Warum sollen Gedichte (nicht) interpretiert werden?
Hallo,
was ist euer persönliches Statement dazu ( oben genannt)
danke
5 Antworten
Meine persönliche Meinung dazu ist, dass die Frage ungenau gestellt ist. Das in Klammern gesetzte »nicht« soll wohl zum Ausdruck bringen, dass man Argumente für und gegen die Interpretation von Gedichten nennen soll?
Gedichte sollen natürlich überhaupt nicht interpretiert werden. Die Betonung liegt auf »sollen«. Wer sich Gedanken über ein Gedicht machen möchte, kann das selbstverständlich tun. Natürlich besteht immer die “Gefahr“, das man an der Absicht des Autors vorbei interpretiert. Aber das ist eines der Merkmale von Interpretationen. Sie spiegeln die persönlichen Gedanken des Interpretierenden wieder.
Ein Paradebeispiel für Fehlinterpretationen sind die Texte von Till Lindemann, dem Sänger von Rammstein.
Noch mal zum Sollen: Was nach meiner Auffassung verboten gehört, ist die gängige Schulpraxis, Minderjährigen gegen ihren Willen zu zwingen, Gedichten zu interpretieren. Der Gipfel dieser Praxis ist, wenn bereits vorher feststeht, wie ein Gedicht korrekt zu interpretieren ist und falsches Interpretieren zur Bestrafung (schlechte Note) führt.
Das Meiste von dem, was ich geschrieben habe, ist keine Antwort auf Deine Frage. Aber wie gesagt: Das Problem ist die Fragestellung.
Gruß Matti
Möchtest du dann gleich das Interpretieren von Literatur verbieten? Oder auch von Geschichtsquellen?
Die Gegenfrage deutet auf eine Fehlinterpretation meiner Aussage hin. Ich will nicht das Interpretieren verbieten, sondern den Zwang interpretieren zu müssen.
Und was schlägst du vor? Auf das Interpretieren von Gedichten, Kurzgeschichten, Romanen, Quellen zu verzichten?
Wenn jemand aus freien Stücken in die Schule geht, um dort am Deutschunterricht teilzunehmen, kann er sich selbstverständlich dazu entschließen, welche Literatur auch immer zu interpretieren. Und wenn er den Lehrer anschließend darum bittet, unter Verwendung der Zahlen 1 bis 6 ein Urteil zu fällen, dann bitteschön.
Bleibt die Frage, wer würde das tun? Ich bin fest davon überzeugt, die oben gestellte Frage ist eine weitergeleitete aus dem Unterricht und keine, die auf dem Mist von Stella65 gewachsen ist.
Du beantwortest meine Frage nicht wirklich, und der zweite Absatz ist off-topic.
"Aus freien Stücken in die Schule"? Es gibt, wie du weißt, in diesem Land eine Schulpflicht.
Damit erledigt sich dann wohl ein weiteres Gespräch - da ist keinerlei gemeinsame Basis vorhanden.
Dann empfehle ich ein nicht mal 18 minütiges Streitgespräch über das Für und Wider der Schulpflicht, die ich bekanntlich "Schulanwesenheitszwang" nenne.
Danke, ich bin mit dem Thema vertraut.
Wie du das bekanntlich nennst, ist mir völlig schnuppe.
Meine Meinung dazu ist, dass es gar nicht so schlecht ist, ein Gedicht zu interpretieren.
Du lernst dabei das verstehende Lesen und machst dir Gedanken über das Geschriebene. Das hilft dir auch bei späterer Lektüre weiter, weil du die Dinge hinterfragen lernst.
Also mach es einfach und betrachte es als sinnvolle Übung.
Warum man Gedichte interpretieren muss:
Gedichte muss man interpretieren, weil sich ihre Aussagen nicht auf den ersten Blick erschließen. Sie bedürfen der Deutung und Erläuterung.
Das ist aus verschiedenen Gründen so. Erstens weil vor allem alte Gedichte Bilder verwenden, die uns nicht mehr so vertraut sind, und in einem Kontext entstanden sind, der einer Erläuterung bedarf. Und zweitens, weil viele Gedichte (besonders neuere) mit dunklen Bildern arbeiten, mit Mehrdeutigkeiten. Auch diese bedürfen einer Interpretation.
Warum Schüler Gedichte interpretieren sollten:
- Die Beschäftigung mit Gedichten schult das genaue Lesen. Das ist eine wichtige Kulturtechnik.
- Man lernt, dass Sprache doppeldeutig sein kann. Und man entwickelt dabei ein Gespür dafür, dass Wörter Konnotationen haben, also unterschwellige Zusatzbedeutungen, die wir gar nicht bewusst wahrnehmen.
- Man entwickelt eine Gespür für Rhythmus und Takt. Für die Musikalität der Sprache.
- Wer regelmäßig Gedichte liest, verbessert sein Sprachvermögen. Die eigene Sprache wird besser, exakter und eleganter.
- Es gibt Gedichte, die tiefe Wahrheiten in wunderschön prägnanten Bildern zeigen. Das kann im Idealfall ein literarisches Notgepäck sein, auf das man sein Leben lang zurückgreifen kann.
- Gedichte sind Teil unserer Geistes- und Kulturgeschichte. In der Begegnung mit ihnen begegnen wir der Kultur, in die wir hineingeboren sind.
Schulen haben Lehrpläne, die von den Lehrern abzuarbeiten sind.
An deutschen Schulen lernt man nicht denken, sondern bereits gedachtes.
Mach einfach die Hausaufgabe, wobei Gedichte lernen wie das Lied von der Glocke auch lernen als lernen ist.
Es ist wie eine Gedächtnisübung und später kannst du damit auf Partys wenn alle angetrunken sind brillieren.
Der erste Satz ist eine Verallgemeinerung, die nicht zutrifft.
Ich zum Beispiel habe da ganz andere Erfahrungen. Meine alte Klasse sieht das ähnlich.
Die banale Antwort: Gedichte müssen (an Schulen) interpretiert werden, weil das im Lehrplan steht. Im Lehrplan steht all das, von dem eine Gesellschaft glaubt, dass es an die nächste Generation weitergegeben werden sollte.
Als Mensch bist du in eine Gesellschaft hineingeboren, die zur Überzeugung gelangt ist, dass Gedichtinterpretationen wichtig und hilfreich sind: zur Entwicklung und Bildung des Individuums; und zum Fortbestand unserer Kultur.
Warum ist die Gesellschaft zu dieser Überzeugung gelangt? Was verspricht man sich davon? Das ist eine zweite Frage. Dazu demnächst eine zweite Antwort.
Möchtest du dann gleich das Interpretieren von Literatur verbieten? Oder auch von Geschichtsquellen?
Welche gesetzliche Grundlage sollte das haben?
Dein "Gipfel" ist ein imaginierter Gipfel. Vielleicht Resultat eines Schultraumas?
Deinen ersten beiden Absätzen stimme ich aus voller Überzeugung zu.