Du hast auf jeden Fall schonmal eine gute Szene für den Start gewählt. Es ist ein spannendes Szenario. Die Stadt wird angegriffen, Chaos, Tod, Verzweiflung, alle fliehen in verschiedene Richtungen.
Gerade für einen Prolog fände ich sowas einsame Spitze.
Fürs erste Kapitel kommt es drauf an, ob das noch weitergehen soll. Kapiteltechnisch finde ich das nämlich etwas kurz und wie gesagt... für den Prolog wäre es m.E. ideal. Aber das sind Feinheiten. Sollte sich zwischen dem hier und dem was danach kommt ein Zeitsprung ergeben (zum Beispiel dass sie nach Tagen der Wanderung das nächste Dorf erreicht) würde ich überlegen, ob ich das hier nicht in einen Prolog ziehen möchte.
Du schaffst es auf jeden Fall auch einige Beschreibungen reinzubringen, die das unterstreichen, dem Leser die ganze Sache ein wenig runder machen und ihm die Möglichkeit geben ein 'ganzes Bild' zu bekommen. So hast du zum Beispiel passende akustische Elemente drin.
Diese ganze 'Magie der Stimmung um die Charaktere herum' könnte man aber noch verstärken, indem man ein wenig mehr in die Figur einsteigt und aus deren Perspektive berichtet.
Zu Anfang war ich mir nicht sicher wer deine Fokusfigur ist, weil relativ viel Fokus auf Josef lag, erst zum Ende hin kam raus, dass es wohl eher Tabita ist, denn der folgen wir dann weiter.
Ich würde schon zu Anfang allein auf Tabitha eingehen und hier wirklich die ganze Schiene fahren. Sie ist verängstigt, hört die Schreie von Außerhalb. Das Rumpeln von Wagen, mit denen Leute versuchen ihre Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen, weinende Kinder, in Panik schreiende Frauen. Verzweifelte Rufe für die verbliebenen Soldaten der Stadtgarde (oder was auch immer) sich neu zu formieren, während andere in Richtung Stadtzentrum oder Stadtrand drängen weil niemand weiß wie man dem Unheil der nahenden Soldaten am besten entrinnt.
Sie hat natürlich auch Angst um Josef und die Kinder. Eventuell sitzt sie ja auch nicht einfach da, sondern kuschelt die Kinder an sich (die würde ich nicht einfach irgendwo in der Ecke schlafen lassen, wenn die Stadt grade überrannt wird) oder Alternativ ein Bündel mit Habseligkeiten.
Kurz gesagt... lass den Leser GLEICH zu Anfang komplett in die Gefühle deiner Hauptfigur einsteigen. Die sind im Moment unglaublich stark... nutze sie!
Versuche hier auch auf jeden Fall passende Adjektive zu verwenden. Warum GEHT Tabita auf Josef zu, wenn die Stadt gerade überrannt wird und sie eigentlich fliehen sollte?
Klar KANN sie auf ihn zugehen, dann würde ich mir bei all der Angst aber noch ein bisschen Erklärung wünschen. Zum Beispiel, dass sie selbst in Momenten wie diese nicht ihre Würde einbüßen möchte. Eine wahre Frau schickt ihren Mann in den Kampf mit der festen Überzeugung, dass er zurückkehrt und das gibt sie auch in diesem Moment nicht auf.
Wie gesagt... versuche uns als Leser eher in die Gedanken und Gefühle deiner Figur zu bringen, anstatt es einfach auf die Handlungsbeschreibung von wegen 'sie tat das, dann tat sie das'. Das kann man ab und an mal machen (nicht jede Szene ist so emotional aufgeladen), aber hier wäre, wie gesagt, ein Fokus auf genau ihr Erleben, ihre Gefühle, ihre Gedanken von Vorteil. Eventuell rennt sie nicht den Hügel runter, sondern sie FLIEHT vor den Angreifern, vor den Schreien der Frauen, deren Schicksal sie sich gar nicht ausmalen will. Dem dumpfen Klirren, wenn die Schwachen Waffen ihrer Stadt von den dicken Rüstungen der Angreifer abprallen ohne den kleinsten Schaden zu hinterlassen usw. usw.
Bei einer reinen Handlungsbeschreibung geht auch die Spannung in Momenten wie ihrem kurzen Stolpern verloren, weil es einfach nur da steht, der Leser nimmt es zur Kenntnis und denkt sich dann seinen Teil.
Für die Überarbeitung würde ich dir noch ein paar kleinere Tipps zu einzelnen Passagen geben.
Sie hatten schon befürchtet dass die Xevcha, ein Volk aus den Bergen, angreifen würden. Trotzdem kam der Angriff so schlagartig und das Chaos so überwältigend das beide lange nicht begreifen konnten was los ist. Die beiden hatten sich für den Angriff schon vorbereitet und sie wussten was zu tun war.
Das kann man auf jeden Fall kurz reinbringen. Ob es jetzt für DIESE Szene wichtig ist nochmal zu erklären woher die Xevcha kommen.. andere Sache (immerhin haben die beiden grade wichtigeres zu tun). Ich würde es vielleicht anders einfließen lassen von wegen 'Die Waffen prallten von den Rüstungen der Gebirgsbewohner ab ohne Schaden zu verursachen', aber das ist eine Kleinigkeit.
Allerdings tue ich mich etwas schwer mit diesem 'sie haben befürchtet', 'Angriff so schlagartig, dass sie nicht wussten was los war', 'aber sie sind schon vorbereitet und wissen was zu tun ist'.
Abgesehen von dem Tempusfehler (was los war) weiß ich worauf du hinaus möchtest, es ist aber in meinen Augen nicht schön formuliet, weil es arg nach Widerspruch klingt.
Auch hier würde sich 'show dont tell anbieten'. Er kommt rein, sie stürzt auf ihn zu, fällt ihm in die Arme, weil sie erstmal froh ist, dass er da ist. Er erinnert sie dann daran, was sie abgesprochen haben. Und aus ihrer Sicht haben wie dann diesen 'ach ja, natürlich. Wir haben ja mit einem Angriff gerechnet und sind vorbereitet'. Durch diese Reaktion merkst du als Leser, dass sie zuerst nicht daran gedacht hat... das musst du also gar nicht extra schreiben.
Ansonsten würde ich glaube ich die Josef-Sicht-Sachen rauslassen. Wie gesagt, konzentriere dich ganz auf Tabitha, die kann eigentlich auch alles sehen und erleben, was in diesem Abschnitt drankommt und halt eben natürlich mit Josef interagieren, er kann sagen was los ist. Aber das 'aufblitzen seiner Wut' muss jetzt net sein und wenn, dann eher aus Tabithas Sicht, dass es sie mit Stolz oder Angst erfüllt.
Sie weiß er wird bis zum Ende kämpfen, um sie und die Kinder zu verteidigen. Also ist sie es ihm schuldig alles zu tun, um sie drei in Sicherheit zu bringen.
Eine kleine Sache noch: Zahlen bis einschließlich zwölf bitte ausschreiben :)
Ich habe versucht das Chaos am Anfang greifbar zu und für ein bisschen verwirrung zu sorgen. Es sollte aber auch neugierig darauf machen wie es weiter geht.
Und du bist auf einem guten Weg dahin. Spannend ist die Szenerie allemal :) Du hast auch schon ein paar gute z.B. akustische Aspekte gefunden... jetzt noch aus der Sicht des emotionalen Chaos unserer Figuren und du holst wirklich alles aus der Stimmung raus, was man rausholen kann :)
Ich wünsche dir dabei viel Erfolg und alles Liebe :)