alles. Hier treibt sich nur die Intelligenzelite rum! ... *hust*
Es ist enttäuschend, dass selbst Personen, die sich öffentlich für Gleichberechtigung oder Transrechte einsetzen, sich an solchen Inhalten beteiligen und offenbar keinerlei Sensibilität für diese Thematik zeigen.
Hm, ja, zu 100%. Unter anderem deshalb sage ich oft, dass es mir so vorkommt, als würde das Thema Ableismus und alles, was dazugehört, in der Gesellschaft etc. einfach nicht so sehr ernstgenommen werden, wie Themen wie Rassismus, Transphobie, Homophobie, Misogynie usw. Nein, es kommt mir nicht nur so vor: Es IST so.
Und ich glaube, ich weiß, woran das - zumindest teilweise - liegt:
Behinderungen/Störungen können nicht ignoriert werden.
Okay, das klingt etwas seltsam, also lass mich das genauer erklären.
Ich würde behaupten, dass meine oben genannten Probleme (Rassismus, Transphobie etc.) mit weltweiter Akzeptanz (und Aufklärung) aus der Welt geschaffen wären. Nehmen wir einfach Rassismus. Wenn ein Schwarzer in deiner Klasse ist und jeder ihn wie ein ganz normaler Mensch behandelt, dann ist alles tuttifrutti, nicht?
Und ich sage nicht, dass weltweite Akzeptanz alleine einfach wäre. Nein, leider kein bisschen. Man sieht ja überall, wie weit wir davon noch entfernt sind. Wir sind näher am Neptun, als daran.
Aber Behinderungen brauchen mehr als nur "wir lassen dich mitmachen und behandeln dich ganz normal und dann hat das zu passen und wir werden dieses Umfeld nicht auch nur ein bisschen auf deine autistischen o.Ä. Bedürfnisse zurechtschneiden".
Accommodations (Was ist der deutsche Begriff davon? Im Zusammenhang mit Disabilities/Behinderungen) für Behinderte werden nicht ernstgenommen.
Weil es ARBEIT bedeutet.
Weil wir Behinderte zwar absolut sehr viel von Akzeptanz und Aufklärung profitieren, aber das ist eben nicht alles, was wir brauchen.
Und da wir gerade beim "brauchen" sind:
Simplestes Beispiel: Ein Rollstuhlfahrer mag sich freuen, wenn er in einer Firma arbeiten darf, aber wenn die Firma nicht barrierefrei ist, bringt das dem ja auch nichts.
Und bei unsichtbaren Behinderungen/Störungen, Neurodiversitäten im Allgemeinen halt, ist das am allerschwierigsten. Da muss mehr getan werden, als "nur" ein paar Rampen und Aufzüge und all das zu bauen. Und Braille zu installieren und Hörgeräte zu bauen und, und, und.
Ich kann es nicht oft genug sagen und egal, wie oft ich versuche, es zu erklären: Ich kann es nie vollständig erklären. Aber nun gut.
In meinem Umfeld – insbesondere unter Jugendlichen – beobachte ich, dass solche Begriffe immer häufiger unüberlegt und ohne echtes Verständnis für deren Bedeutung genutzt werden.
Das kann ich verstehen. Ich bin zwar nicht mehr jugendlich, aber wenn wir mal unterwegs sind - was nicht regelmäßig passiert, doch manchmal verlasse selbst ich mein Nest -, passiert es nicht selten, dass ich solche Wörter ("behindert" als Beleidigung, als Füllwort für "etwas ist blöd" oder "sieht unschön aus") überhöre. Und jedes Mal, wenn ich es tue, ist da dieses ... sinking feeling. Diese Mischung aus Wut, Angst und am allermeiten: Frust.
Und ich will sie aufklären.
Aber dann kommt meine Sozialphobie und macht mir einen Strich durch die Rechnung. (Plus zu wenig Zeit, blablabla)
Und mal ganz davon abgesehen: Es sollte echt nicht die Aufgabe von uns Autisten etc. sein, solchen Jugendlichen - oder Menschen generell! - zu erklären, weshalb ihr Ableismus falsch und ermüdend ist.
Oh no, Ableismus ist schlecht, genau so wie Rassismus etc. What a twist!
Die 3% Einfühlungsvermögen, sowie 1% logisches Denken, die man dafür braucht, sind oft leider zu viel verlangt.
Aber wie heißt es doch so schön? "Wir würden niemals einen Autisten mobben!" ... Nur jemanden, der sich autistisch verhält ;----))) (Ich krieg' zu viel)
aber ich habe den Eindruck, dass es aktuell stark zunimmt. Woran könnte das liegen?
Also das mit dem Zunehmen, würde ich vielleicht mit zwei Dingen erklären.
1. Dem Internet
Und 2. Über Autismus wird seit den letzten 20 und insbesondere seit den letzten 10 Jahren viiieeel mehr geschrieben/geredet (viel Korrektes, viel Inkorrektes) als davor. Mehr Leute "wissen" davon, oder denken, sie wüssten davon. Mehr Leute "haben da schon mal von gehört". Und Popularität zieht stets dieses Ungeziefer an ...
Das Internet - Fluch und Segen zugleich.

Weil viele Menschen dass leider in ihrer Umgangssprache so benutzen und nicht drüber nach denken ,was sie da eigentlich von sich geben ,das ist ja z.b bei Adhs auch so es wird sich immer drüber lustig gemacht ,aber keiner von denen weiss wie es wirklich ist. Ich glaube diese Menschen wissen einfach nicht damit umzugehen oder sind nicht gut genug informiert und treffen dann halt als daraus entstehende Folge solche Aussagen.
Alles Gute dir💕
Hallo,
ich denke, dass das daran liegt, dass Autismus und andere Entwicklungsstörungen mittlerweile von selbst ernannten Betroffenen ad absurdum geführt werden. Die Leute bekommen so ein falsches Bild von der Störung und machen sich ebenfalls lustig. Es scheint ein Trend zu sein sich als autistisch auszugeben für Klicks und dabei völlig absurde Behauptungen aufzustellen, die dann dazu führen, dass andere Menschen sich darüber lustig machen.
LG