Sollte Asperger als Störung abgeschafft werden?
Und dafür als Teil der Norm angesehen werden? Ähnlich wie es bei Homosexualität der Fall war?
6 Antworten
Da haben wir wieder - wie so oft - das Problem mit den "Normen".
- Wer definiert diese?
- Wer legt sie fest?
- Wer überwacht diese?
- Wer legt fest, was passiert, wenn man "nicht in der Norm" liegt?
Tatsächlich haben wir in den Jahren 1933 bis 1945 ganz deutlich zu Gesicht bekommen, was es bedeutet, einer Norm festzulegen, und beurteilt zu werden, ob man dieser Norm entspricht oder nicht.
Die Rassenbiologen und -Hygieniker haben einen regelrechten Kult damit getrieben - weswegen Personen des öffentlichen ihre Krankheiten und eben auch die Homosexualität verbergen mussten.
Nun sind einige Jahre ins Land gegangen und man hat zumindest den Homosexuellen-Paragraphen abgeschafft in der BRD.
Nun ist es aber so, dass Asperger in den Bereich der Autismus-Spektrum-Störungen fällt. Dabei handelt es sich um eine ganze Sammlung von Syndromen, welche eben "nicht der Norm" entsprechen. Welcher Norm nur?
Ein extrem schwieriges Thema, ich weiss, welches man vor allem niemals abschliessend ethisch beurteilen wird können.
Allerdings mache ich mir persönlich das ganz einfach: Für mich sind alle Menschen gleich!
Wenn jemand sagt, er sei Autist oder habe Asperger dann halte ich es mit der Aussage einer mir bekannten Mutter eines Autisten, welche mir sagt: "Das Gehirn eines Autisten ist nun einmal anders verschaltet, als unseres. Es funktioniert eben anders."
Und "Anders" ist eben nicht krank - sondern eben einfach nur anders. Und damit ist ein Mensch mit Asperger eben doch nur eines:
EIN MENSCHDennoch ist es für mich vollkommen in Ordnung, wenn Autismus-Spektrum-Störungen als Krankheiten behandelt werden - denn nur so können Menschen mit diesen Syndromen zu Hilfen kommen, welche ihrer "Andersartigkeit" gerecht wird.
Übrigens: ANDERS bedeutet nicht: Falsch, Unrichtig, Krank ... nur um das noch einmal darzulegen.
Autismus ist eine neurologische Entwicklungsstörung (oder um es besser auszudrücken: eine Form der Neurodiversität/Neurodivergenz), die auch eine neurologische Behinderung sein kann - Das muss jeder Autist für sich selbst entscheiden.
Eine Entwicklungsstörung ist keine Krankheit und nicht jede Behinderung ist eine Krankheit.
Somit hätten wir schon mal geklärt, dass wir Autisten nicht an unserem Autismus erkrankt sind, vollkommen egal, ob wir das nun als "Störung" oder nicht beschreiben.
Es stimmt allerdings, dass Autismus viel, viel weniger - nein, gar nicht - pathologisiert gehört. Heißt unter anderem: Verhaltenstherapie bei Autismus bis auf sehr wenige Ausnahmen abschaffen, da diese meistens zum Masking führen und sämtliche Forschungen einstellen, die versuchen, eine Heilung für uns Autisten zu suchen. Stattdessen dafür sorgen, dass echte Barrierefreiheit existiert (Geht vielleicht für körperlich und geistig Behinderte noch relativ "einfach" - und selbst da stellen sich manche Leute, Firmen, Institutionen usw. an -, aber bei Autisten hört es komplett auf, weil es da wesentlich komplexer ist. Und nein, dass IT-Firmen uns gerne einstellen, zählt nicht. Dazu könnte ich auch noch so einiges schreiben, aber lassen wir das).
ABA-Therapy ist z.B. eine Form - eine der beliebtesten Formen, besonders in den USA - von Verhaltenstherapie, die leider sehr oft für autistische Kinder verwendet wird. Kinder, die ABA durchmachen mussten, haben ein viel höheres Risiko, PTBS zu bekommen, als Kinder, die das nicht mussten. Die ABA-Therapy ist nichts anderes als Gay Conversion Therapy.
Da Autismus leider noch nicht bei so vielen nicht als Krankheit gesehen wird oder generell als etwas, was einfach nicht geheilt werden muss, springen da nicht so viele Leute auf, wie bei der Gay Conversion Therapy. Bei uns ist es etwas "Gutes", denn unser Autismus ist etwas "Schlechtes". (Und Gay Conversion Therapy ist ebenfalls absolut schrecklich und widerlich - Dass mich da ja niemand falsch versteht. But so is aba-therapy.)
Und das gilt für alle anderen Therapieformen, die versuchen, autistisches Verhalten zu minimieren oder es wenig auffällig werden zu lassen.
Hier ein paar nette Quellen:
Ich zitiere aus Quelle 7 mal etwas, was ich sehr wichtig zu verinnerlichen finde und bei dem ich glaube, dass das sehr viele neurotypische und allistische Leute, die sich eine Heilung für uns Autisten wünschen, nicht zu realisieren scheinen:
Autism is part of my identity. It is not a disease, it is not an affliction, it is part of who I am. A cure mindset exists as the violent opposite to this reality. It is based on the belief that I am not entitled to my own body, a neurotypical is. It is based on the belief that my mind is not legitimate, but a neurotypical’s would be. It is based on the belief that my DNA is a bastard in my own body, a squatter to be kicked out so the proper tenant can take his place.
Quelle 8 <- Diesen Artikel/Blog finde ich besonders gut und er spricht mir an vielen Stellen aus der Seele.
Autismus als genau das selbe wie Homosexualität anzusehen ist jedoch auch nicht ganz korrekt. Homosexualität (bzw. LGBTQ+ generell) ist keine Behinderung. Klar, Dinge wie Homophobie und Transfeindlichkeit können einen stark einschränken, doch genau so schränkt Ableismus (Behindertenfeindlichkeit) uns Autisten und so viele andere Behinderte ein. Der Unterschied ist, dass absolut keiner, der LGBTQ+ angehört (nicht unbedingt der Community, aber der halt trans, homosexuell, bisexuell, asexuell usw. usf. ist), sagen würde, dass seine sexuelle Orientierung oder so ihn behindert. Das würde niemand sagen, oder? Umgekehrt würden viele Autisten sagen "Kein Ableismus mehr, richtige Unterstützung, Akzeptanz, Barrierefreiheit etc. würden mir enorm helfen, aber bei gewissen Dingen würde mich mein Autismus trotzdem behindern." - Zu diesen Leuten gehöre auch ich. (Es hat gedauert, bis ich da einen Mittelweg finden konnte, zwischen "ich bin krank", "mein Autismus beeinflusst rein gar nichts daran, wer ich bin, wie ich bin, wie ich denke, fühle, lerne, interagiere, an meinen Problemen etc.", "mein Autismus ist keine Behinderung", "Behinderungen sind schlecht" usw. hinzubekommen. Und ich habe das Gefühl, als bin ich noch immer nicht ganz da, wo ich sein will, allerdings auf dem richtigen Weg.)
Aber nur weil wir behindert sind/sein können (Again: muss jeder Autist für sich entscheiden, geht mich nichts an), heißt das nicht, dass wir von einer Heilung profitieren würden, gäbe es sie denn. Es heißt sehr oft noch nicht einmal, dass wir eine Heilung wollen (würden).
Das Problem ist nicht, dass Autismus eben objektiv betrachtet nicht Teil der Norm ist. Das Problem ist, dass dies nicht von allen akzeptiert wird. Natürlich ist Autismus nicht die Norm und das ist in Ordnung. Es als die Norm zu betrachten würde vielen Autisten - auch mir - wichtige Hilfen wegnehmen. (In meinen Fall mein SBA.) Wie willst du argumentieren, dass Autismus die Norm wäre bzw. als die Norm angesehen werden sollte, wenn dadurch viele ihre Unterstützung verlieren (SBA, Nachteilsausgleich, Pflegestufe, Schulbegleiter usw.) würden - denn wer nicht behindert ist, braucht das alles ja nicht - und wenn Autismus ein Gehirntyp ist, der eben nicht so häufig vorkommt? Weit weniger als der neurotypische Gehirntyp. Denkst du nicht, dass wenn Autismus die Norm wäre - nicht nur so angesehen werden würde, sondern es auch wirklich so ist -, dass wir Autisten dann wesentlich weniger mit Ableismus zu kämpfen hätten? Mit Fehlinformationen? Mit Grenzüberschreitungen? Mit Ausgrenzung, Mobbing, Missverständnissen? Mit all den ignoranten, ableistischen Leuten, die eine Heilung für uns suchen und wollen? Die das als etwas Positives sehen, das befürworten? Denkst du nicht, dann würde hier auf diesem Planeten nicht viele Dinge ganz anders laufen? Gewisse soziale Normen hätten sich dann nie so stark entwickelt.
Es wäre sehr gut, wenn die Leute endlich nur noch von "Autismusspektrumstörung" sprechen würden und "Asperger" ganz tief in der Versenkung verschwände.
ASS kannst du absolut nicht mit Homosexualität vergleichen.
Das erste ist eine neuronale Störung und das zweite eine sexuelle Gesinnung.
Nein. Denn es gibt nun einmal Sachen die nicht als normal angesehen werden sollten.
Nein sollte es nicht.
Was wäre den der Vorteil für die Asperger-Betroffenen ?
Träum weiter - wir Autisten sollen also praktisch unseren Autismus verleugnen, damit ...
Ach nee halt Stop!
Das mit dem Verleugnen macht der Großteil der Autisten doch schon jetzt, damit sich gewisse Neurotypische nicht anstrengen müssen.
Nennt sich Masking, was wir Autisten machen, um nicht wegen unserer "Eigenarten" diskriminiert zu werden.
Es würde ihr Selbstvertrauen stärken und sie würden weniger Diskriminiert werden, weil sie ja normal sind.