Warum gilt es unter deutschen Jugendlichen als extrem uncool und peinlich, wenn man im Dialekt redet?

9 Antworten

Hallo Solnniss
Ich kann dir über die Lage in Deutschland leider keine Auskunft geben, da ich aus der Schweiz komme. Ich habe mich trotzdem endschlossen, einen Kommentar dazu abzugeben. (Wie es bei uns ist...)
Bei uns in der Schweiz gibt es einen Trend, der in verschiedene Richtungen geht.
Einerseits haben wir seit den 1960er Jahren einen starken Aufschwung der regionalen Schweizer Mundarten.
In den regionalen Dialekten findet jegliche nicht schriftliche Kommunikation statt. Bei uns, der jüngeren Generation (ich bin 19) hat es sich auch so ergeben, dass sämtliche Textnachrichten (SMS, Whatsapp, E-Mail) im privaten Bereich ebenfalls auf Schweizer Mundard ausgetauscht werden.
Das heisst, bei uns ist es in diesem Punkt anders - Mundart ist (bei der Jugend noch viel mehr als bei den älteren) in der Schweiz sehr populär.
Jetzt kommt noch die Kehrseite der Medallie.
Wir haben einerseits vermehrt wie auch im Hochdeutschen einen englischen Einfluss zum einen. Zum Anderen ist es so, dass wir vielerorts einen hohen Ausländeranteil haben. Das führt dazu, dass Dialektworte verlohren gehen, da die Personen, welche Mundart nicht als Muttersprache haben gweisse Wörter nicht kennen.
Ein Beispiel:
Immer mehr wird das Wort "Pfütze" genutzt. In dem Mundard den ich selbst spreche ist das passende Wort "Guntä".
Andere Worte haben sich schweizweit durchgesetzt und sind so zum "neuen" Mundart geworden. (einzig ältere Leute nutzen die Mundartwörter dabei noch)
Ein Beispiel:
Wenn Gefahr droht sagen wir in Deutschland und inzwiscjen auch in der Schweiz "Achtung!"
Das ursprüngliche Wort wäre "Obacht!" gewesen.
Ich fasse zusammen.
Auch das Schweizerdeutsche unterliegt äusseren Einflüssen, doch ist es so populär, dass man sich keine Sorgen um dessen Fortbestehen machen muss.
Ich hoffe ich konnte dir die Lage aus Sicht der Schweiz ein wenig näher bringen.
Lg

Mrtin  30.08.2018, 18:51

Bei uns in Südbaden ist das auch so ähnlich, da rede ich mit meinen Freunden auch nur Dialekt, aber typische Wörter (wie Harfen zu Topf) sterben aus...

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Mittlerweile neigen die Jugendlichen dazu, eher "modern" zu reden. Es ist für sie vielleicht nicht selbstverständlich mit Dialekt zu reden, weil sie nicht so aufgewachsen sind.

Ich finde es jetzt nicht schlimm, wenn man seinen regionalen Dialekt redet. das zeigt doch auch die sprachliche Vielfalt in unserem Land. Wichtig ist halt, dass man des Hochdeutschen auch mächtig ist, denn im Berufsleben, oder im Kontakt mit Menschen, die des Dialektes nicht mächtig sind, sollte Hochdeutsch eine Selbstverständlichkeit sein.

Aber speziell in Großstädten geht Dialekt verloren, weil viele Menschen aus anderen Regionen, dazu kommen. Auf dem Land ist Dialekt, auch bei Jugendlichen, durchaus "cool".

LG :-)

Ich bin Anfang 40 und finde Dialekt auch "uncool" !

Ich finde es einfach unhöflich so zu sprechen und der andere versteht es nicht! 

Ich sprech zB weitergehend Kölsch, trotzdem eürde ich es außerhalb von Köln niemals sprechen! Selbst wenn ich Kölner wäre! Übergeordnet bin ich deutsche - also spreche ich das Deutsch was alle verstehen 

Solnnis 
Fragesteller
 14.03.2016, 21:43

Das ist schon klar, nur ich spreche ja konkret Deutsche Jugendliche an, bei denen es uncool ist unter sich im Dialekt zu sprechen.

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spaeschel85  14.03.2016, 22:43
@Solnnis

Die machen sich nur drüber lustig. Das ist harmloser Humor. Dass es bis heute als "uncool" gilt ist Folge des 20. Jahrhunderts und den gesellschaftlichen und sprachlichen Entwicklungen.

Es ist keine Folge politischer Einflussnahme. Nicht ansatzweise. Diese Annahme von dir ist einfach falsch.

Tatsächlich nutzt du die Entwicklung der deutschen Sprache aus, um politisch zu argumentieren. Das hat in diesem Fall aber wenig mit den geschichtlichen Fakten zu tun.

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Das ist Spökes was du erzählst!

Dass Menschen in Mittel- und Norddeutschland mit wenig Dialekt reden, hat gute Gründe und ist Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Das hat mit "Umerziehung" oder "Kulturverleugnung" rein garnichts zu tun.

Die sprachlichen Veränderungen fingen schon im Kaiserreich an, als das Land wirtschaftlich und kulturell stärker zusammenwuchs. Zwischen 1900 und 1950 hat eine Landflucht in die Städte stattgefunden. Die Menschen zogen dort hin wo es Arbeit gab. Viele Dörfer/Kleinstädte wurden größer, wuchsen zusammen und wurden zu unseren heutigen westdeutschen Großstädten.

Viele der Dörfler die in die Städte gezogen waren, darunter auch mein Vater, sprachen mit heftigem Dialekt, den die anderen Einwohner in der Großstadt kaum oder gar nicht verstehen konnten. Auch führte der zweite Weltkrieg zu innerdeutschen Flüchtlingen, die auch ihre eigenen Mundarten in verschiedene Teile des Landes brachten.

Als Ergebnis galt es Mitte des 20. Jahrhunderts als angesehen, aus Respekt vor den Gesprächspartnern "verständliches Deutsch" zu reden. Ein starker Dialekt hingegen galt plötzlich als verpönt. Jedenfalls nördlich des Weißwurstäquators. Die Proleten machten das. Die Ungebildeten. Nicht diejenigen, die städtisch waren, zivilisiert, modern. Die sprachen Hochdeutsch! Oder zumindest taten viele Leute so, als könnten sie richtiges Hochdeutsch. Die Meisten versuchten einfach ein standardisiertes Deutsch zu reden, damit man sich besser verstand.

Mit dem Zusammenleben änderten sich also auch die Kultur und die Sprache. Nicht nur die Mobilität der Menschen, auch die neuen Medien des 20. Jahrhunderts wie das Fernsehen und das Radio bringen weit entfernte Menschen näher zusammen, und lassen die Bedeutung von lokalen Dialekten verschwinden.

Unser Hochdeutsch ist also ein Standard - etwas worauf man sich als Gesellschaft einigte. Trotzdem gab es Veränderungen auch schon vorher: Als im 19. Jahrhundert "Ruhrpolen" nach Deutschland kamen um in den Bergwerken im Ruhrgebiet zu arbeiten, nahmen Teile der Deutschen Gesellschaft polnische Begriffe auf. Das oft angefügte "Ne?" am Satzende zum Beispiel hat polnische Wurzeln. Genauso war es vorher mit eingewanderten Franzosen oder Ungarn. Auch der internationale Handel und die Globalisierung brachten und bringen uns stets neue Worte.

Sprache passt sich immer an die Menschen an. Nicht umgekehrt. Die Menschen benutzen sie selten so, wie es kulturell am wertvollsten wäre. Sondern so, wie ihnen der Mund steht. - Und wenn ihnen der Mund nach Hochdeutsch steht, weil sie sich dann besser verstehen, sprechen sie halt Hochdeutsch.

Andererseits gab es auch in den letzten 60-70 Jahren Künstler die ihre Dialekte in ihre Kunst einfügten. Zum Beispiel redet Helge Schneider mit seinem Mülheimer Akzent. Es gibt viele die das tun, achte mal drauf. Sprache und auch unsere Dialekte sind und waren und bleiben immer ein Teil unserer Gesellschaft und Kultur. Auch wenn die im ständigen Wandel begriffen sind.


spaeschel85  14.03.2016, 22:36

Mit Akzent im letzten Absatz ist Dialekt gemeint.

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