Warum sind Leute im Dorf gegenüber Fremden so unsicher?

10 Antworten

Das wundert mich ehrlich gesagt nicht, denn das Beschriebene ist genau das, was ich selbst in der Vorstadt (da wohnte ich) und in den Dörfern (die habe ich als Außendienstler bereist) erlebt habe - teilweise aber mit erschreckender Ambivalenz. Nur ein Beispiel: Ich habe mir damals, weil ich Spaß an Autos hatte, einen gebrauchten BMW 728i gekauft und es hieß zwar, dass man "so was" nicht fahren solle und ich "geduckt und demütig" zu sein habe, andererseits war den Leuten aber ein Freund von mir, der "nur" einen Fiat Croma fuhr, aufgrund der Wahl seines Autos nicht seriös genug und man machte sich über ihn lustig. Bei der Kleidung war es genauso; wer nicht aussah, als käme er grad vom Heckeschneiden, galt als eitler Fatzke oder reicher Mann und bekam das schon zu spüren - wenn man aber andererseits mit Jeans und Shirt angekommen wäre, hieß es sofort, warum zum Teufel zieht der keine besseren Klamotten an, eine gescheite Stoffhose hätt's ja schon sein können. Wie man's macht, macht man's falsch. Neid ohne Ende, Frust ohne Ende und dummes Gezanke an allen Ecken und Enden kommt dazu - zwischen Kirchenchor und Fußballclub rollen die Köpfe. Ich kenn's!

Ich war in meiner Heimat lange nicht so zufrieden und entspannt wie jetzt, weil immer was anderes war. Wie soll man auch entspannt sein, wenn man oft suggeriert bekommt, wie wenig man den anderen wert ist und dass man nicht gut genug ist, weil man weder beim Patron in der Halle knechtet noch in der Landwirtschaft arbeitet? Da muss man ja über die Jahre beinahe in einen "Aggro-Modus" kommen, so wie es mir ging. Eine meiner letzten Begegnungen dieser Art war, dass ich mich wo entschuldigt habe für eine Sache, die nicht der Rede wert gewesen wäre, für die ich mich nie hätte entschuldigen müssen, die mir aber peinlich war - und von der Person habe ich dann mehr oder weniger signalisiert bekommen, "so ein Koofmich" zu sein, der für Landwirtschaft und Halle zu blöd gewesen sein muss, aber dann so einen überbezahlten Zeitungsjob kriegt. Das ist ernüchternd, aber so werden die Leute erst recht in einem dermaßen dumpfen Milieu wie meiner Heimat.

Mit Misstrauen hat das weniger zu tun, eher mit grenzenloser Neugierde - neugierig sind die da alle, erst recht die, wo sagen "ich bin aber net neugierig, net" und so treuherzig in die Röhre schauen ... man interessiert sich für alles; es zählen Credos wie "wenn's einem anderen schlechter geht, geht's mir besser" und man setzt alles dran, andere zu demütigen, sobald es irgendwie geht.

Obwohl ich es immer ehrlich meinte, bis ich restlos bedient war, hieß es, ich sei so ein Akademikertrottel (das Wort fiel und das habe ich damals auch persönlich genommen, weil ich es beleidigend und entwürdigend fand ... ich dachte mir damals ----> ouh, okay, schön, dass ich jetzt weiß, was ihr von mir denkt, aber das merk' ich mir dann halt auch), der für die Halle und die Bauerei zu blöd sei.

Diesem Milieu kann man kaum Herr werden, selbst wenn man es gut meint, ehrlich mit den Leuten umgeht, sich nicht verstellt und "von da ist". Letztlich ist das ein eigener Kulturkreis, in dem reaktionäre Werte mit jeder Generation weiter vererbt werden, oftmals katholisch gefrömmelt wird auf eine fast rosenkranzartige Weise und alle Freundlichkeit nur Fassade ist. Nur noch ein Beispiel: Ich kannte in meiner Heimat durchaus eine ganze Reihe von Frauen, die von sich (wahrheitsgemäß) sagen, ihr Mann schlage sie "eigentlich nicht" oder "nur selten" - und das auch nur wenn sie es "verdient" hätten, der Herrgott wird's schon richten und ein bisschen Sühne muss halt sein. Natürlich kriegen die Kiddies so was auch mit und behelfen sich dann genauso, wenn es um alles oder nichts geht: Ich nehme an, dass das heute noch so ist und traue es meinen ehemaligen männlichen Mitschülern zu, dass sie es heute mit ihren Frauen genauso machen wie die Väter vor 20-30 Jahren bei den Müttern.

XXX

Ich denke bis heute drüber nach, ein Buch über "Erlebtes und Erlittenes" zu schreiben nach dem Motto "Stolz, KEIN Dorfkind zu sein" - nachdem es scheinbar in Mode ist drauf rumzureiten, wenn man "Dorfkind" ist. Ich halte es für möglich, wenn ich mal gaaaaanz viel Zeit habe, denn es ist eigentlich schon heftig und sollte mal publiziert werden: Gerade auf dem Land lernt man, wie die Demontage eines Menschen funktioniert.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Hey

Ich wohne selber in einem Dorf und merke es auch als XD

Es ist hallt so das sich die meisten Leute in einem Dorf kennen und Kontakt zueinander haben. Wenn dann plötzlich eine "Fremde" auftaucht und sich umsieht (was ja eher selten ist, da ein Dorf ja eher weniger eine Sehenswürdigkeit ist meistens) überlegt man hallt wer das sein könnte, ob man die kennt usw. Mach dir da nicht so viele Sorgen, das sind hallt neugierige Dorfleute XD

Liebe Grüsse

Skar V.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Heutzutage gibt es sehr viele Menschen die sehr misstrauisch sind - vielleicht auch sehr konservativ(was auf einer Seite teilweise nicht schlecht ist).

Viele die in Dörfern wohnen sind teils wesentlich misstrauischer als jene die in der Stadt wohnen - gerade im Bezug wenn jemand im Dorf erscheint den man nicht wirklich kennt und auch nicht in der Nachbarschaft bzw in diesem Ort wohnt sind viele nochmals misstrauischer.

Gerade ältere Leute die die Nachbarschaft /gefühlt das ganze Dorf kennen sind sehr misstrauisch.

Auf dem Dorf kommen sich die Leute halt nicht so toll vor, jemand in irgendwelchen Sceneklamotten, fällt da auf wie ein rosa Hund, da ist man halt neugierig.

Sie sind nicht unsicher - ganz im Gegenteil - sie haben noch Instinkte.