Verbale Zurückhaltung oder doch lieber nicht?
Die folgende Diskussion fand ich recht interessant:
"Immer weniger Menschen in Deutschland haben das Gefühl, ihre Meinung frei äußern zu können."
"Wir haben ein Problem mit Meinungsfreiheit in Europa." (Poschardt)
Zugleich überschreiten aber (auch laut Palmer) immer mehr Menschen die Grenzen des guten Benehmens. "Es gibt wirklich eine Aggressivität auch gegenüber ehrenamtlichen Kommunalpolitikern, die unerträglich ist." (Palmer)
Das ist ja nun ein gewisses Paradox, einerseits denken viele "ich darf ja nix mehr sagen" (zu wenig MF?), andererseits überschreiten viele aber auch die Grenzen und sind - wie Palmer sagt - verbal aggressiv (zu viel MF?).
"Neurowissenschaftlerin Maren Urner verneinte dies und behauptete stattdessen, dass das Gefühl des scheinbar verengten Meinungskorridors nur deshalb entstanden sei, da viel zu oft und intensiv über das Thema gesprochen werde und somit der Eindruck entstehe, als gäbe es eine Bedrohung der freien Meinungsäußerung."
Poschardt sagte, dass das, was Frau Urner sagte, "vielleicht nicht so wichtig sei". "Diese Art von Dünnhäutigkeit, wie wir sie im Augenblick haben, halte ich für ein großes Problem." (Poschardt)
Nun könnte man sagen, dass auch Palmer dünnhäutig reagiert hatte. Darf er auch, das mache ich ihm gar nicht zum Vorwurf. Ich finde, man kann nicht beeinflussen, ob Leute dünnhäutig oder nicht sind. Daher finde ich folgendes besser: natürlich darf man vieles sagen, dennoch sollte man sich überlegen, ob man wirklich immer an die Grenzen gehen sollte (dessen, was man darf).
Mir fehlt ein bisschen das Thema "ich dürfte zwar X sagen, aber ich halte mich dennoch da zurück." Man muss nicht alles tun oder sagen, nur weil man es darf. Gerade an Poschardt gerichtet: natürlich DARF er "links-gut-versifft" sagen. Darf er. Ich halte es dennoch für keine sehr gute Idee. Man könnte es auch einfach lassen.
Meine Frage: sollte man verbal immer "in die Vollen" gehen? (die Meinungsfreiheit voll ausreizen) Oder nicht doch eher ein wenig Zurückhaltung, Zuvorkommen, Freundlichkeit zeigen? (dazu würde gehören, auf allzu harte Begriffe auch mal zu verzichten - selbst dann, wenn es erlaubt wäre, es zu sagen)
4 Antworten
Man muss nicht "in die vollen gehen". Auch wenn heutzutage einige denken, dass nur noch wahrgenommen wird, wer besonders laut brüllt, stimmt das so nicht.
Wichtig ist (und war eigentlich schon immer) eine klare Sprache. Dinge wirklich auf den Punkt bringen. Das wird auch wahrgenommen.
Diejenigen, die sich an extremistischen Rändern befinden bringt man nicht mit möglichst viel Provokation da weg und auch nicht mit "political correctness". Man bringt sie da weg, indem man ihnen die Lügen ihrer Vordenker im Kopf klar macht.
Ansonst gibt es nach wie vor Meinungsfreiheit. Daran hat sich nichts geändert. Die Rechtsradikalen vollführen hier Tricks: sie tun so, als sei jeder Widerspruch ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Das ist natürlich Blödsinn, denn gerade der Widerspruch ist das wichtigste Gut der Meinungsfreiheit.
Darüber hinaus tun sie so, als sei Meinungsfreiheit grenzenlos. Nein. Ist sie nicht. War sie noch nie. Simples Beispiel: Ein Mordaufruf ist verboten und keine Meinungsfreiheit...
Jede Feeiheit endet dort, wo die Freiheit udn die Rechte anderer tangiert werden. So hat jedes Freiheitsrecht selbstverständlich seine Grenzen, hierzulande ist dies in Gesetze wie das StGB gegossen.
Kein Freiheitsrecht ist grenzenlos.
Das Problem ist doch, dass viele Diskussionen nicht mehr sachlich mit Argumenten geführt werden, die einer Überprüfung stand halten sondern dass Meinungen geäußert werden, die mehr einem vernichtenden Urteil gleichen - so ganz ohne sachliche Begründung - dafür mit der Unterstellung unlauterer Absichten.
Volle Meinung ohne Rücksicht auf irgendwas
Die man aber auch kritisieren darf. Machen die Rechten doch auch.
Man kann anderer Meinung sein, ansonsten ist das zu akzeptieren
Ja, aber genau das sorgt meiner Ansicht für die oben geschilderten Probleme.
Dass also Kommunalpolitiker so verbal fertig gemacht werden, dass sie keine Lust mehr haben, finde ich nicht gut. Das beklagt Palmer ja auch.
Mit der entsprechenden Gegenreaktion von anderen, die dann als Einschränkung der Meinungsfreiheit bezeichnet wird.