Pro und contra argument über versailler vertrag?

5 Antworten

LiebeR Hebae,

der Versailler Vertrag war, wie man in Deutschland in der Zwischenkriegszeit in meinem Verständnis zu Recht sagte, ein sogenannter "Diktatfrieden", das heißt also ein absolut einseitiger Vertrag, der nicht in erster Linie Frieden schaffen, sondern den Verlierer bestrafen sollte. Deutschland wurde die alleinige Schuld am Krieg gegeben, obwohl alle Staaten schon lange am Aufrüsten waren und Österreich den Krieg mit Serbien begonnen hat, obwohl Serbien auf ein eigentlich völlig unannehmbares Ultimatum eingegangen war, um den Frieden zu erhalten. Wenn also jemand "allein schuldig" war, dann die österreichisch-ungarische Generalität, die den Krieg wollte, um die Unabhängigkeitsbestrebungen der Slawen auf dem Balkan unterdrücken und verhindern zu können, dass Waffen von Serbien nach Bosnien geschmuggelt wurden - was, wie sich später herausstellte, sogar stimmte...

Aber okay, Deutschland hatte den Krieg verloren und bedingungslos kapituliert, die militärischen Kräfte waren am Ende, die Front zusammen gebrochen, die Ressourcen aufgebraucht. Das alles nutzten die Alliierten aus, um - entgegen dem von den Vereinigten Staaten und ihrem Präsidenten Wilson geforderten "Selbstbestimmungsrecht der Völker" einseitige Bedingungen zulasten der Deutschen durchzudrücken. So mussten Gebiete mit mehrheitlich deutscher Bevölkerung an Litauen, Polen, Dänemark, die Tschechoslowakei, Belgien und Frankreich abgetreten werden. Österreich, das selbst Teil Deutschlands werden wollte, wurde die Vereinigung verboten, weil man fürchtete, dass Deutschland dann zu stark werden würde.

Man entwaffnete Deutschland beinahe vollständig. Die Kriegsflotte musste abgegeben werden, schwere Waffen (Artillerie, Panzer) ebenso. Das Heer durfte nicht mehr als 100.000 Mann unter Waffen haben. Das Rheinland wurde von den Alliierten besetzt und das Haupt-Industriegebiet des Reiches, der Ruhrpott, unter internationale Verwaltung gestellt, um die absurd hohen Reparationen einsammeln zu können, die Deutschland zu zahlen hatte, um die Alliierten für ihre Verluste im Krieg zu entschädigen. Teilweise musste man auf andere Rohstoffe wie Holz ausweichen. Aus diesen Grund gibt es in Deutschland so viele reine Nadelwälder, weil Kiefern einfach viel schneller wachsen konnten, als Laubbäume.

Im Übrigen stimmt es nicht, dass die Alliierten nie bei einem Vertragsbruch in Deutschland einmarschiert sind. 1923-25, als die deutsche Produktion durch die Inflation zusammenbrach, marschierten Frankreich und Belgien im Ruhrgebiet ein und zwangen die Fabriken, mehr zu produzieren. Erst nach einen Generalstreik der Arbeiter zogen sie wieder ab.

Für das politische System Deutschlands enthielt der Versailler Vertrag keine genauen Bestimmungen, anders als 1949 bei der Abfassung des Grundgesetzes. Man übernahm im Wesentlichen das System mit einem starken Staatsopberhaupt, wie es der Kaiser gewesen war, schwächte aber den Föderalismus und stärkte das Parlament - was damals aber vor allem eine Forderung der Sozialdemokraten und Liberalen war, um sich gegen das starke Staatsoberhaupt durchsetzen zu können. Die Regierung wurde z.B. zum ersten Mal dem Parlament gegenüber verantwortlich.

Als einziges Pro-Argument kann man eventuell gelten lassen, dass Deutschland kurz zuvor bereits einen ähnlich einseitigen Knebelvertrag mit Russland geschlossen hatte. Lenin wollte einfach nur Ruhe haben und war daher zu allem bereit. Er überließ Deutschland den ganzen Westen Russlands, also Polen, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, die Ukraine, Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Ich persönlich halte aber nichts davon, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und das dann für gerecht zu halten...

Liebe Grüße

Sören

earnest  07.04.2017, 10:24

Nein, Soeren, Deutschland wurde NICHT die Alleinschuld zugesprochen.

Schau bitte selbst, Artikel 231:


Dass D aber ein gerüttelt Maß an Schuld trägt, belegt unter anderem die berühmt-berüchtigte "Blankovollmacht", die Ö-U gegeben wurde.

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SoerenRB  07.04.2017, 14:22
@earnest

Es ist aber sehr wohl vom "Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten" die Rede. Deutschland ist also der Urheber des Krieges, Österreich-Ungarn nur ein "Verbündeter".

Und ja, natürlich hat der Blankoscheck der Reichsleitung Österreich-Ungarn bestärkt. Das bedeutet aber nicht, dass Deutschland für den Angriff auf Serbien verantwortlich ist. Nach der Annahme des Ultimatums erklärte man im Gegenteil, es gäbe keinen Grund mehr für einen Krieg.

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earnest  07.04.2017, 16:58
@SoerenRB

Das steht aber nicht so in Artikel 231. Deswegen habe ich ihn hier eingestellt.

Der Artikel macht keinen Unterschied zwischen D und Ö-U.

Der Mythos von der D aufgedrückten "Alleinschuld" ist offenbar sehr hartnäckig.

P.S.: Das erklärte nicht "man" - das erklärte nachweislich der Kaiser. Offenbar zum Missfallen derjenigen in der Reichsleitung, die sich darüber hinwegsetzten.

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pacman66  10.04.2017, 02:10

1. Wie bereits jemand angemerkt hat, gibt es keinen Konsens über die Kriegsschuld. Vielmehr muss hier auf die Fischer-Kontroverse verwiesen werden. Und der Name sagt schon alles: es ist eine Kontroverse.

2. Sie sind teilweise der dt. Propaganda nach dem Kriege aufgesessen. Sowohl die an Polen zurückgehenden Bereiche, wie auch der nördliche Teil Schleswigs, der Großteil Schlesiens und Elsaß-Lothringen wollten nicht deutsch sein und waren vor allem lediglich Gebiete, die die Deutschen in vorigen Kriegen an sich gerissen hatten -- und nun, in einem anderen Krieg wieder verloren. Die belgischen Gebiete wollten sowieso zu Belgien gehören. Wie es um die afrikanischen Kolonien stand ist wohl klar. 

(Und später waren die Österreicher doch froh, ein eigenes Land zu bilden und wollten sich klar von den Deutschen trennen (:)

Außerdem hat man Ihnen leider einen Bären aufgebunden, als es um die Reparationszahlungen ging. Diese waren nicht hoch und mitnichten eine enorme Belastung, die die Deutschen fast zum Hungertod zwang. Vergleicht man die Zahlungen mit dem Pro-Kopf-Einkommen der Deutschen, dann erkennt man eine Belastung zwischen 1.69% und 3.24% in den Jahren 25-30. Und das ist nun wirklich keine Katastrophe, insbesondere wenn man sich vor Augen führt, welche Zerstörungen die Deutschen in Belgien oder Frankreich verursacht hatten -- dafür sollte natürlich Deutschland zahlen! Zudem kommt, dass Deutschland die Reparationszahlungen mittels Geld, welches aus dem Ausland geliehen wurde, "abstotterte" (Rückzahlungen davon wurden dann abgelehnt). Darüber hinaus: Deutschland konnte sein Vermögen in der Zeit deutlich erhöhen und litt nicht an Kapitalmangel.

3. Der Versailler Vertrag war ein Desaster, aber in bezug auf Deutschland wurde er aus dem Grund zum Desaster, dass man die im Vertrag festgelegten Regelungen nicht durchgesetzt hat. So konnte das Reich aufrüsten etc, eben weil es nichts zurückzahlen musste.

4. Nicht wegen des Versailler Vertrages, sondern wegen des exzessiven Nationalismus in Kombination mit einem Glauben an die Doktrin des Merkantilismus kam es zum 2. Weltkrieg. Der Gewinn neuen "Lebensraums" war das deutsche Ziel -- und wäre es auch gewesen, hätte es einen anderen Vertrag gegeben. Die Deutschen (die ganze Welt) glaubten jedes Land müsse autark sein. Die Deutschen sahen, dass ihr Land nicht autark überleben könnte. Die Deutschen betrachteten sich als stark genug, sich den Lebensraum zu nehmen, um autark überleben zu können (s. auch Dolchstoßlegende). Und sie scheiterten -- aber die Nazis waren, innerhalb dieser falschen Annahmen, konsistent. (Anders als die Sozialisten z.B.)...

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Contra:

Man machte Deutschland dadurch noch gefährlicher, weil man durch Demütigung (alleinige Kriegsschuld) Demontagen, Besetztung, Inflation nahezu die gesamte Bevölkerung gegen sich brachte, und weil man es zulies, dass der Zentralstaat noch stärker wurde und anstatt nur Preußen zu zerschlagen, den gesamten föderalistischen Ansatz der Bismarckschen Verfassung quasi in die Bedeutungslosigkeit führte. Die Reichsregierung wurde so militärisch und politisch erst in die Lage versetzt, für sich alleine wieder einen Krieg vorzubereiten.


Pro: 

Da fällt mir so auf die Schnelle nichts ein, denn die Demokratisierung war schon z.B. durch die vorrevulutionären Oktoberreformen der Reichsverfassung, und die Verfassungsreform vom 02.November 1918 in Bayern zu repräsentativen parlamentarischen Monarchie mit allgemeinen, geheimen und gleichen  (Frauen)Wahlrecht in Gang gesetzt.

Es war wirklich kein Vertrag auf Augenhöhe, sondern ein erzwungener, nicht durchdachter und zu harter Vertrag.


Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – und vor allem Lebenserfahrung

Weißt du, was der Versailler Vertrag ist? Weißt du was da geregelt wurde?

Jetzt frag dich mal, ob das gut war oder nicht, was das für Folgen haben könnte und was tatsächlich die Folgen waren.

Contra wenn man nicht unterschreibt wird in deutschland einmaschiert, pro eig. Keine andere möglichkeit

Linuxaffiner  07.04.2017, 02:17

Als Hitler die Versailler-Verträge brach, ist aber niemand einmarschiert. Das hat niemanden interessiert. 

LA

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Levii22  07.04.2017, 03:05

da war deutschland auch nicht mehr kurz vor dem zusammenbruch

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