Warum ist das Übersetzungsverhältnis bei Motorrädern so?


07.09.2021, 18:36

Das kleine Kettenritzel am Motor muss sich ja bei 200km/h unendlich schnell drehen. Das wäre bei einem Größeren nicht der Fall.

7 Antworten

Warum ist das Übersetzungsverhältnis bei Motorrädern so?

Das, was man beim Motorrad meist offen sieht, ist die sogenannte "Sekundärübersetzung". Diese lässt keine Rückschlüsse auf die Auslegung eines Getriebes zu, weil im Getriebe noch eine Primärübersetzung, sowie auch ein Wechselgetriebe (also die Gangstufen) vorhanden sind. Beim Auto ist es genauso, nur halt verdeckt. Wenn man mal das Endgetriebe eines Fahrzeugs mit Standardantrieb (also Motor vorne, Kardanwelle an die Hinterachse) öffnet, wird man feststellen: Auch hier ist das treibende Zahnrad kleiner als das angetriebene.

Es müsste doch besser sein, wenn das umgekehrt ist, da man dann höhere Geschwindigkeiten mit weniger Energie aufbauen kann.

Die höchste Geschwindigkeit erreicht man nicht mit einer möglichst langen Untersetzung, sondern mit einer "idealen" Getriebeauslegung. Hierfür wird die theoretische Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs anhand Daten wie Motorleistung, Luftwiderstandsindex, Reifenrollwiderstand und Fahrzeugmasse berechnet, anschließend legt man das Getriebe so aus, dass die Nenndrehzahl des Motors (dort ist die Leistung am höchsten) in einem Gang bei dieser Geschwindigkeit erreicht wird. Bei Motorrädern ist dies meistens der größte, bei vielen Pkw aus Gründen der Effizienz hingegen oftmals der vorletzt oder gar vorvorletzte.

Das bedeutet: Vergrößert man bei einem Motorrad, dessen Getriebe in einem bestimmten Gang auf eine möglichst hohe Endgeschwindigkeit ausgelegt ist (und das ist bei den meisten Fahrzeugen, außer vielleicht ein paar Enduro - Modellen, so), das vordere Ritzel, dann sinkt die Endgeschwindigkeit in der Ebene in diesem Gang ab.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Janw24 
Fragesteller
 07.09.2021, 19:21

Klar ist, das ein Getriebe verbaut ist. Aber wenn man das Kettenritzel größer macht oder das Kettenblatt kleiner, kann man doch höhere Geschwindigkeiten erreichen, bei gleicher Motordrehzahl.

Beim Fahrrad ist das Kettenblatt vorne Groß und hinten klein, das ich langsam in die Pedale trete und hohe Geschwindigkeiten erreiche. Beim Anfahren würde es halt dementsprechend länger dauern.

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pbheu  07.09.2021, 19:31
@Janw24

höhere geschwindigkeiten erfordern aber auch höhere leistung, und die hat der motor nicht bei gleicher motordrehzahl.
irgendwann reicht die leistung bei einer bestimmten drehzahl nicht mehr, um weiter zu beschleunigen, schneller wirds dann nicht mehr. und wenn du die übersetzung länger machst, wird dieser punkt bereits früher erreicht - und du fährst langsamer...

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Der Motor benötigt immer eine bestimmte Mindestdrehzahl und hat ein bestimmtes Verhältnis zwischen Leistung/Drehzahl und Drehmoment. Das Fahrzeug muss aber von Stillstand bis Maximalgeschwindigkeit unterschiedlichen and zunehmenden Widerstand überwinden, also Drehmoment am Antriebsrad und dann bleibt der Rest des jeweils vom Motor über das Getriebe gewandelte Drehmoment zur Beschleunigung. Die Übersetzung der Kette ist nur die letzte Stufe der Gesamtübersetzung. Die maximale Motorleistung ist für eine bestimmte Drehzahl gegeben. Die maximale Leistung wird in der Ebene bei der maximal möglichen Geschwindigkeit benötigt, der ein bestimmtes Drehmoment entspricht. Darüberhinaus geht nichts mehr. Also könnte man die Gesamtübersetzung so wählen, dass das genau passt. Dann bleibt aber vor dem Erreichen der Höchstgeschwindigkeit fast kein Drehmoment zum Beschleunigen, es dauert also sehr lange die Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Macht man die Übersetzung kleiner (z.B. kleineres Kettenritzel am Getriebe oder größeres am Hinterrad), so wird das Drehmoment am Rad größer, aber natürlich die Geschwindigkeit geringer. Das höhere Drehmoment steht dann für die Beschleunigung zur Verfügung.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
biggestmaxi  09.09.2021, 12:52

Das ist übrigens beim Fahrrad und dem Menschen ziemlich genau gleich. Daher hat man da auch am besten eine Schaltung, die eben hier am Hinterrad kleine Ritzel zum Anfahren und große für maximale Geschwindigkeit hat. Das maximale Drehmoment an der Kurbel könnte man etwa als Gewicht des Fahrers mal Kurbellänge definieren

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Deine Annahme ist korrekt: Es ist energetisch sinnvoller das kleine Zahnrad von einem Großen antreiben zu lassen - und nicht umgekehrt.

Warum ist beim Motorrad also die energetisch schlechtere Variante (kleines Ritzel treibt großes Kettenrad) üblich?

Wie du sicher weißt, ist Sekundärübersetzung beim Motorrad/Fahrrad nicht Zahn-an-Zahn. Man hat eine Antriebskette dazwischen, um die Distanz zwischen den Zahnrädern zu überbrücken. Der Verschleiß dieser Kette hängt u.A. von ihrer Geschwindigkeit ab. Es gilt: Je kleiner das Kettenblatt am Hinterrad, desto höher die Geschwindigkeit der Kette - bei gleicher Fahrzeuggeschwindigkeit. Um den Verschleiß der Antriebskette zu reduzieren, will man also die Antriebskettengeschwindigkeit gering halten. Das schafft man demnach mit großen Zahnrad am Hinterrad.

Beim Fahrrad ist die Belastung der Antriebskette und die Drezahl des Hinterrads nur gering, deswegen nimmt man die höhere Geschwindigkeit der Kette zu Gunsten einer besseren Energieeffizienz in Kauf.

biggestmaxi  09.09.2021, 12:26

Das hat mit Effizienz nichts zu tun, sondern nur mit der Relation Drehmoment /Drehzahl und Motorleistung/Drehzahl

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Selbstverständlich kannst du beim motorrad ein größeres Ritzel vorne am Motor dran machen, sorgt dafür dass du vllt ein paar kmh schneller wirst, dafür aber beschleunigung einbüst. Außerdem ist ein getriebe verbaut

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – bin lang genug selbst Motorrad gefahren

Für ein Motorrad sind 6000 rpm nicht besonders viel. Stell dir die gleiche Drehzahl am Hinterrad vor. Theoretisch Schallgeschwindigkeit und praktisch würde es beim Anfahren absterben. Deshalb wird ein Getriebe verbaut, und damit dieses nicht zu groß wird (Zahnradgröße) gibt es noch eine Untersetzung zum Hinterrad.

ntech  07.09.2021, 19:09

Nachtrag: Aber Du wirst lachen: vor etwa 100 Jahren gab es die "Sarolea" mit einem 5-Zylinder-Sternmotor im Vorderrad. Ohne Getriebe, ohne Kette und Ritzel!

Vor allem auch ohne Leerlauf und Kupplung! Die muss sich grauenhaft gefahren haben

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