Meine Oma redet den Sozialismus der DDR gut. Hat sie recht?

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Im Alter verklärt sich einiges und vor allem haben viele dann ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, wohingegen andere Dinge wie Reisefreiheit, usw. zurücktreten. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit wurde in der DDR tatsächlich in mehrfacher Hinsicht durchaus erfüllt.

Also ich würde es eher so einschätzen, dass deine Oma einfach ihre Jugend in der DDR verbracht hat. Die Jugend bzw. jungen Jahre werden im Nachhinein überwiegend (nicht immer) als schöne Zeit wahrgenommen. Selbst wenn betreffende Leute in Armut oder in schwierigen Verhältnissen aufwuchsen.

Als Einzelperson konnte man natürlich auch in DDR glücklich sein. Wir müssen uns das nicht so vorstellen, dass alle Menschen immer gelitten haben oder sowas.

Aber auch deine Oma wäre wahrscheinlich lieber in der BRD aufgewachsen, hätte sie damals um alle Einzelheiten gewusst und die freie Entscheidung gehabt.

Nicht allen Menschen ging es dort schlecht.

Wer mit der Ideoligie klar kam, keine Kritik am Regime äußerte, hatte ja keine Gründe in den Klonflikt mit der Staatsgewalt zu kommen und muste daher auch keine Angst vor Abhöraktionen oder ähnlichem haben. Je nach dem wie sehr man sich für andere interessiert, war es einem dann ggf. einfach egal, dass sie eingesperrt wurden. Dass man sie auch gefoltert und ermordet hat, wussten viele normale Leute auch nicht sicher.

Ich bin (deutlich nach Mauerfall, im Westen) in einem Dorf aufgewachsen, viele meiner Mitschüler leben dort noch heute, viele unter 10 Minuten Fußweg vom ehemaligen Elternhaus entfernt. Von einer Person weiß ich, sie ist wie ich 30, dass das weitereste was sie je von zu Hause weg war, durch Klassenfahren war, ansonsten nur bis zur nächsten Stadt und selbst das extrem selten, teils jahrelang gar nicht. Menschen die so sind, wäre Reisefreiheit usw. auch total egal gewesen.

Wer weiß wie ihr Lebensstil war, wie gut die Familie ausgestattet war und wie hoch ihre Familie in der Partei war, ob sie also ggf. Mittel hatten an Mangelwaren ranzukommen, aber ggf. hat sie da auch einfach nichts vermisst. Früher war es normal, weniger Dinge zu haben. Wer bis zu 10 Jahre (!) auf eine Wohnung warten musste, ggf. als junges frisch verheiratetes Paar mit Kinderwunsch mit in enger Wohnung der Eltern, sah das sicher anders als jemand vom Dorf, der einfach im großen Elternhaus bleiben konnte mit genug Platz und ggf. einfach was angebaut hat, wenn genug Material da.

Zudem ist die Frage, wie alt sie ist, mit was sie es also vergleicht. Mit heute oder dem Krieg/den Nachkriegsjahren...

Die Mutter eines Bekannten, die nicht mehr studieren durfte, weil sie sich in der Schule "parteikritisch" geäußert hatte, sieht das anders. Sie meinte selbst, sie war rückwirkend froh, dass nicht ihre genaue Wortwahl wiedergeben wurde in der Anzeige, dafür hätte sie im Knast landen können, nur weil eine Jugendliche eben Fragen hatte. Ja, auch sie hatte viele schöne Zeiten in ihrer Kindheit, das lässt sie aber auch rückwirkend nicht über die unfairen Dinge und Grausamkeiten hinwegsehen. Da sie dörflich aufwuchs, hatte sie immerhin keine Probleme mit Lebensmittelengpässen, selbst wenn der Transport mal wieder gestört war oder es wegen schlechter Ernte wenig gab, sie saßen ja an der Quelle.

Also ja, natürlich war nicht alles dort schlecht, aber einiges. Wovon die Menschen eben mehr oder weniger betroffen waren. Wer ein recht gutes Leben hatte, verdrängt so Dinge wie Tötungen von andersdenkenden eben gerne, war ja nicht ihr Problem.

Es kann ja sein, dass sie ein zufriedenes privates Leben in der DDR hatte, dass sie keine größeren Ansprüche hatte und mit den problematischen Seiten selbst wenig in Kontakt gekommen ist.

Menschen hatten halt ihre Jugend in der DDR und einzelne private Erlebnisse, die ihre schönen Erinnerungen sind.

Da muss man ja nicht gleich politische Grundsatzdiskussionen aufdrücken.

Viele Menschen hatten in der DDR ein gutes Leben. Wer einen Garten hatte und dadurch genug Obst und Gemüse selbst anbauen konnte und kein Problem mit der Politik hatte, dem ging es nicht schlecht. Es ist auch nicht jeder überall überwacht worden und wenn doch wussten sie es nicht. Ärgerlich war das die Menschen nicht Urlaub machen konnten wo sie wollten. Wer heute kein Geld hat kann das aber auch nicht. Ich kenne selbst mehrere ältere Leute die sich die Sicherheit der DDR zurück wünschen, bezogen auf keine Arbeitslosigkeit, niedrige Mietpreise und niedrige Preise für Grund Nahrungsmittel.


Losona  13.01.2025, 11:42

Die Frauen waren im Osten wie im Westen oft mit Haushalt und Kind beschäftigt, mit ihnen besprach man keine Politik, und sie wurden von klein auf bräver und unmündiger gehalten und kamen so mit den Ecken des Systems einfach weniger spürbar in Berührung. Ob sie in der BDR oder der DDR dem Gatten hinter geputzt hat, hat sicher kaum einen Unterschied gemacht...