Stimmt diese Übersetzung (Latein)?


15.05.2023, 14:52

Der Text ist auch hier zu finden, falls das Bild nicht genügt: https://www.loebclassics.com/view/ovid-tristia/1924/pb_LCL151.33.xml

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Der Text ist schwierig zu übersetzen.

tulimus ist richtig als der Sache nach 1. Person Singular (der Form nach Plural) erkannt. Der Ablativus comparationis (Ablativ des Vergleichs) credibili (Bezug zu maiora) ist im Deutschen im Satzzusammenhang nicht ganz einfach auszudrücken, aber es kann wie ein Adjektiv übersetzt werden, z. B. (größer als) glaublich. habitura ist hier Akkusativ Neutrum Plural des Partizips Futur Aktiv vom Verb habere. multa(que) ist Akkusativ Neutrum Plural und (substantiviertes Adjektiv) Objekt zum Prädikat tulimus. Auf es bezogen sind maiora und habitura, es steckt auch als Subjekt im Prädikat des Konzessivsatzes (Einräunungssatzes) acciderint. „geschwächt“ ist ein Vokabelfehler, auch sollte fidem nicht als „Zuverlässigkeit“ in den Nebensatz hineingezogen werden (in der vorgelegten Übersetzung ist es noch ein zweites Mal als „Glaube“ übersetzt). Die Hilfe zu ratamque ist nicht genutzt worden (nahegelegt wird zu ratamque … non habitura fidem „nicht sicheren Glauben finden wird“) und das Wort unübersetzt geblieben. materia exsuperante ist richtig als Ablativus absolutus vermutet, bei dem vires meas als Objekt eingefügt werden kann.

Bei velim possit ist der Konjunktiv im Hauptsatz kein Jussiv („soll“), sondern ein Optativ, ein erfüllbarer Wusch der Gegenwart im Konjunktiv Präsens. Am einfachsten kann velim possit mit „hoffentlich kann“ wiedergegeben werden.

Beim Verb tegere (tegi ist davon Infinitiv Präsens Passiv)  ist eine Bedeutung „bedecken“, „verdecken“, „verbergen“, „verhüllen“, „verheimlichen“ passender als „schützen“.  meque dissimulante ist ein Ablativus absolutus. Es steckt in me ein „ich“, kein „es“.

mihi („mir“) ist ein Dativus ethicus (Dativ des Gemüts; drückt innere Anteilnahme aus) und pectus mihi kann daher auch ungefähr wie „meine Brust“ verstanden werden. ora ist hier nicht Nominativ oder Ablativ Singular von ora („Küste“), sondern Nominativ Plural von os („Mund). cum ist hier keine Konjunktion (in der vorgelegten Übersetzung Wiedergabe mit „nachdem“ versucht), sondern Präposition mit Ablativ.

Mit si ist hier ein Konditionalsatz (Bedingungssatz) eingeleitet, der Irrealis der Gegenwart ist (daher Konjunktiv Imperfekt).

Die Präposition pro bedeutet hier nicht „für“, „zugunsten“, sondern „statt“, „anstatt“. Mit spatium ist „Raum“ gemeint“, nicht „Zeitabschnitt“.

In Vers 61 ist der Akkusativ Plural nos der Sache nach ein Singular.

sideribus totis ist ein Ablativus mensurae (Ablativ des Maßes).

„Vieles habe ich ertragen, das größer als glaublich ist und, wenn es auch/obwohl es geschehen ist, nicht sicheren Glauben finden wird. Auch ist es nötig, dass ein gewisser Teil mit mir stirbt und hoffentlich, wenn ich ihn [den Teil] verschleiere/verschweige/verheimliche/verberge, verdeckt/verhüllt werden kann. Wenn die Stimme ungeschwächt/stark, die Brust mir fester als Erz wäre, und wenn ich vielfache Münder mit vielfachen Zungen hätte, umfasste ich dennoch deswegen nicht alles mit Worten, weil der Stoff meine Kräfte übersteigt. Gelehrte Dichter, schreibt meine Übel/schlimmen Dinge nieder anstatt des neritischen Anführers [= Odysseus]: denn ich habe mehr Übel/schlimme Dinge ertragen/erduldet als der Neritier [= Odysseus]. Jener ist in vielen Jahren in einem kleinen Raum zwischen dulichischen [= ithakischen] und zu Ilion gehörigen [= troianischen] Häusern umhergeirrt: mich hat das Schicksal nach Durchmessen/Durchfahren von Meeren, die um ganze Gestirne entfernt sind, an die getischen und sarnatischen Buchten getragen.“


Konstantin51382 
Fragesteller
 16.05.2023, 22:34

Danke. Du hast mir sehr geholfen! Bist du einfach durch Üben so routiniert und gut in Latein geworden?

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