Warum kann Kommunismus in der Praxis nicht funktionieren?
In der Theorie klingt ja Sozialismus oder Kommunismus nicht so schlecht, dass alle gleich sind und nicht eine einzige Person an der Macht ist. Doch warum ist dieses System in der Praxis immer wieder gescheitert und kann nie erfolgreich sein?
13 Antworten
Weil es nie wirklich so umgesetzt wurde, wie es ursprünglich angedacht war.
Der Kerngedanke war ungefähr folgender:
- Arbeiter übernehmen die Macht (per Revolution oder über den Weg der Demokratie) und nutzen diese, um das Privateigentum an Produktionsmitteln abzuschaffen, soziale Reformen umzusetzen usw.
- Insbesondere Marx betonte, dass hierfür auch Gewalt gegen die frühere herrschende Klasse notwendig wäre, da diese ihre Machtprivilegien nicht widerstandslos aufgeben würde. Hierfür hat sich der Begriff "Diktatur des Proletariats" eingebürgert. Gemeint ist keine Parteien- oder Personendiktatur, sondern eine Ablösung in der gesellschaftlichen Hierarchie. In dieser Phase sind aber durchaus auch autoritäre Maßnahmen vorgesehen, um den Weg zum Kommunismus zu ebnen - etwa massive Enteignungen und eine gesamtgesellschaftliche "Arbeitspflicht" auf dem Land und in den Fabriken, wozu auch Zwangsumsiedlungen erwogen wurden.
- Endzustand: die gesamte Gesellschaft arbeitet in Form einer Assoziation zusammen, die Abläufe werden demokratisch organisiert und am Gemeinwohl ausgerichtet. Lohnarbeit im kapitalistischen Sinne existiert nicht mehr, Geld ist überflüssig und es wird nur noch in Dienstleistungen und Konsumgütern gehandelt. Der Staat soll in dieser neuen Gesellschaftsordnung allmählich an Bedeutung verlieren und mit der Zeit "absterben".
Es fängt schon damit an, dass in keinem einzigen der so genannten "realsozialistischen Staaten" eine Herrschaft der Arbeiter bestanden hat. Geherrscht hat immer eine Partei bzw. eine kleine Elite, in der der Arbeiter stets die letzte Geige spielte.
Heute kann Kommunismus schon allein deswegen nicht mehr in der einst angedachten Weise funktionieren, da wir heute eine völlig andere Gesellschaft sind. Die extreme Trennung zwischen Bourgeoisie und Proletariat, die für Marx' Theorien entscheidend war, existiert in diesem Ausmaß heute nicht mehr. Die berufliche Selbständigkeit hat massiv zugenommen, die industrielle Produktion abgenommen. Arbeitnehmer haben heute viel mehr Rechte und Sicherheiten als zu Zeiten von Karl Marx und Friedrich Engels.
Der Kommunismus ist in seiner ursprünglichen Form eine Idee des 19. Jahrhunderts, die im 20. Jahrhundert extrem pervertiert und missbraucht wurde und die im 21. Jahrhundert quasi keinerlei Relevanz mehr hat.
Wieso sollte das so sein?
Überall, wo der Kommunismus Regierungsprogramm wurde, bewirkte das eine rapide Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen und der Versorgungslage, verbesserten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung und einen Rückgang der Analphabetenrate und eine Besserstellung der Frauen.
Russland entwickelte sich unter einem sozialistischen Programm innerhalb von wenigen Jahrzehnten von einem unterentwickelten und halbfeudalen Agrarstaat zu einer Weltmacht, die die Kriegsmaschine der Nazis im Alleingang zerschlagen konnte und den ersten Menschen ins All schickte.
Gleichzeitig stimmt es auch, dass das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft nirgends erreicht wurde und eine bürokratische Führungsschicht ohne demokratische Kontrolle die gesellschaftliche Kontrolle in den Händen hielt, während die arbeitende Bevölkerung passiv vor sich hinarbeitete. Und es stimmt dass sich um 1990 fast alle sozialistischen Staaten auflösten oder die Marktwirtschaft wieder einführten.
Als Erklärung kommt von den meisten anderen Antworten nur die Plattitüde, dass Menschen nicht für Kooperation und Solidarität gemacht sind, sondern nur für Gier und Egoismus, und dass man deshalb am besten gar keine Gedanken daran verschwenden sollte, ob eine bessere Welt möglich ist. Im Kapitalismus sind das zweifellos Eigenschaften, die dienlich sind und gefördert werden. Aber soll man von einem Zirkuslöwen darauf schließen, dass es die Natur des Löwen ist, durch brennende Reifen zu springen?
Der Kapitalismus existiert erst seit wenigen Jahrhunderten und erreichte die meisten Erdteile erst sehr viel später. In all den zehntausenden Jahren der Zivilisation und den Jahrmillionen der Stammesgesellschaften galten andere Regeln des Wirtschaftens, Kapitalakkumulation war unbekannt und Gemeineigentum weit verbreitet. Wenn der Kapitalismus der menschlichen Natur entspricht, warum bringt Leistungsdruck und Unsicherheit dann millionenfach psychische Erkrankungen hervor?
Die Widersprüche und Unzulänglichkeiten der sozialistischen Staaten sind nicht in der angeblichen menschlichen Natur zu suchen, sondern in den konkreten Umständen ihrer Entstehung.
Kommunistische Parteien kamen bisher nur in den armen und unterentwickelten Teilen der Welt an die Macht, z.B. im zaristischen Russland, im halbfeudalen China und in diversen ehemaligen Kolonien in Afrika und Asien. Unter diesen Bedingungen konnte kein Überfluss von Produkten, sondern ein Mangel verwaltet werden, und dazu kam die ständige Bedrohung durch übermächtige kapitalistische Imperien, die sozialistische Experimente vielerorts im Blut ertränkten (z.B. die USA in diversen Ländern Süd- und Mittelamerikas).
Unter diesen Umständen entstanden autoritäre politische Systeme mit einer elitären Bürokratenherrschaft bzw. wurden diese Systeme nach Ende des 2. Weltkriegs den osteuropäischen Ländern durch die Sowjetunion aufgepflanzt bzw. das sowjetische Vorbild kopiert. Die Bürokraten priorisierten schließlich ihre eigene Stellung über die Umsetzung des Sozialismus. Die arbeitenden Massen blieben hingegen an Regierung und Verwaltung weitgehend unbeteiligt und konnten die Planungsfehler einer abgekapselten Bürokratie nicht korrigieren.
Mit der zunehmenden Differenzierung der Wirtschaft im Zuge der dritten industriellen Revolution (Mikroelektronik) fielen die Fehler der zentralen Planung immer stärker ins Gewicht und hier liegt die Hauptursache für die wirtschaftliche Stagnation der Sowjetunion, an der sie schließlich zerbrach und auf die die Auflösung fast sämtlicher sozialistischen Staaten folgte.
Du kannst Staaten wie Russland nicht als Bsp. nehmen. So funktioniert das nicht.
Im Endeffekt scheitert es daran, dass es immer irgend einen 🍑 gibt (und meistens nicht nur einen), der keine Lust hat gleich (viel wert) zu sein und findet, dass ihm viel mehr zu steht.
Weil Kommunismus nicht das Beste von jedem fördert. Sondern alle gleich schlecht machen will. Würde der Kommunismus kommen, würde ich nur noch so viel machen, wie einem zusteht und nicht mehr.
Allgemein geht es manchen besser. Weil sie eben mehr leisten.
wenn wir zusammen leben und ich entwickle eine Maschine, welche meinen Produktivität erhöht, dann habe ich ja mehr als du. Ich erhöhe aber den Lebensstandard und dadurch wirkt deiner niedriger. Der Kommunismus unterbindet aber diese Entwicklung.
Der Mensch kann von seiner Gier nicht befreit werden. Und das ist das Problem. Der Kommunismus erschafft den Menschen nach dem Bild eines selbstlosen und gemeinnützigen Wesens. Das klingt schön, funktioniert aber nicht.
Es wird immer Menschen geben, die meinen, dass sie gleicher als andere sind. Sie werden das Gleichgewicht ins wanken bringen und sich an der Solidarität und Gemeinnützigkeit der Gesellschaft auf eigene Kosten bereichern. Sie werden Dinge für sich beanspruchen, den Besitz anderer wegnehmen und sich unter Umständen irgendwann ein Imperium aufbauen.
Der Mensch schafft es nicht, sich vom Egoismus und Konsum zu lösen.
Ebenso ist eine Revolution nach Marx zum Scheitern verurteilt, weil eine Diktatur des Proletariats immer eine Diktatur bleiben wird. Wer Macht an sich reißt, der wird sie für eine klassenlose Gesellschaft nicht wieder abgeben. Deshalb entwickeln sich Revolutionen von unten, die von wenigen getragen werden, fast immer in Gewaltherrschaften.
Wir erinnern uns an die bolschewistische Revolution oder die Jakobinerherrschaft zur Zeit der Französischen Revolution. Beide starteten mit dem Willen zur Veränderung und mehr Rechten für die Arbeiterinnen und Arbeiter. Beide waren auch vorerst erfolgreich und schafften kurzer Hand das System der Ausbeutung auszuhebeln. Doch beide Revolutionen endeten am Schluss in einer Gewaltherrschaft, in der irgendwann wahllos getötet wurde um eine Konterrevolution zu verhindern. Im Fall von Lenin endete das später in der Herrschaft durch Stalin, im Fall der Jakobiner endete es in der Hinrichtung des Anführers Robespierre.
Dass die Jakobiner nachhaltig die Demokratie geprägt haben, habe ich gar nicht in Frage gestellt. Ich bin mir der Errungenschaften bewusst. Ich habe mich aber auf das Prinzip der Gewaltherrschaft bezogen. Die Herrschaft der Jakobiner startete mit Errungenschaften und einer Radikaldemokratie. Doch bald kippte das System in eine willkürliche Gewaltherrschaft, die nicht mehr zwischen „Freund“ und „Feind“ unterschied und so viele Menschen an einem Tag hinrichtete, wie es bis dato wahrscheinlich noch nie geschehen ist.
Gerade die Ziele der Jakobiner, nämlich die Abschaffung der Monarchie und das allgemeine Wahlrecht, sind heute vollständig verwirklicht, und das nicht nur in Frankreich, sondern in einer Mehrzahl der Länder. Offensichtlich endet ein republikanisches und radikaldemokratisches Programm also nicht zwangsläufig in einer Gewaltherrschaft, warum sollte es also für den Kommunismus anders sein?