Unterschied zwischen Chronos und Kronos?

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Der Gedanke, sie zu unterscheiden, ist richtig.

Chronos und Kronos sind in der griechischen Mythologie und Religion ursprünglich zwei verschiedene Götter. Allerdings sind sie später von manchen gleichgesetzt worden, aufgrund einer Volksetymologie (Kronos wird in der Wortherkunft auf das ähnlich lautende chronos [griechisch: χρόνος] zurückgeführt) und religiös-philosophischen Spekulationen und Allegorien.

Chronos spielte vor allem in orphischer Theogonie und Kosmogonie eine Rolle. Dort erscheint er (in späteren Hymnen) anstelle des Gottes Chaos (griechisch: Χάος) als Vater des Eros (griechisch: Ἔρως) und der Winde (πνεύματα [pneumata]) (Scholion zu Apollonios Rhodios, Argonautika 3, 26). Chronos spielte in der orphischen Kosmogonie die Rolle eines Urgrunds aller Dinge. Orphische Hymnen 8, 5 wird die Mondgöttin Selene (griechisch: Σελήνη) = Mene (griechisch: Mήνη) als Mutter des Chronos bzw. der Zeit bezeichnet. Orphische Hymnen 12, 3 wird Herakles (griechisch: Ἡρακλῆς) als Vater des Chronos bzw. der Zeit bezeichnet. Euripides, Antiope Fragment 223 (Stobaios, Anthologion [griechisch: Ἀνθολόγιον; Anthologie; lateinischer Titel: Florilegium] 1, 3, 33) heißt es, Dike (griechisch: Δίκη) werde Tochter des Chronos bzw. der Zeit genannt. Horen Töchter des Chronos Nonnos, Dionysiaka 12, 15 – 20 (vgl. auch 12, 90 – 96) werden die Horen (griechisch: Ὧραι [Horai]) als Töchter des Chronos bezeichnet. Euripides, Herakleidai Dike (griechisch: Ἡρακλείδαι; Die Herakliden; lateinischer Titel; Heraclidae) 899 – 900 wird Aion (griechisch: Αἰών) Sohn des Chronos genannt.

Unterschied: Der Gott Chronos (griechisch: Χρόνος) der griechischen Mythologie ist eine Personifikation der Zeit (die Zeit in ihrem Ablaufen; griechisch: χρόνος = Zeit, Zeitdauer, Lebenszeit). Er hat also eine Beziehung zu einer abstrakten Vorstellung, die er verkörpert. Der Gott Kronos (griechisch: Κρόνος) ist dagegen ein Titan und in einer Abfolge der Götterherrscher der zweite, nach seinem Vater Uranos/Ouranos und vor seinem Sohn Zeus. Kronos ist Sohn der Gottheiten Gaia/Ge (griechisch: Γαῖα/Γῆ) und Uranos/Ouranos (griechisch: Οὐρανός), die Erde und Himmel personifizieren. Kronos zeugt mit der Titanin Rhea/Rheia (griechisch: Ῥέα/Ῥεία), die als seine Schwester und Ehefrau gilt, die Kinder Hestia, Demeter, Hera, Hades, Poseidon und Zeus. Kronos verschlingt seine Kinder nach der Geburt, bis auf Zeus, an dessen Stelle ihm ein in eine Windel gewickelter Stein gegeben wird. Nachdem er seinen Vater mit einer Sichel entmannt hatte, war Kronos Götterherrscher, bis ihn sein Sohn Zeus (griechisch: Ζεύς) stürzte und Götterherrscher wurde.

Der Anführer der Titanen wurde mit einer anarchischen Vorzeit in Verbindung gebracht, die manchmal auch als goldene Urzeit erscheint. Sein Fest, die Kronia, waren ein Erntefest, bei dem gesellschaftliche Unterschiede nicht galten (Herren und Knechte feierten gemeinsam). Einige spätere Theologen stellten ihn nach seiner Niederlage als Herrn der Insel der Seligen dar.

Kronos ist in der Mythologie einerseits einer der Titanen und Akteur bei einem gewaltsamen Kampf zwischen Vater und Sohn (darunter einem Verschlingen der Kinder, um die eigene Herrschaft abzusichern), andererseits Herrscher eines goldenen Zeitalters mit Überfluß und einer Erde, die von selbst die Früchte hervorbringt. Ihm zu Ehren hat es in Athen, Rhodos und Theben die Kronia gegeben, ein gemeinsames Erntefest von Herren und Knechten mit kurzzeitiger Aufhebung der gesellschaftlichen Unterschiede. Stärker ist die Verbindung zur Ernte beim römischen Gott Saturnus, der Ackerbau mit Aussaat und Ernte als Zuständigkeitsbereich hat.

Eine antike Spekulation deutet die Sichel mit ihrer gekrümmten Form als Veranschaulichung der in sich zurücklaufenden Zeit (vgl. Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 2, 406).

Berichte über eine Gleichsetzung von Chronos und Kronos:

Marcus Tullius Cicero, De Natura Deorum 2, 63 - 64 [24]

Plutarch, Peri Isidos kai Osiridos (griechisch: Περὶ Ἴσιδος καὶ Ὀσίριδος: Über Isis und Osiris; lateinischer Titel: De Iside et Osiride) 12 (Ἠθικά [Ethika]/Moralia/Ethische Schriften 266 F)

Plutarch, Aitia Rhomaïke (griechisch: Αἴτια Ῥωμαϊκά; Römische Ursprünge/Fragen; lateinischer Titel: Quaestiones Romanae) 12 (Ἠθικά [Ethika]/Moralia/Ethische Schriften 363 D - E)

Aulus Gellius, Noctes atticae 12, 11, 7

Macrobius, Saturnalia 1, 8, 6 - 7

Servius, Kommentar zu Vergil, Georgica 2, 406

LordZ553 
Fragesteller
 05.12.2021, 19:58

Ohaa, vielen Dank für die ausführliche Antwort!

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