Verschweigen der Schwerbehinderung im Vorstellungsgespräch?
Hallo,
diese Frage beschäftigt mich momentan sehr.
Kurz zu mir: Ich habe eine 50% SChwerbehinderung wegen Borderline und Depressionen. Ich bin aber seit längerem frei von Depressionen und Borderline ist gut in Behandlung und ich zeige auch nur noch wenige Symptome davon. Ganz los werden werd ichs aber nie.
Leider, aufgrund der Krankheit, habe ich nach einigen Stunden vorm PC zB Probleme mit der Konzentration, weshalb ich aber nur einen 20 Stunden Job vorerst suche (also erstmal maximal 4 Stunden am Stück täglich), meine Arbeit erledige ich an sich aber ordentlich und gewissenhaft (bin Rechtsanwaltsfachangestellte).
Jetzt ist es mir schon mehrfach passiert, dass ich komische Reaktionen und sogar schon offene Diskriminierungen erfahren habe, wenn ich im Vorstellungsgespräch meine Schwerbehinderung erwähnt habe. (Leider habe ich eine Lücke von fünf Jahren im Lebenslauf, wo ich wegen der damaligen Schwere meiner Erkrankung nicht arbeiten konnte). Manchmal kam das Gespräch zwangsläufig darauf, wenn es um die Lücke im Lebenslauf ging. Ich war meistens so perplex, dass mein erster Impuls war, ehrlich zu antworten, auch weil ich dachte, dass Ehrlichkeit immer sympathisch wirkt. Leider war aber wohl das Gegenteil der Fall und mittlerweile bin ich so frustriert, dass ich darüber nachdenke, solche Fragen gar nicht mehr zu beantworten.
Jetzt habe ich mal recherchiert und bin auf diesen Artikel gestoßen:
Allerdings bin ich da jetzt etwas unsicher. Und zwar bei diesem Punkt:
Ist eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eine entscheidende Voraussetzung für einen konkreten Arbeitsplatz, so darf der Arbeitgeber fragen, ob der Bewerber an gesundheitlichen, seelischen oder anderen Beeinträchtigungen leidet, durch die er für die Erfüllung der von ihm erwarteten arbeitsvertraglichen Pflichten ungeeignet ist.
Zählt da das mit der Konzentrationsfähigkeit eurer Meinung nach schon dazu? Ich meine, ich bin deshalb ja eigentlich nicht ungeeignet, habe nach wie vor die Ausbildung gemacht und kann die Arbeit erledigen, nur vielleicht nicht immer ganz so schnell wie ein gesunder Mensch und brauche öfters mal eine Pause.
Was meint ihr dazu? Bitte nur qualifizierte Antworten und nicht irgendwas schreiben, wenn man eigentlich keine Ahnung hat.
6 Antworten
Sagen wirs so: Das Problem bei der ganzen Sache ist halt folgendes:
Wenn der Arbeitgeber sieht '5 Jahre Lücke' und du sagst dann dazu nichts, dann denkt er sich 'da wird doch was sein, nicht dass sie mir ausfällt' und stellt dich nicht ein.
Deswegen ist es in meinen Augen schon besser mit offenen Karten zu spielen. Nicht unbedingt mit der Diagnose, aber halt eben mit der Schwerberhinderung (die du ja sicherlich auch attestiert hast), die aber zugleich für den Zeitraum, den du arbeiten willst, nämlich diese 20 Stunden ein wenig zu entkräften z.B. mit Zeugnissen vom Arbeitgeber, wenn du nach deiner Erkrankung gearbeitet hast (also nach diesen 5 Jahren) oder aber auch damit, dass du bereit wärst ein Probearbeiten zu machen.
Du hast ja diese Zeitspanne genau deshalb gewählt, WEIL du dieses Problem hast und dementsprechend sagst 'ich nehme eine Zeitspanne, die passt, mit der ich gut klarkomme und die für mich so in Ordnung ist, dass es nicht die totale Katastrophe wird'. Deswegen lieber die Karten offenlegen. Nicht weil du es müsstest, doch die Leute, die dich mit der Diagnose ablehnen hätten dich vermutlich auch dann abgelehnt wenn du dazu nichts gesagt hättest und sie das halt eben im Probearbeiten rausfinden. Wenn du nichts dazu sagst, dann kommt es halt eben auch nicht mehr ehrlich rüber und dann lehnen dich ggf. die ab, die dir zumidnest die Chance für ein Probearbeiten gegeben hätten, was ja auch nicht Sinn der Sache ist.
Wichtig ist: Du hast das geschafft, du hast es Überwunden und du bist jetzt gut eingestellt. Daraus kannst du ggf. durchaus auch einen vorteil machen, denn ein Teil von solchen Therapien ist häufig in sich zu gehen, sehr stark auf sich selbst aber eben auch auf andere zu achten. Genau das ist im Alltag oder ggf. auch am Telefon eine sehr gute Sache, denn da ist es ja wichtig zu erkennen, was Kollegen und ggf. auch Mandanten von einem wollen und dementsprechend reagieren zu können und genau das bringst du ja auch über deine Lebenserfahrungen deutlich MIT.
Wie gesagt... die Diagnose an sich würde ich vielleicht nicht knallhart auf den Tisch klatschen, schlicht weil gerade in Bezug auf Borderline enorme Vorurteile bestehen und es macht schon einen Unterschied ob der Arbeitgeber denkt 'die braucht halt einfach ein paar mehr Pausen und hat sich gezielt diese 4 Stunden pro Tag ausgesucht für die sie sich bewirbt' oder aber 'die sitzt mir irgendwann mit durchblutenden Verbänden in meiner Kanzlei' (nur mal als Beispiel).
Wäre ICH Anwältin würde ich da auch anders denken, einfach weil ich weis, was Borderline bedeutet und weil ich auch weiß, dass man da super gut therapeutisch etc. eingestellt sein kann und dann ist alles soweit in Ordnung, doch das bin ich halt eben leider nicht.
Deswegen würde ich, wie gesagt, eben sagen 'ja, ich bin Schwerbehindert mit diesen 50%', aber die Diagnosen ggf. nicht explizit erwähnen oder tatsächlich eher umschreiben. Einfach weil Borderline halt eben mit vielen sehr plakativen Bildern verbunden wird, die auch alle irgendwie zutreffen, aber nicht zwangsweise auf dich.
Ich will dir keine Illusionen machen: Das ist nicht einfach was Jobsuche angeht und auch wenn du alles richtig machst werden sich genug Leute denken 'schwerbehindert, muss nicht sein', aber auch wenn es ggf. länger dauert wünsche ich dir von Herzen, dass du einen Job findest. Wie gesagt... auch Zeugnisse ehemaliger Arbeitgeber sind da einfach Gold wert, weil du dann sagen kannst 'Ja, ich habe diese Behinderung, aber Sie können meinen Zeugnissen entnehmen, dass mich das in meiner Arbeit nur marginal in dem und dem Bereich einschränkt und es in z.B. Kontakt mit Kollegen und Mandanten nie Probleme gab und auch meine Sorgfalt dadurch nie beeinträchtigt war'
Alles Liebe :)
Vielen Dank für deinen langen ausführlichen Kommentar. Also das mit der Borderline Diagnose habe ich nie erwähnt, ich habe lediglich es knapp gehalten, dass ich eben psychisch schwer krank war und diese fünf Jahre für Traumabewältigung gebraucht habe. Und meistens sag ich auch nur "Schwer krank" und erwähne gar nichts von der psychischen Erkrankung. Das Ding ist nur, dass es mir schon ein paar Mal passiert ist, dass ich dem Irrtum aufgesessen bin, es läuft gut im Gespräch und da bin ich halt etwas vertrauensvoller geworden... dass das ein Fehler war, hab ich jetzt auch erkannt :/ Einer meinte sogar direkt in mein Gesicht, er hätte bei mir kein gutes Gefühl, weil er quasi noch jemanden einstellen müsste, der meinen Job erledigt.
Da dachte ich mir auch, ja danke.. ich KANN meinen Job, ich kann ihn nur halt nicht mehr in Vollzeit und brauche eine gewisse Einarbeitungszeit. Aber da wurde ich dann gleich abgestempelt.
Dann musst du das ja in deiner Bewerbung nicht erwähnen, aber beim Berwerbungsgespräch.
Wenn dich der Arbeitgeber persönlich kennenlernt, dann kann er schon einschätzen, ob du der Arbeit gewachsen sein könntest oder nicht.
Es gibt viele Menschen die einen Schwerbehindertenausweis besitzen, wo du mehr Urlaub bekommst und einige Vergünstigungen.
Es gibt immer noch Arbeitgeber, die sogar Menschen mit Schwerbehindertenausweis einstellen, weil sie dann vom Staat auch noch belohnt werden.
Es muss sich keiner schämen, wenn er wegen Krankheit längere Zeit ausfällt und du musst auch anderen das nicht erzählen.
Du hast die Möglichkeit dir eine Firma zu suchen, die Leute mit Schwerbehindertenausweis einstellt und du eine n Arbeitsplatz findest, wo du trotzdem deine Arbeitskraft sinnvoll einsetzen kannst.
Du hast doch deine Krankheiten einigermassen gut überstanden, dann lasse dich nicht unterkriegen und suche weiter.
Weil du erwähnst, du möchtest nicht in einer Behindertenwerkstätte arbeiten.
Dort arbeiten doch nicht nur Geistig Behinderte, sondern auch Menschen die ein körperliches Handicap haben,
das nur nebenbei erwähnt und dort ist das Arbeiten weitaus weniger stressig, als in einem größeren Betrieb.
Dort könntest du sicher auch erst mal als Einstieg mit Halbtags anfangen.
Dort würde auch keiner dumme Kommentare ablassen,
das auch nur mal so nebenbei erwähnt.
Ich drücke dir die Daumen, dass du Glück hast bei der Arbeitssuche.
Wenn dein Arbeitgeber eine vollwärtige Arbeitskraft ohne Einschränkung, ohne Rücksichtnehmen müssen, sucht und keinen Antrag wegen einer 50% Schwerbehinderung stellen möchte/kann, musst du leisten was ganz Gesunde bringen und hast keine Sonderrechte.
Gibt es in der Branche keine SchwerbehindertenArbeitsplatzAngebote? Das wäre das Richtige für alle.
Naja "Stellen für Behinderte, das wäre das beste für alle" klingt schon hart danach als würdest du Behinderten die Fähigkeiten absprechen, prinzipiell im regulären Arbeitsmarkt bestehen zu können. Und nein, in der Juristenbranche gibt es keine extra Stellen für Schwerbehinderte. Die Stadt bevorzugt bei gleicher Eignung Menschen mit Schwerbehinderung, da hört es aber auch schon auf.
Verstehe bitte ENDLICH, dass du SELBER die sein könntest, fragen könntest schon vorab, oder IM BEWERBUNGSSCHREIBEN, ob du mit 50 % eingestellt werden würdest, wenn die Kanzlei DAS FÖRDERGELD beantragen würde, bzw. könnte oder möchte.
*seufz* Darum geht es in meiner Frage doch gar nicht.
In deiner Frage willst du verschweigen, verzichtest auf die Vorteile, womit du keinem hilfst, weder dir noch dem Arbeitgeber.
Ich selbst, habe mir die Rente verdienen können, weil ich den 1. Arbeitgeber EHRLICH davon in Kenntnis setzte, dass er für mich, da ich schon älter war, Fördergeld vom Arbeitsamt bekäme.
ich würde es ehrlich ansprechen, aber nicht die Diagnose
Aber gerade die Behinderung ist ja das, was die Arbeitgeber nicht mögen, weil ich dann zB einen gewissen Kündigungsschutz habe...
Der Absatz gilt nur für Einschränkungen, die auch wirklich zu erwarten sind. Dass ein Blinder keinen Bus fahren kann ist 100% zu erwarten. Dass ein schwerst Depressiver aktuell nicht aus dem Bett kommt ist zu erwarten. Deine Konzentrationsfähigkeit ist für dich ja händelbar solange du nicht Vollzeit arbeitest. Du hast dich entschieden wieder zu arbeiten weil du erwartest, dass es gehen wird. Zumindest bei einer 20Std-Woche. Es gibt also keinen Grund die Erkrankung beim AG „anzumelden“. Ich würde die SB gar nicht erwähnen.
Wie du die große Lücke im Lebenslauf erklärst ist das größere Problem. Hier würde ich so wenig wie möglich Preis geben und dann anbieten in der Probezeit zu zeigen, dass du bereit und fähig bist zu arbeiten, dass du die inserierte Stelle wirklich interessant findest (+Begründung) und dich einer neuen Herausforderung stellen möchtest.
Letztendlich wirst du aber ein wenig Glück brauchen, da mach dir nix vor. Aus der Sicht der AG bist du ein Risiko. Da kann man nix schön reden. Dann lieber nicht zerreden und im Gespräch möglichst knapp erklären was los war und überleiten auf deine Vorzüge.
Das klingt sehr abwertend was du sagst. Wieso sollte ich nicht genauso das Recht haben, in den normalen Arbeitsmarkt integriert zu werden?
Ich bin gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, ich werde mich sicher nicht in eine Behindertenwerkstatt hocken (und das ist jetzt nicht abwertend gemeint, aber ich habe extrem hart für meine Ausbildung gearbeitet und lasse mir das nicht absprechen)
Außerdem wüsste ich jetzt nicht, warum der Arbeitgeber für irgendwas einen Antrag stellen muss. Odder was genau meinst du damit?
Ich habe in dem Fall Sonderrechte, dass ich zB einen besonderen Kündigungsschutz habe.