Unterschied zw. dem Seienden und dem Sein (Ontologische Differenz, Heidegger)

6 Antworten

Ich hatte mich im Rahmen einer Arbeit über existentiale Interpretationen mit Heidegger beschäftigt und es war ein ziemlich Schmerz, der sich rein bewertungstechnisch aber gelohnt hatte.

Um es verständlich zu machen, was es vermutlich auch unvollständig machen wird, gibt es im "Sein" traditionell einige Probleme. Es solle alles umfassen (warum auch immer), sei gar nicht definierbar oder würde sich ständig nur selbst reproduzieren, wenn man darüber nach denkt (Was ist der Sinn von "sein"? Was ist der Sinn der Frage nach dem Sinn von "sein"? usw.) Das ganze muss also irgendwie aufgelöst werden (siehe Fundamentalontologie).

Der Unterschied zwischen Ontik und Ontologie wird deutlich, wenn man das Ganze vereinfachen will. Ontik, Ontisches oder Seiendes beziehen sich auf rein phänomenologische Erscheinungen. Ontologie, Ontologisches oder Sein beziehen sich auf das Verstehen dieser Dinge.

Man müsste noch viel dazu sagen, aber vielleicht wird es anhand des Menschen deutlich, jedenfalls hat es Heidegger selbst so versucht: Der Mensch ( bei H. das Dasein) ist ein ontisch-ontologisches Wesen. Heißt ein Seiendes, das in seinem Sei nach dem Sein (besonders seinem eigenem) fragt. Ganz knapp abgekürzt bedeutet Sein, den Zusammenhang zwischen dem Seienden und dem Ganzen zu verstehen und so erst von der Existenz dieses Zusammenhangs zu wissen.

Heidegger unterscheidet zwischen Sein und Seiendem. Den Unterschied zwischen allem Seienden und dem Sein nennt er die ontologische Differenz. Das „Seiende“ ist das Vorhandene, d.h. die Dinge, die wir sehen und be-greifen. Auch der Mensch ist ein Seiendes, aber da er sich zum „Sein“ in bestimmter Weise verhalten kann (d.h. durch eine bestimmte innere Einstellung das Sein zum „Aufscheinen“ bringen kann), nennt Heidegger den Menschen „Dasein“. Was aber ist das Sein? Das Sein ist zunächst nicht erkenn- und nicht erfahrbar, da es sich hinter dem (oder im) Seienden verbirgt ( = Sein des Seienden); es ist der Quellgrund alles Seienden. Die Möglichkeit der „Existenz“ führt aber dazu, dass sich das Sein „lichtet“ und damit erkennbar oder zumindest fühlbar wird. Diese „Existenz“ also ist die innere Einstellung des Daseins, durch welche es sozusagen in eine Beziehung zum Sein tritt. Heidegger spricht auch vom „Nichten des Nichts“, wodurch das Dasein das Sein zum Leuchten bringen könne. Das Nichts – sagt eine Interpretation – sei der Schleier, der vor dem Sein liege. Dieses Nichts müsse man als Endzweck des Daseins akzeptieren und durch Nichten zum Verschwinden bringen. Das geschehe, indem man das Dasein „vom Tode her denkt“. (Man kann m.E. auch sagen: Nichten des Nichts bedeutet Nichten des „Man“; denn das „Man“ ist der Bereich des Nichts; alles ist hier uneigentlich, unecht, fassadenhaft. Bringt man diesen Man-Bereich in sich zum Verschwinden, fängt man erst an zu „existieren“, was soviel bedeutet, dass man das Dasein vom Tode her denkt – und nicht mehr aus der uneigentlichen „nichtigen“ Perspektive des „Man“). - Aus dem Gesagten ergibt sich, dass man das Sein nicht richtig benennen oder erkennen kann; man kann es nur durch „Lichtung“ erfühlen. Heidegger hat in seiner Spätphilosophie das Sein immer mehr „aus den Koordinaten jeder Ontologie herausgelöst“ (Historisches Wörterbuch der Philosophie). Im Unterschied zum Seienden, das „ist“, sagt er vom Sein nun, dass es „als Ereignis west“, und er schreibt es jetzt „Seyn“. Das Seyn wird „als eine mit den Attributen der Personalität versehene wirkende Macht gedacht; das Seyn ’spricht an’, ’versagt sich’, entzieht sich’. Die Mythisierung des „Seyns“ gipfelt darin, dass es zur Chiffre einer Erlösungsphilosophie für die wenigen ’Zukünftigen’ wird, ’auf die als die rückwegig Er-wartenden in opfernder Verhaltenheit der Wink und Anfall der Fernung und Nahung des letzten Gottes kommt’ [was immer das heißen mag]; Zitat aus dem Historischen Wörterbuch der Philosophie, Stichwort „Sein“, „Seiendes“. – Heidegger schreibt später statt Existenz „Ek-sistenz“. Der Grund: er wollte sich von der übrigen Existenzphilosophie absetzen und seine Philosophie damit als „Seinsphilosophie“ kennzeichnen. Ek-sistenz des Daseins bedeutet: das Dasein befindet sich in Seinsnähe.

Heidegger wollte im Unterschied z. B. zu Platon die traditionellen ontologischen Systeme etwas abändern, destruieren. Diese hatten die Frage nach dem Sein immer im Sinne der Essentialität und des reinen Vorhandenseins behandelt. Heidegger aber wollte der Frage nach dem Sein ein neues Fundament geben.

Um über das Sein etwas aussagen zu können, müsse man das "Seiende" befragen, welches einzig und allein in der Lage sei, etwas über das "Sein" auszusagen, weil es zu ihm ein "Verhältnis" habe. Das einzig "Seiende" in der Welt, welches zu seiner Umwelt (=Sein) ein Verhältnis hat, sei das menschliche Dasein.

Dieses menschliche Dasein steht also im Zentrum der Heideggerschen Philosophie (siehe sein Werk "Sein und Zeit").

Damit wird das Subjekt zum "Fundament" für das Objekt.

Mit seiner Kritik an den Entpersönlichungs- und Entfremdungserscheinungen der modernen kapitalistischen Gesellschaft und der Ablehnung der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse kam er immer mehr zur Bekenntnis zu AHit.ler und dessen faschistischer Bewegung, was ihn sogar Mitglied der NSDAP werden ließ.

die ontologische differenz besteht darin, dass Sein kein Seiendes is

Sein ist nur im verstehen des seinsverstehenden Seienden, es gibt kein Sein ohne dessen verstehen -- Seiendes ist dagegen unabhängig von erschlossenheit. "Seiendes ist unabhängig von erfahrung, kenntnis u erfassen, wodurch es erschlossen, entdeckt und bestimmt wird. Sein aber "ist"

Vielen Dank für eure Antworten! Ich hab es versucht ein bisschen zusammenzufassen, so wie ich es nun verstehe; - das Sein bezieht sich auf das Verstehen – es gibt kein Sein ohne einen Verstehenden. “Das sein bedeutet, den Zusammenhang zwischen dem Seienden und dem Ganzen zu verstehen und so erst von der Existenz dieses Zusammenhangs zu wissen”. - das Seiende sind Dinge, Menschen – alles was existiert - das Dasein ist der Mensch, der (evtl.) Verstehende

⇨ Das heisst zusammengefasst, Heidegger macht einen Unterscheid zwischen der Welt, wie sie an sich existiert (=das Seiende) und dem, was die Menschen über diese Welt denken, wie sie die einzelnen Elemente dieser Welt in Zusammenhang setzen (= das Sein).

Frage; „es gibt kein sein ohne verstehen“ – es kann sehr wohl Zusammenhänge in der Welt geben, auch wenn es keine Menschen gäbe, die diese herausarbeiten..?!

P.s. Odysseus sagt dem Existierenden „Dasein“, was bei Heidegger laut Wolfizero der Mensch ist... – wieso unterscheidet Heidegger denn überhaupt noch Dasein (Mensch) und Seiendes (Dinge etc.)? Letzlich ist der Mensch doch auch etwas Seiendes...