Warum sind die Exponenten in Zeitgesetz und die stöchimetrischen Faktoren einer Reaktionsgleichung nicht immer ident?

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Die Koeffizienten der Gleichung folgen zwangsläufig aus der Zusammensetzung der Produkte und Edukte. Deshalb ist es ja auch möglich, daß Du die Koeffizienten selb­ständig ermitteln kannst, wenn Du nur weißt, was zu was reagiert.

Beim Geschwindigkeitsgesetz ist das nicht so. Du kannst die Form des Geschwin­dig­keits­gesetzen nicht mechanisch aus der Reaktionsgleichung ableiten — je nach Reak­tions­bedingungen kann es sogar ziemlich verschieden aussehen. Denn es hängt vom Reaktions­mechanismus ab, und der kann je nach Temperatur, Lösungs­mittel, Konzen­tra­ti­onen, kata­ly­ti­schem Dreck, Mondphase und Beziehungsstatus des Laboranten voll­kommen ver­schie­den sein.

Ein Reaktionsmechanismus wird ja durch die Einzelschritte der Reaktion angegeben. Diese Einzelschritte können linear zum Resultat führen, sie können aber komplizierte Rückkoppelungen enthalten (z.B. Produkte liefern, die in einen früheren Schritt einge­speist werden, oder die andere Reaktionsschritte katalysieren). Einer dieser Schritte hat notwendigerweise die höchste Aktivierungsenergie, und dieser Schritt allein be­stimmt das Geschwindigkeitsgesetz; im einfachsten Fall tauchen die Koeffizienten der Edukte dieses Schrit­tes als Exponenten im Geschwindigkeitsgesetz auf.

Oft gibt es aber viele Reaktionsmechanismen, die zum selben Resultat führen; dann wählt die Reaktion den Weg, für den die höchste Aktivierungsenergie am Weg niedri­ger ist als bei den konkurrierenden Mechanismen. Wenn eine Reaktion z.B. mehr schlecht als recht abläuft, dann hilft vielleicht ein Katalysator, weil er einen alternati­ven Reaktionsweg mit geringerer Aktivierungsenergie anbietet; möglicherweise ist dann die Stöchiometrie des neuen geschwindigkeitsbestimmenden Schrittes eine andere, und die Reaktion muß dann natürlich einem ganz anderen Geschwindig­keits­gesetz folgen. Ähnlich ist es z.B. auch beim Wechsel des Lösungsmittels; polare Lö­sungsmittel begünstigen ionische Mechanismen, apolare dagegen radikalische oder konzertierte.

Wegen all dieser Unwägbarkeiten beim Reaktionsmechanismus kann man also die Form des Geschwindigkeitsgesetzes grundsätzlich nicht aus der Reaktionsgleichung vorhersagen. Beim Massenwirkungsgesetz ist das übrigens anders, weil das che­mi­sche Gleichgewicht nur von Anfangs- und Endzustand, aber nicht vom Weg dazwi­schen abhängt; Anfangs- und Endzustand sind aber in der Reaktionsgleichung reprä­sen­tiert, und daher kann die Form des Mas­sen­wir­kungs­gesetzes wirklich aus der Re­ak­ti­ons­gleichung abgeleitet werden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
Benutzer081102 
Fragesteller
 11.04.2024, 17:55

Dankeschön, jetzt versteh ichs!

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