Studium der Mathematik

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo JNash,

hier kommt ein Mathestudent :-) Generell kann man zum Mathestudium ein paar Dinge vornweg sagen:

  • Der Umgang mit der Mathematik ändert sich von Grund auf. In der Schule bleiben die Aufgaben meist übersichtlich und vorstellbar. Demnach hat man für bestimmte Aufgabentypen auch jeweils ein schönes Schema, sodass man, hat man etwas einmal verstanden, auch immer wieder durchrechnen kann. Auf der Universität lernt man eher das "Beweisen", was am Ende zunehmend in einem Definitionsgeplänkel endet als in einer gewohnten Rechenaufgabe. Hier ist auf jeden Fall ein abstrakteres Denken notwendig. In diesem Punkt hat das Mathestudium mit der Schulmathematik nicht mehr sehr viel gemein.
  • Man muss sich davon lösen, alles verstehen zu können. Ich weiß nicht, wie es Dir im Leistungskurs ging, aber mMn konnte man dort den kompletten Stoff überschauen und sich "sicher" fühlen. Man wusste eigentlich immer, wie man eine Aufgabe angehen konnte und wenn mal Aufgaben kamen, bei denen man das Rad neu erfinden musste, dann waren das schon sehr ausgefallene, schwierige Aufgaben. Auf der Uni dagegen weiß man bei 90% der Aufgaben nicht, wie man überhaupt anfangen soll - man muss erstmal eine halbe Stunde überlegen und sich dann ganz mühsam mit viel Sätze- und Definitionsnachschlagen eine sinnvolle Lösung zusammenbasteln. So sieht es am Anfang bei jedem aus. Das erzeugt gerade bei Erstsemestern, die davor eben immer alles gut geschafft haben, eine riesen Frustration, denn das ist jetzt nicht mehr möglich! Ende der Geschichte, man muss damit leben, dass man keine Sicherheit mehr hat. Die kommt vielleicht im 3ten Semester frühestens wieder, wenn man eine neue Sicht auf die Mathematik entwickelt hat.
  • Die Notation wird oft wichtiger als das Ergebnis. Während auf der Schule das Ergebnis das wichtigste war, zählen auf der Uni vor allem schnelle, effektive und saubere Lösungswege. Die Notation wird von Anfang an stark gewichtet, allerdings kommt man da schnell rein ;-)
  • Man muss sein Lern- und Erwartungsverhalten ändern. Es gibt oft Tage, da sitzt man vier Stunden vor einer Aufgabe und kommt nicht weiter, fährt frustriert nach Hause und denkt sich nur noch: "Ich bin einfach zu schlecht für das alles, ich pack das eh nicht mehr!" An dem Punkt musste ich auch erstmal lernen, dass dieses Lernen unglaublich viel bringt. Spätestens eine Woche später hat man dann doch den Stoff besser verstanden als manch anderer, weil man die Zeit einfach investiert hat. Es geht nicht jedes Mal darum, das Ergebnis auch rauszubekommen, es geht um die Beschäftigung mit der Mathematik. Inzwischen lerne ich nur in festen Zeitfenstern und höre dann einfach auf, egal wie weit ich gekommen bin. Das klappt super. Lernen klappt am besten zu zweit oder dritt, nicht mit mehr Leuten, sonst gibts ein Durcheinander. Man muss sich demnach nicht immer an der "Leistung" sondern vor allem an der Zeit motivieren.
  • Ausgleich schaffen. Der Kopf wird schnell zu Matsch, wenn man lange "geknobelt" hat. Am besten gleich angewöhnen, am Abend noch bisschen Sport zu machen, sonst landet man 3-4 Jahre lang abends auf der Couch. Sein Leben bunt und aktiv zu halten ist mein absolut bester Tipp, um durchs Studium zu kommen!!!

Jetzt habe ich Dir viele abschreckende Dinge beschrieben, aber ich denke, das sollte man über das Studium wissen. Mathe hat wahrscheinlich deswegen so viele Abbrecher, weil viele von der Schule her etwas Ähnliches erwarten, bei dem sie einfach nur den Kopf einschalten müssen und dann läuft alles wieder von alleine. Das klappt leider nicht.

Wer aber von Anfang an gewillt ist, Zeit zu investieren und sich dem neuen Zugang zur Mathematik komplett öffnet, der tut sich um einiges leichter und kann auch wirklich Spaß beim Studium haben. Mir hat diese Art von Mathematik gleich besser gefallen: Man kann es als langsames Zusammensammeln einer riesigen "Trickkiste" ansehen, mit der man dann Knobelaufgaben löst.

Ich habe auch viele Freunde, die im Mathestudium "aufgeblüht" sind, was ihr Spaß an der Mathematik angeht. Leute, die auf der Schule nicht sooo gut waren, aber jetzt eine Leidenschaft dafür entwickelt haben. Wenn man mal drin ist, kann es echt richtig Spaß machen.

Grüße, Balu

BaluDerTanzbaer  16.03.2014, 09:26

Und noch einen Punkt, den ich zunächst nicht posten konnte:

  • Mathematik wird zum Lernfach. Natürlich braucht man noch sein mathematisches Grundverständnis, aber man sollte sich anfangs für so ein wöchentliches Arbeitsblatt der An@lysis auch seine 10-15 Stunden einplanen. Mit "Lineare Algebra" sind das im ersten Semester schon ca. 25 Stunden Lernarbeit neben der Uni. Das ist meines Erachtens nach ein ziemlicher Standardwert, den man investieren muss, um die Prüfungen zu bestehen. Wer sich auf der Schule leicht getan hat und "ohne Lernen" durchkam, der muss sich in dem Punkt definitiv ändern. Aufschieben und irgendwann nachlernen ist in Mathe schlichtweg nicht möglich. Am Ball bleiben und intensives, tägliches Mitlernen heißt auf der Uni die Devise. Auch wenn man das Gefühl hat, nichts zu können - lern bis zur Klausur weiter!

An diesem Punkt auch vielen Dank an den einfallsreichen Programmierer, der "An@lysis" als vulgäres Wort miteinbindet - das waren für mich gerade 30 Minuten Fehlersuche nach Textabschluss.

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JNash 
Fragesteller
 16.03.2014, 13:33
@BaluDerTanzbaer

Klasse ! Schöne Antwort, die wirklich einen guten Eindruck vermittelt. Auch wenn ich jetzt in der Oberstufe nie ein Überflieger war, was ich ja schon bei einer anderen Antwort dargelegt habe, hat mich immer mehr dieses Beweisen interessiert. Ich wollte auch eher wissen, warum wird das so gemacht, wer sagt, dass das so gelten darf usw. Das liegt wohl auch daran, dass ich Philosophie gerne mag, was auch u.a. zum Studium einer Geisteswissenschaft geführt hat. Das es sehr, sehr aufwendig ist, ist mir dank dieser Antwort, aber auch anderer Informationen jetzt sehr klar geworden. Aber ich denke, dass es auch bestimmt ein super Gefühl ist, wenn man dann eine Aufgabe "geknackt" hat.

Also nochmal vielen Dankt für den bisher hilfreichsten Kommentar.

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weissnix91  16.03.2014, 13:42
@JNash

punkt 4 spiegelt genau mein erstes semester wieder xxd

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BaluDerTanzbaer  16.03.2014, 20:16
@JNash

Na, das hört sich ja eigentlich richtig gut als Eignung an.

Ich wollte auch eher wissen, warum wird das so gemacht, wer sagt, dass das so gelten darf usw.

Das wird das A und O des ersten Semesters. Das Ende vom ersten Semester ist meistens die Differentiation und Integration - ganz genau so, wie man es auf der Schule gelernt hat. Mit einem ganzen Semester formaler Vorbereitung, um dort hinzukommen :D

Mathe und Informatik lässt sich ja übrigens perfekt kombinieren.. Mach doch einfach Informatik mit Nebenfach Mathematik.. Bietet sich ja total an.. Und die Jobaussichten sind danach (als schöner Nebeneffekt) gigantisch.

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JNash 
Fragesteller
 16.03.2014, 20:25
@BaluDerTanzbaer

Das würde sehr gut aussehen. Aber ich werde mich ersteinmal in Vorlesungen reinsetzen und mal zu den Instituten gehen. Man kann nie genug Infos vor einem Studium sammeln.

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BaluDerTanzbaer  16.03.2014, 20:37
@JNash

Jo, da hast Du absolut recht ;-) Das Beste Dir noch.. bin mal schlafen ^^

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setz dich einfach mal in eine 1.-semester vorlesung und lass es auf dich wirken.

an unserer uni sind die dozenten leider recht unmotiviert und die studis in den vorlesungen sehr laut. zuhören ist da recht grausam - auch ohne verständnisproblematiken

JNash 
Fragesteller
 14.03.2014, 20:51

Okay, das werde ich auf jeden Fall tun. Sowas habe ich auch schonmal gemacht. Zumindest bei Informatik sah es (war eine Zweitsemestervorlesung) noch recht human aus. Dagegen war die Zweitsemester Mathevorlesung (war glaub Lineare Algebra II) einfach nur krass. Aber gerade weil ich nichts verstanden habe, hat es mir Spaß gemacht und ich wäre, glaube ich, motiviert gewesen, das auch verstehen zu wollen. Fands auch göttlich, wie einige Studenten während der Vorlesung eingeschlafen sind.

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Hallo, ich studiere selber kein Mathe -ich mache dieses Jahr erst das Abi und werde wahrscheinlich dann Mathe studieren-, aber ich besuche gerne Anfängervorlesungen in Bonn, um den Einstieg zu erleichtern und zu sehen, ob ich dem Studium gewachsen bin. Meiner Meinung nach ist das Mathestudium abstrakter in der Schule, du brauchst ein gutes Auge für Umformungen (ich interessiere mich nicht für die Formel, sondern die Herleitung, und wenn irgendeine komplizierte Umformung kommt und der Dozent sagt "hier kam ein trivialer Umformungsschritt, könnt ihr euch selber anschauen", ist das manchmal schon bedrückend, es ist manchmal wirklich ermüdend), und du musst viel lernen. Das generelle Verständnis, dass du zur "Kurselite" gehören musst für ein Mathestudium, ist nur halb wahr, mit ner 2 im GK oder 3+ im LK bist du gut mit drin, angeborenes Talent ist nur die halbe Miete.

Was ich dir empfehlen würde, ist, dass du einfach an eine nahegelegene Uni gehst und da Zweitsemestervorlesungen hörst. Das ist mein Geheimtip, Zweitsemester ist nicht sonderlich schwerer als Erstsemester, aber es sind nicht so viele Leute drin und es ist nicht so laut, weil die Leute gecheckt haben, dass das Studium nicht nur pure Party ist und man am besten aufpassen sollte wenn was wichtiges kommt ;)

Ich hoffe ich konnte dir damit etwas helfen :)

JNash 
Fragesteller
 15.03.2014, 01:30

Hallo,

Ersteinmal Danke für die ausführliche Antwort. Also ich hatte im Mathe LK meistens um die 7-8 Punkte, ohne was zu machen. Ich hab vielleicht ein Tag davor nochmal etwas durchgelesen, ich war einfach stinkfaul und hab nie was gemacht, weils mich nicht interessiert hat. Ich bin oft nicht in den Matheunterricht, weil ich unsere Lehrerin gehasst habe. Die hat immer zufällig Leute aufgerufen und mündliches Abitur gespielt und die jeweilige Person immer übelst zur Schnecke gemacht. Und das hab ich echt nicht ausgehalten. Habe daher auch oftmals die Hausaufgaben nicht gemacht und bin irgendwie so mitgeschwommen. Erst vor dem Abitur dann, ca. 3 Wochen, hab ich angefangen mal alles zu wiederholen und es hat dann auch Spaß gemacht und das Abitur, also die eigentliche Arbeit, hat mir dann auch Spaß gemacht, obwohl es dann auch nur eine befriedigende Note gab. Anschließend war ich mir dann nie sicher, ob ich das Zeug für ein Informatikstudium hätte und hab mit Geschichte angefangen, wobei mir das jetzt zu langweilig ist. Naja, das ist so grob die Story.

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Roach5  15.03.2014, 16:03
@JNash

Dann würde ich dir vorschlagen, einige "Populärbücher" über die Mathematik zu lesen. Das heißt nicht "Mathe für Dumme", sondern einige Bücher über die Mathematik an sich, für Leute, die sich nicht großartig mit Mathe beschäftigt haben. Im LK mit 7 oder 8 Punkten ist keine schlechte Note, aber dir können viele Grundlagen fehlen, da du meistens schnell auf präzise Ergebnisse kommen musst (ich gebe Nachhilfe, und was den meisten Leuten fehlt ist nicht das Verständnis der Aufgaben oder logische Lücken, sondern einfache Grundlagen wie Vereinfachung, manche Gesetze, die einem weiterhelfen; ohne diese Sachen machen es sich alle unnötig schwer und rechnen mit zeilenlangem Wirrwarr). Diese Bücher können helfen, zu erkennen, ob man interessiert an Mathe ist oder ob man sich in der Mathematik etwas anderes vorstellt als das, was es tatsächlich ist (es ist sehr viel anders als in der Schule).

Ich bin mir auch nicht sicher ob ich Mathe studieren soll, ich habe mich intim mit einem Mathematiker aus Freiburg unterhalten, und er hat mir das Buch "Love and Math" von Edward Frenkel vorgeschlagen. Es geht in ziemlich knifflige Themen rein, ist teilweise sehr abstrakt, trotzdem sehr schön ausgeführt, und ist im Prinzip wie ein Buch, das einem wirkliche High-Level-Mathematik erklärt, nur halt ohne die komplizierten Wege, für die man dann ein Studium oder Matheerfahrung bräuchte.

Ich weiß nicht, wie ichs erklären soll, ich habe es mir in freier Zeit einfach mal durchgelesen, er geht für Laien gut erklärt auch in tiefere Themen hinein und zeigt wunderbar, was ein Mathematiker alles so macht.

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JNash 
Fragesteller
 15.03.2014, 19:09
@Roach5

Danke, für die guten Ratschläge. Ich werde mal in das von dir vorgeschlagene Buch reinschauen. Und es stimmt vollkommen, dass es eben an so Grundlagendingen fehlt, wie alle Regeln beim Umformen von Wurzeln, Brüchen etc. vor allem, wenn alles mögliche vermischt ist, also quasi das Handwerkszeug. Gut Unimathe ist ja kein Schulmathe, aber zumindest im Abitur war eher das Problem, dass ich so Handwerkliche Sachen nicht beherrscht habe, obwohl ich wusste was bei der jeweiligen Aufgabe zu tun war.

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Jeden Monat kommen hier mehr als 12 Fragen rein zum Thema Mathe Studium, jetzt im März sind es auch schon 12. Noch bis 2008 zurück kann man die Fragen und die vielen Antworten dazu nachlesen. Ich empfehle besonders die Frage "Braucht man eine gewisse Intelligenz mit einem Mathematikstudium?" vom 24.1.2014, weil da u.a. ich geantwortet habe.

JNash 
Fragesteller
 16.03.2014, 07:55

Ja, du hast recht und ich habe mir auch bevor ich meine Frage gestellt habe, einige dieser Fragen hier, aber auch in anderen Foren durchgelesen. Aber irgendwie fühlt es sich doch besser an, wenn man selbst seine Fragen stellt, auch wenn se ähnlich oder gleich sind.

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Im Studium der Mathematik wird diese anders, viel abstrakter betrachtet als in der Schule. Ich hatte im Mathe-LK 13 Punkte im Abi, aber das Studium war richtig schwer. Ich habe 1996 Diplom gemacht, nach knapp 15 Semestern. Hätten wir mehr Klausuren schreiben müssen, hätte ich es vermutlich eher nicht geschafft. Ich arbeite jetzt in der klinischen Forschung und werte Studiendaten aus. Dazu gehören viele Statistikkenntnisse, Statistik war im Studium mein Nebenfach.