Warum gewannen Islamisten an Einfluss während des arabischen Frühlings obwohl die Demonstranten Säkularismus,Demokratie,Menschenrechte usw forderten?
Zumindest am Anfang waren das die Forderungen.
2 Antworten
Weniger ein Widerspruch der Bevölkerung als ein strukturelles Machtvakuum, das gut organisierte religiöse Akteure füllten.
Die anfänglichen Ziele säkularer Demokratie blieben in der Bevölkerung, aber die politischen Akteure, die sie tatsächlich umsetzen konnten, waren häufig islamistisch geprägt.
Gruß aus Tel Aviv
Man fragt sich ja schon, warum die Islamisten so einen großen Einfluss bekommen haben, obwohl viele Leute, die auf die Straße gegangen sind, eigentlich Demokratie, Freiheit und Menschenrechte wollten. Das liegt vor allem daran, dass diese islamistischen Gruppen einfach viel besser organisiert waren.
Die Islamisten hatten über Jahrzehnte hinweg heimlich und im Verborgenen an ihren politischen und sozialen Netzwerken gearbeitet. Sie hatten Schulen, Kliniken und soziale Projekte für die ärmere Bevölkerung aufgebaut und so eine breite Unterstützung gewonnen. Als dann plötzlich die alten Diktatoren gestürzt wurden und ein Machtvakuum entstand, waren sie sofort zur Stelle. Die säkularen Gruppen, die die Proteste angeführt hatten, waren zwar gut darin, Demos zu organisieren, aber sie hatten keine richtige Struktur, keine etablierten Parteien oder feste Anlaufstellen. Sie waren einfach zu jung und unerfahren in der Politik.
Als es dann die ersten freien Wahlen gab, haben viele Menschen die islamistischen Parteien gewählt. Warum? Weil sie in den Augen vieler Wähler die einzige wirklich organisierte politische Kraft waren. Die Islamisten versprachen, religiöse Werte mit politischer Freiheit zu verbinden, und das kam bei vielen gut an. Für die Wähler war es keine Widerspruch, beides zu haben. Sie wollten Demokratie, aber sie wollten auch, dass die religiösen Traditionen ihrer Gesellschaft respektiert werden. Die Islamisten versprachen genau das. Slogans wie "Islam ist die Lösung" klangen für viele überzeugend und boten eine Alternative zu den korrupten, alten Regimen. Es war also nicht so, dass die Menschen keine Demokratie wollten – sie haben sich einfach für die Gruppe entschieden, die ihrer Meinung nach am besten repräsentiert, was sie wollen.