Unterschied epistemologischer/ ontologischer Naturalismus?

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Naturalismus bezeichnet in der Philosophie die Auffassung, dass die Natur Grundlage von allem ist, was es gibt, und nur eine natürliche Erklärung der Beschaffenheit der Welt zuverlässig und mit Anspruch auf Wahrheit möglich ist.

Naturalismus kann mehr oder weniger weitgehend sein. Dies hängt vor allem davon ab, was unter »Natur« und »natürlich« genau verstanden wird. Insbesondere wenn der Hinweis auf »Natur« und »natürlich« auf die Naturwissenschaften und ihre Methoden zielt, kann gemeint sein, nur naturwissenschaftliche Forschung vermittle einen Zugang zur Wahrheit, dazu, wie die Welt beschaffen ist. Dann ist der vertretene Standpunkt oft ein Materialismus bzw. (wenn die Möglichkeit einer Umwandlung von Materie in Energie und umgekehrt berücksichtigt wird; beides sind physikalische Größen) Physikalismus.

Naturalismus wendet sich auf jede Fall gegen Supranaturalismus. Denn er lehnt die Existenz von Übernatürlichem (z. B. Gott, Wunderereignisse, übersinnliche Erfahrung und Offenbarung) ab.

Naturalismus kann sich auf verschiedene Gesichtspunkt beziehen, z. B. auf die Ontologie (Seinslehre) als ontologische Naturalismus und auf die Epistemologie (Erkenntnislehre/Erkenntnistheorie) als epistemologischer Naturalismus. Die genauen Definitionen und Unterteilungen sind unterschiedlich. Oft wird ein methodologischer Naturalismus genannt, der sich darauf bezieht, mit welchen Methoden Wissen zuverlässig möglich ist. Praktisch ist dies weitgehend etwas, was auch manchmal epistemologischer Naturalismus genannt wird.

ontologischer Naturalismus: Alle Entitäten (Wesenheiten, Seiendes; also Einzeldinge, Eigenschaften, Tatsachen und Ereignisse der ganzen Welt) haben ihren Ursprung in der Natur und sind natürliche Entitäten. Es existiert also nichts jenseits der natürlichen Realität, über sie hinaus.

epistemologischer Naturalismus: Nur mit natürlicher Erklärung, mit Methoden der Naturwissenschaften ist ein Zugang zur Wahrheit möglich und zuverlässiges Wissen erreichbar.

Thomas Grundmann, Naturalismus. In: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. 3., erweiterte und aktualisierte Auflage. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz P. Burkard. Metzler : Stuttgart ; Weimar, 2008, S. 403:

Naturalismus

philosophische Position des 20. Jh., wonach verlässliche Erkenntnisse darüber, was existiert und wie die Welt beschaffen ist, nur auf naturwissenschaftlichem Wege zu gewinnen sind. Gründe für den N. sind die Erfolge der modernen Naturwissenschaften und ein Interesse an einem einheitlichen Weltbild. Der N. ist eine zeitgemäße Version des ↗ Materialismus und steht dem ↗ Physikalismus sehr nahe, ist allerdings auch mit einem naturwissenschaftlichen Pluralismus vereinbar. – Man kann zwischen einer ontologischen, einer semantischen und einer methodologischen These des N. unterscheiden. (1) Die ontologische These (auch Identitätstheorie) besagt, dass nur natürliche, d.h. naturwissenschaftlich akzeptable, Entitäten existieren. Sie beschränkt sich entweder – in der schwächeren Version (Materialismus) – auf Einzeldinge, oder sie bezieht sich – in der stärkeren Version – auch auf Eigenschaften. (2) Die semantische These (auch ↗ Reduktionismus) besagt, dass nur Beschreibungen, die sich auf ein naturwissenschaftliches Vokabular reduzieren lassen, wahr sein können. Je nachdem, ob die Reduktion durch empirische Forschung oder durch logische Analyse der Bedeutung erreicht werden soll, spricht man von einem empirischen oder einem logischen Reduktionismus. (3) Die methodologische These (auch Szientismus) besagt, dass nur naturwissenschaftliche Methoden zuverlässig sind. Sie leugnet, dass es eigenständige philosophische oder geisteswissenschaftliche Methoden der Erkenntnisgewinnung gibt.“

flowerpower203 
Fragesteller
 05.06.2021, 21:27

Vielen Dank, die Antwort war sehr hilfreich! :)

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