Radfahren Bergauf und Bergab

8 Antworten

Es ist nicht eine Frage derselben Steigung alleine. Der Luftwiderstand ist riesig und bei langer Bergabfahrt wirst eine bestimmte höchstgeschwindigkeit erreichen und dann geht alle Potentiale Energie in den Luftwiderstand. Es ist also egal ob du 1Km oder 12Km bergab rollst, die Endgeschwindigkeit ist dieselbe. Somit ist es egal ob du am Beginn des bergabs in die Pedale trittst oder nicht. Der Unterschied ist nur relevant für ein Radrennen weil du auch oben Sekunden gewinnen kannst. Außerdem ist nach bergab vor bergauf ein sanfter Übergang ins flache und dann erst wieder ins bergauf sonst bleibst in der Ecke mit dem Rad hängen ;-). Und da macht es Sinn durch treten die Geschwindigkeit möglichst hoch zu halten (ohne außer Atem zu kommen denn den brauchst später wieder) um das Bergauf energieeffizient zu beginnen.

Ich nehme an, die Frage ist hier rein physikalisch gemeint, also unter Vernachlässigung von Verkehrslage und Verkehrssicherheit. Außerdem vernachlässige ich hier einmal den Luftwiderstand (Dazu fehlen mir hier die Daten), um die Sache zu vereinfachen. Keine Berücksichtigung findet hier auch die ergonomische Beanspruchung (organische Muskelleistung) bei unterschiedlichen Drehmomenten ("ohne Gangschaltung"). Sonst müsste man die jeweils optimale Übersetzung annehmen oder ein ganz bestimmtes Übersetzungsverhältnis. Das ist aber unerheblich für die rein mechanische Untersuchung.

Unter Vernachlässigung des inneren (im Fahrrad) und äußeren (Rollreibung an Straße) Reibungswiderstandes würde das Fahrrad nach freier Talfahrt voll den Gipfel des zweiten Berges erreichen. Praktisch muss aber Arbeit zur Überwindung der Reibung zugeführt werden über die Pedale. Das geschieht grundsätzlich günstiger bei der Aufwärtsfahrt, weil dabei die durchschnittliche Geschwindigkeit und somit auch die gesamte Reibungsarbeit reduziert wird.

"Ist es sinnvoller bergab oder bergauf in die Pedalen zu treten?"

Welche Bedeutung hat 'sinnvoll' hier? Wenn du gern den Rausch der Geschwindigkeit geniessest, dann solltest du bergab voll treten. Wenn dir ein Herzinfarkt droht, dann solltest du bergauf langsam gehen. Wenn du möglichst lange leben willst, dann bergab langsam fahren, sogar bremsen. Wenn du ein Rennen (Bergetappe) gewinnen willst, musst du die Kräfte richtig verteilt einsetzen. Das bedeutet, bergab nur unterschwellig, wenn überhaupt, zu treten, da bei hoher Geschwindigkeit die Widerstände hoch sind, der Energie- und Kraftverlust entsprechend.

"Wie nutze ich meine Energie am effizientesten?" Bergab laufen lassen.

Dann kommt noch die Frage nach der Kraft. Ohne Schaltung läufst du Gefahr, nicht mehr hoch zu kommen. Deshalb eventuell Schwung holen in der Abfahrt, d.h. nachtreten kurz vor dem Aufstieg.

Durch die Reibung wirst Du Energie verlieren. Je schneller Du fährst, desto Höher ist der Verlust. Also rollen so weit es geht, dann treten.

In einer idealen Welt ohne Reibung? Da solltest Du überhaupt nicht treten, mit dem Schwung vom ersten Berg schaffst Du es gerade eben auf den zweiten, jegliches Treten wäre sinnlos, da Du auf dem zweiten Gipfel ohnehin anhalten und Brotzeit machen möchtest.

In einer halbrealen Welt mit Reibung, aber ohne Luftwiderstand? Die Reibung (das gilt auch für die Reibungsarbeit! Nur die Leistung ist bei höherer Geschwindigkeit höher) ist - im Gegensatz zum Luftwiderstand - weitgehend unabhängig von der Geschwindigkeit, wäre also egal, wann Du in die Pedale trittst. Aber ohne Gangschaltung besser nicht dann, wenn Du ohnehin schon hohe Geschwindigkeit hast, denn bei zu hoher Trittfrequenz verbrätst Du die Energie hauptsächlich innerhalb Deiner Muskeln und bekommst kaum noch was auf die Pedale.

Ganz real, mit Luftwiderstand? Lass' es solange rollen, bis Du auf "normale" Geschwindigkeit abgebremst bist, und fange dann an, zu treten. Vorher zu treten erhöht Deine Geschwindigkeit und damit die Verluste durch den Luftwiderstand.


Torretto  02.01.2012, 13:19

Sehrgut, die Antwort hätte ich auch gegeben!

TomRichter  02.01.2012, 18:17
@Torretto

Danke.

Wenn Du diese Antwort für zutreffend hältst, solltest Du durch einen Daumen-hoch mithelfen, dass sie bei den ersten in der Liste angezeigt wird.

grunwalski  15.07.2015, 13:40

Wie sieht denn der Einfluss der Gravitation aus? Ich bin ein ziemlich schwerer Radfahrer mit 120kg. Bergab rolle ich z.B. immer deutlich schneller, als leichtere Mitfahrer. Und das auch schon nach wenigen Metern auch bei geringem Gefälle. Die Quittung dafür serviert mir die Physik dann aber bei Steigungen...

Auf einer Strecke, bei der ich auf einem Gefälle sehe, dass wieder eine Steigung folgt, trete ich kräftig in die Pedale und erreiche so eine deutlich höhere Geschwindigkeit, als ich es auf ebener Strecke schaffen würde. Mit diesem Schwung kann ich - je nach höhe der Folge-Steigung - entweder ein Stück oder die gesamte Strecke bergauf rollen lassen und muss der Erdanziehung weniger Höhenmeter abringen. 

Liege ich denn so falsch, mit meinem Gefühl, dies sei der effizientere Weg als mich nur Rollen zu lassen und dafür eine längere Strecke bergauf fahren zu müssen?

TomRichter  20.07.2015, 22:52
@grunwalski

> 120kg. Bergab rolle ich z.B. immer deutlich schneller, als leichtere Mitfahrer

Durch Deine große Masse kommt bei Dir der Luftwiderstand weniger zum Tragen als bei einem leichteren Fahrer. Trotzdem gilt auch für Dich: Je schneller Du fährst (z.B. durch Treten beim Bergab-Fahren), desto mehr Energie schluckt die Luftreibung.

> Liege ich denn so falsch, mit meinem Gefühl, dies sei der effizientere Weg als mich nur Rollen zu lassen

Kommt auf die Definition von "effizient" an. Du musst bei Deiner Methode auf jeden Fall mehr Energie aufbringen, unter diesem Aspekt ist sie also weniger effektiv.

Aber vielleicht stört Dich das gar nicht, und die Erholungsphase während der Bergabfahrt würde Dir viel nützen helfen als die zusätzlichen Meter, die Du mit dem vermehrten Schwung schaffst. Dann kann es tatsächlich sinnvoll sein, bergab 10 kJ zu strampeln, um dafür bergauf 5 kJ weniger treten zu müssen.

Aber solange Du kein Rennen fährst, ist es auch dann besser, nicht während der gesamten Bergabfahrt zu treten, sondern erst  so weit vor deren Ende, dass Du ca. 10% unter der Geschwindigkeit bleibst, die Du mit von-Anfang-an-treten erreicht hättest.