Sind Raum und Zeit gegeneinander verschiebbar?

4 Antworten

Hallo Comajo,

ich fange mal mit dem Haupttext der Frage an, wo es m.E. eher um Trennung von Raum und Zeit geht:

...während ich bei Zeit ohne Raum an verschränkte Quanten denke.

Verschränkte Quanten sind eher "Raum ohne Zeit" als umgekehrt. Wenn Du z.B. ein Spin-0-Teilchen in 2 Spin-½- Teilchen zerfallen lässt sie räumlich trennst und dann die Spin- Orientierung entlang einer bestimmten räumlichen Achse misst und dabei +½ herauskommt, weißt Du automatisch, dass eine Messung am anderen Teilchen entlang einer parallelen Achse −½ ergeben muss, und zwar egal, wann die Messung erfolgt.

Ich stelle mir Raum ohne Zeit so vor, dass derselbe Punkt im Raum von mehreren Massen "gleichzeitig" belegt sein könnte,...

Ich würde mir unter "Raum ohne Zeit" eher eine Art Standbild wie in Michael Endes Momo vorstellen – alles steht still. Allerdings ist das ein recht mechanistisches Bild, das nicht berücksichtigt, dass selbst Licht mit Zeit zu tun hat; es gäbe also gar nichts zu sehen.

Dass sich Körper nicht gleichzeitig an derselben Stelle befinden können, hängt auch damit zusammen, dass sie aus Spin-½- Teilchen zusammengesetzt sind; solche Teilchen, auch Fermionen genannt, können nicht am selben Ort im selben Zustand sein. Andere Teilchen, die Bosonen, können sich ungestört überlagern.

Das Thema, das Du in der Überschrift erwähnst, scheint mir aber ein anderes zu sein als "Raum ohne Zeit" oder "Zeit ohne Raum":

Sind Raum und Zeit gegeneinander verschiebbar?

Das kommt darauf an, was Du damit meinst. Es ist natürlich möglich, durch den Wechsel des Bezugssystems, also des Koordinatensystems, in dem Du rechnest, aus einer Kombination aus zeitlichem und räumlichem Abstand zwischen zwei zeitartig getrennten Ereignissen E₁ und E₂ einen rein zeitlichen Abstand machen (und umgekehrt):

Stell Dir ein Raumfahrzeug B mit ausgeschaltetem Antrieb vor, das Du als ruhend ansiehst. Von einem markanten Punkt auf B aus, z.B. der Borduhr, definieren wir ein Koordinatensystem Σ mit der Weltlinie der Borduhr als Zeitachse.

Ein anderes Raumfahrzeug B', ebenfalls mit ausgeschaltetem Antrieb, zieht mit dem Tempo v in x-Richtung von Σ an B vorbei. Wenn nun E₁ und E₂ beide in derselben Position relativ zu B' stattfinden, haben sie den räumlichen Abstand Δx = vΔt. Dabei ist Δt = t₂ − t₁ die von B aus ermittelte Zeitspanne zwischen E₁ und E₂, die B- Koordinatenzeit.

In einem von B' aus definierten Koordinatensystem Σ' sind E₁ und E₂ jedoch gleichortig, sie finden am selben Ort statt, und zwar im zeitlichen Abstand Δt' = t'₂ − t'₁, die von der Borduhr von B' aus ermittelt wird und die mit der von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessenen Zeitspanne Δτ, der Eigenzeit, übereinstimmt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
Comajo 
Fragesteller
 20.12.2023, 14:28

Herzlichen Dank! Deine Antwort hilft mir sehr beim Denken! Ich bin von einer Zeitdilatation ausgegangen, die ein Zusammenziehen des Raumes zur Folge hätte (oder umgekehrt) und stelle mir eine Dilatation gegen Unendlich vor bei einer Krümmung gegen O, was beides mathematisch wahrscheinlich sowenig geht, wie Masse Lichtgeschwindigkeit erreichen kann. Von Mathe verstehe ich allerdings wenig. Könnte es aber sein, dass unser Universum darauf zusteuert, indem ihm die Zeit vergeht und nur noch Raum übrig bleibt: Dunkel und regungslos ?

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SlowPhil  20.12.2023, 22:12
@Comajo
Ich bin von einer Zeitdilatation ausgegangen, die ein Zusammenziehen des Raumes zur Folge hätte ...

Ich mag die Wörter "Zeitdilatation" und "Längenkontraktion" nicht, weil ich sie für irreführend halte. Stell Dir eine Straße vor, die alle 50m einen Leitpfosten hat und 8m breit ist.

Stell Dir nun vor, Du gehst einen Weg entlang, der die Straße etwa in einem 37°-Winkel von links nach rechts schneidet. Dann würdest Du schon alle 40m einen Leitpfosten der Straße passieren (von denen einer zugleich 30m weiter links liegt als der vorige). Wenn Du die erste Straße in diesem Winkel, senkrecht zum Weg, überquerst, musst Du 10m statt 8m zurücklegen.

Kein Mensch würde von einer "Längenkontraktion" und einer "Breitendilatation" sprechen. Die 40m sind halt nur eine Koordinatendifferenz, die 50m sind der richtige Abstand.

...und stelle mir eine Dilatation gegen Unendlich vor bei einer Krümmung gegen O, was beides mathematisch wahrscheinlich sowenig geht, wie Masse Lichtgeschwindigkeit erreichen kann.

Nein. Dass etwas gegen Unendlich bzw. Null geht, ist immer möglich.

Von Mathe verstehe ich allerdings wenig.

Schade, denn man kann mit ihr Dinge viel kürzer ausdrücken als in Worten. Ich hoffe, Du verstehst trotzdem, was ich als Formeln schreibe.

Könnte es aber sein, dass unser Universum darauf zusteuert, indem ihm die Zeit vergeht und nur noch Raum übrig bleibt: Dunkel und regungslos ?

Irgendwann wird Zeit wohl keine Rolle mehr spielen, weil alle Vorgänge des Kosmos sich eeeewig hinziehen; dies allerdings ist nicht Zeitdilatation.

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Nein, das ist nicht möglich. Die Raumzeit ist nicht auftrennbar. Du kannst nicht einfach eine Dimension streichen.

Mit Quanten hat das nichts zu tun.

Comajo 
Fragesteller
 19.12.2023, 15:24

Sind sie auch nicht gegeneinander verschiebbar, so dass eine Zeitdilatation zu einer Raumverkürzung führe?

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Jede Zeitmessmethode basiert auf Erkennung von wie auch immer gearteten Veränderungen im Raum, der Materie, Energie. Zeit ohne diese Verknüpfung kann es nicht geben, macht zumindest keinen Sinn. Man kann ja auch nicht eine der (bekannten) Raumdimensionen vor den anderen trennen.

Was wir mathematisch, physikalisch "trennen" ist aber real untrennbar, ohnehin nur ein winziger Teilaspekt des Gesamtuniversums.

Comajo 
Fragesteller
 19.12.2023, 15:25

Real untrennbar? Können wir das wissen?

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CatsEyes  19.12.2023, 16:04
@Comajo

Dann versuche, mir zu erklären, wie man z. B. Raum und Zeit real trennen könnte. In einem Raum ohne Zeit hört jegliche Bewegung doch auf: Brownsche Bewegung, Licht, Elektronenbewegung um Kerne, und und und... samt unseren Gedächtnissen und Universumsexpansion samt Gravitation.

Da wäre ich jetzt mal gespannt...

Sinngemäß ebenfalls Trennung der Raumdimensionen.

Alle Dimensionen sind Hilfsmittel zur Beschreibung, deswegen noch lange nicht reale Einzelkomponenten. Denke ich mal "still" vor mir hin. 😉

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Es gibt Theorien mit Lokalität (ohne die "spukhafte Fernwirkung"), wie die spezielle Relativitätstheorie) und Nichtlokalität (mit "spukhafter Fernwirkung"), wie die Quantentheorie. Erwartungsgemäß gibt es an der Schnittstelle, wo beide aufeinandertreffen, Verwerfungen und Widersprüche, deren Aufklärung Gegenstand aktueller und zukünftiger Forschung sind. Über die Quantengravitation weiß man noch zu wenig, um experimentell abgesicherte Aussagen machen zu können.