Warum nennen Studierende Sachen anders?
Hallo,
Mir ist oft aufgefallen, dass Studierende Sachen anders nennen, als Leute, die nicht studieren. Zum Beispiel eine Klasse wird Matrikel oder Kohorte genannt. Und Mitstudierende sind Kommilitonen. Und warum müssen Besprechungen immer gleich ein Plenum sein? Ist das wichtig, oder einfach nur intellektuelle Selbstbeweihräucherung?
7 Antworten
Das ist genausowenig "intellektuelle Selbstbeweihräucherung" wie wenn ein Seemann von Steuerbord und Backbord redet wo die Landratte rechts und links sagt oder wie wenn ein Jäger unter Schweiß was komplett anderes versteht als der Bodybuilder. Wenn der Historiker ein Falchion von einem Rapier unterscheiden kann wo der Laie nur zwei Schwerter sieht und wo sich der Soldat verschiebt, während der Zivilist von A nach B geht.
Jede Zunft, jede Berufsgruppe, jede Vereinigung... jede Menschengruppe, die in einer gewissen Tradition steht, hat hat mit dieser Tradition auch gewisse althergebrachte Begrifflichkeiten, einen gewissen Jargon übernommen.
Jede Wette, wenn dein Berufsstand vor 200 Jahren schon existiert hat, hast auch du Begriffe bei denen dein Kollege genau weiß wovon du sprichst... und jemand Fachfremdes versteht nichts.
Und so ist das auch mit den Universitäten. Das Universitätswesen hat eine jahrhundertealte Tradition. Es hat Epochen mit ganz unterschiedlichen Sprachen durchgemacht: Mal war latein die Sprache der Wissenschaft, mal waren es griechisch oder arabisch, zwischendrin sprachen mal alle Wissenschaftler französisch, mal sprachen alle Wissenschaftler deutsch, seit einigen Jahrtzehnten ist englich als die Sprache der Wissenschaft etabliert... Aus all diesen Zeiten haben sich einfach Begrifflichkeiten bis heute gehalten.
Zum Beispiel eine Klasse wird Matrikel oder Kohorte genannt.
Das ist schlichtweg falsch.
Es gibt keine Klassen im Studium, sondern es studiert jeder für sich und von Lehrveranstaltung zu Lehrveranstaltung kann man mit komplett anderen Leuten zusammensitzen. Also braucht man auch keine Begrifflichkeit für sowas.
Ein Matrikel ist eher der Jahrgang, in dem man angefangen hat zu studieren. Also wohlgemerkt: Vom Medizinstudent über den Soziologen und den Juristen bis hin zum Maschinenbaustudent sind alle Studenten, die jetzt zum WiSe 2024 begonnen haben, ein Matrikel. Aber nein, die studieren nicht zusammen.
Eine Kohorte ist einfach allgemein eine Menschengruppe, die einen Teil der Gesamtheit ausmacht.
Und Mitstudierende sind Kommilitonen.
Naja, letztendlich ist ein Kommilitone einfach ein anderer Student, dem man im Rahmen des Studiums immer mal wieder begegnet. Das muss nicht heißen, dass man miteinander studiert. Erst recht nicht, dass man immer dasselbe macht - siehe oben, jeder studiert für sich und hat dabei ständig mit anderen zu tun.
Würdest du jemanden als Mitschüler bezeichnen, der zwar auch an deiner Schule ist, aber in einer anderen Klassenstufe und du begegnest ihm nur einmal pro Woche in einer AG?
Wobei der Begriff "Mitstudent" unter Studenten tatsächlich Verwendung findet und sich mit der Zeit vermutlich auch durchsetzen wird.
Und warum müssen Besprechungen immer gleich ein Plenum sein?
Weil nicht jede Besprechung mit großem Publikum stattfindet.
Bei einem Plenum sind alle anwesend. Das gesamte Publikum. Das ist nicht der Fall, wenn sich ein Professor mit drei Dozenten zusammensetzt um zu besprechen, wie man diese und jene Vorlesung umgestalten könnte. Diese vier Leute sitzen dann aber zweifelsfrei in einer Besprechung.
vorweg, mega ausführliche Antwort, Respekt. Also, das mit Matrikel und Kohorte kenne ich wirklich von zwei unterschiedlichen Hochschulen. Matrikel/Kohorte ist eben der Stuiengang, z.b. Soziale Arbeit, Bachelor, 2022 und die Bezeichnung ist dann bSA22, oder so. Das mag unüblich sein, aber das gibt‘s. "Schlichtweg falsch“ stimmt also auch nicht ganz. Und Plenum kenn ich auch aus politisch linken Kreisen, ob die jetzt studieren oder nicht, und da sind auch nicht immer alle anwesend. Dennoch mega cool von dir, so eine ausführliche Antwort zu verfassen. Danke!
Wenn man das erste Mal an die Uni kommt, hört man eben, dass alle so reden und gewöhnt sich das auch an. Kommilitonen ist zwar das einzige Wort, dass ich davon verwende, aber es gibt keinen bestimmten Grund dafür. Das gewöhnt man sich automatisch an. Das man nicht Klasse sagt, ist ja klar. Es gibt dort eben keine Schulklassen. Man sitzt da mit 200 Leuten in der Vorlesung und in jeder Vorlesung sind andere Leute. Da wäre das Wort Klasse einfach total unpassend.
Genau. In der Berufsschule heißen die Sachen ja auch nicht plötzlich anders.
So komische Worte wie Kommilitonen lese ich eigentlich fast nur von deutschen hier. Sowas sagt auch nur ein Professor an meiner Uni und der kommt aus Deutschland.
In der Berufsschule hat man noch Klassen und ggf Kurse und die Berufsschule ist ja auch tatsächlich eine Schule. Eine Uni ist jedoch in erster Linie ein Forschungsinstitut - der Lehrauftrag, den die Profs dort haben ist nicht deren Haupttätigkeit (Kommilitonen haben wir in der Schweiz übrigens nie gesagt, das waren Studienkollegen)
Vielleicht gibt es da auch einen Unterschied zwischen Universitäten und Hochschulen? Die meisten Leute, die ich kenne, die studiert haben, waren auf (Fach-)Hochschulen
So komische Worte wie Kommilitonen lese ich eigentlich fast nur von deutschen hier.
Das weißt du, weil du dir von jedem User hier die Abstammungsurkunde vorlegen lässt?
Oder vermutest du einfach nur, dass es bei Migrantenkindern für ein Studium nicht reicht und sie deswegen mit diesen Ausdrücken nicht in Berührung kommen?
Was soll das jetzt mit Migranten zu tun haben? Ich meinte damit dass ich so was nur von Menschen lese, die aus Deutschland kommen oder dort studieren. Ich habe natürlich keinen Pass oder so von den Menschen gesehen aber anhand der Profile sieht man oft in welchem Land studiert wird. Das hat jetzt nichts mit Migranten zu tun, sondern mit dem Unterschied von Deutschland und Österreich.
Nirgends, genauso wie nirgends das Wort Migranten steht. Also was soll dein komischer Kommentar mit den Migranten?
Also wie gesagt gewöhnt man sich das so an. Ich sage zum Beispiel beides. Wenn ich dann aber öfter von anderen wieder das Wort Kommilitonen höre, sage ich das auch öfter. Ich glaube auf jeden Fall nicht, dass Leute das sagen, weil sie sich für was Besseres halten oder so. Ich selbst finde ja auch, dass das Wort sich komisch anhört, aber man passt sich halt manchmal automatisch an den Wortlaut von anderen an.
Ein Plenum ist eine ganz bestimmte Form der Besprechung und Klassen gibt es an der Uni eh keine.
Man nimmt automatisch die Ausdrücke an, die dort verwendet werden - ist ja in einem Architektur- oder Marketingbüro auch nicht anders und wenn ein Jäger von seiner letzten Jagd erzählt, versteht man als aussenstehende Person auch nicht unbedingt, um was es genau geht.
Das nennt sich Soziolekt - dazu gehören Fachsprachen, Berufsjargons und zb auch die Jugendsprachen.
Mir ist oft aufgefallen, dass Studierende Sachen anders nennen, als Leute, die nicht studieren. Zum Beispiel eine Klasse
Es gibt keine Klassen im Studium. Hatte Kommilitonen die weil sie von woanders her gewechselt sind in versch. Semestern Klausuren machen mussten etc.
Wenn du z. B. zuviele Klausren verkackt hast, musst du im Studium ja nur das nachholen, was du noch nicht geschafft hast. Also ganz anderes als ander Schule, wo man als Sitzenbleiber auch in allen Fächern alle Klassenarbeiten nochmal schreiben muss.
Im Studium gibt's nicht ansatzweise was wie einen Klassenlehrer.
Sprich es sind beides sehr versch. Dinge und deswegen kann man auch andere Wörter verwenden.
notting
oder einfach nur intellektuelle Selbstbeweihräucherung?
Solange Du es auf diese Schiene schiebst, hat es für Dich eine "besondere" Bedeutung.
Ansonsten eher weniger.
Warum sagt man nicht einfach Mitstudenten oder so?