Komisches Gefühl beim beten?

5 Antworten

Grüß Dich B2OBA

Ich möchte Dir einen Umstand zur Kenntnis geben, der Dir zwar möglicherweise sehr unangenehm sein könnte, aber Dir doch hilft die psychologischen Mechanismen zu durchschauen und möglicherweise Dich in den Stand versetzt, dass Du die Konsequenzen daraus ziehen kannst. Immerhin ist aus Deiner Aussage zu schließen, das Du leidest. Du kannst die Gründe Deines Unwohlseins beim Beten nicht erkennen, aber es gibt doch einen Grund dafür. Und das ist nicht mit ein paar wenigen Sätzen gesagt. Vielleicht solltest Du Dir ein wenig Zeit nehmen und das hier durchlesen. Es könnte Dir helfen!

Erich Fromm, der ein wenig in Vergessenheit geratene aber mit allem Recht als berühmten deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker, Philo­soph und Sozialpsy­chologen zu bezeichnen, hat sich mit diesem Thema sein Leben lang beschäftigt und schreibt darüber:

Zitat:

Erich Fromm.

Auszug aus „Psychoanalyse und Religion“.

"Gemäß autoritärer Religion ist Gott das Symbol von Macht und Stärke, er (Gott) ist über alles erhaben, weil er die überlegene Macht besitzt und der Mensch ist im Gegensatz dazu vollkommen ohnmächtig.

Humanistische Religion hingegen bewegt sich um den Menschen und seine Stärke. Der Mensch muss seine Kraft der Vernunft entwickeln, um sich selbst, seine Beziehung zum Mitmenschen und seine Stellung im Universum zu verstehen. Er muss die Wahrheit erkennen, sowohl hinsichtlich seiner Grenzen, als auch seiner Möglichkeiten. Er muss seine Kräfte der Liebe für andere, aber auch für sich selbst, zum Wachsen bringen und muss die Solidarität mit allen lebenden Wesen erfahren. Er braucht Prinzipien und Normen, die ihn zu diesem Ziele führen.

Religiöse Erfahrung bei dieser Art von Religion heißt Erfahrung des Einsseins mit dem All, gegründet auf der Bezogenheit zur Welt, wie sie jemand in Denken und Liebe erfasst. Das Ziel des Menschen in einer humanistischen Religion besteht darin, seine größte Stärke, nicht seine äußerste Ohnmacht zu erreichen; Selbstverwirklichung ist Tugend, nicht Gehorsam. Glaube bedeutet Sicherheit der Überzeugung, die auf jemandes Erfahrung im Denken und Fühlen aufbaut, nicht aber die Annahme von Lehrsätzen, aufgrund der Achtung vor dem, der sie vorgibt. Die vorwiegende Stimmung ist Freude, während sie in autoritären Religionen in Leid und Schuld besteht.

Während Gott in einer humanistischen Religion das Bild des höheren Selbst des Menschen ist, ein Symbol dessen, was der Mensch potentiell ist oder werden sollte, wird er in einer autoritären Religion zum einzigen Besitzer dessen, was ursprünglich dem Menschen gehörte: seiner Vernunft und seiner Liebe. Je vollkommener Gott wird, desto unvollkommener wird der Mensch. Er projiziert das Beste, was er hat, auf Gott und schwächt sich auf diese Weise selbst."

Je mehr Du also betest und um seine Hilfe oder um Vergebung für etwas bittest, umso mehr überträgst Du Deinen eigenen Dir innewohnenden Kräfte auf ihn und wirst immer leerer.

Wieder Erich Fromm

"Nunmehr ist alle Liebe, alle Weisheit, alle Gerechtigkeit bei Gott, und der Mensch ist dieser Eigenschaften beraubt, ist leer und arm. Er hatte mit einem Gefühl der Kleinheit begonnen, nun aber ist er völlig ohnmächtig und schwach. Alle seine Kräfte hat er auf Gott übertragen".

Die Frage ist also: wie kommst Du da heraus? Das geht nur wenn Du, wenn man schon das Wort Gott verwendet was ich persönlich vermeide und vom Göttlichen spreche und daher anders auffasse, nicht außerhalb von Dir suchst, sondern in Dir. Das Göttliche sind Deine eigenen Kräfte, Dein Antrieb, Dein Lebenswillen und die daraus resultierende Motivation dafür.

Indem Du diese eigenen Kräfte stärkst und wenn es sein muss Hilfe bei anderen Menschen suchst die dir Hilfer zur Selbshilfe geben, um so naöher bist du Gott bzw. dem Göttlichen näher. Je mehr Du Dich in dieser Richtung entfaltest, um so besser wird es dir gehen, ganz gemäß des Eingangstextes von Erich Fromm über humanistische Religion.

Bedenke es gut und hilf Dir selbst. Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott, das ist eine bekannte Formel. Ich verstehe sie so, dass sie an die selbst­schöpferischen Kräfte in uns appelliert, die uns stärken können und das wir diese Stärke uns auch gegenseitig angedeihen lassen sollten.

Diese schöpferische Kraft scheint mir der wesentlichste Antrieb zur Selbstliebe zu sein sein undversetzt damit den Menschen in den Stand, die Welt überhaupt lieben zu können. Diese Selbst­liebe, die nicht mit einem negativ besetztem Egoismus oder gar Egozentrik zu verwechseln ist, halte ich daher Erich Fromm folgend, für die eigent­liche Got­tes­liebe. Der Mensch glaubt dabei an die schöpfe­rische Kraft in sich und die er auch ja selbst verwirklicht und ihn zum göttlichen macht. Er wirkt somit der Entheiligung seiner selbst entgegen.

Herzlichen Gruß

Rüdiger

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
vonGizycki  22.02.2020, 11:40

B2OBA

Korrektur: ... um so mehr bist Du Gott bzw. dem Göttlichen näher.

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als hätt ich keine lust dazu...ist das normal/schlimm?

Und ob das normal ist - du wirst jetzt erst normal.
Wahrscheinlich "arbeitet" du Gebete als Pflicht ab womöglich noch mit fertigen Texten.
Ganz abgesehen davon, daß solches "Beten" dir nichts nutzt (Gott braucht ja dein Beten nicht), ist solches auch garnicht gefordert.
Jesus (wenn du Christ bist) hat sich darüber ausgelassen , in welchen Sinne und wie richtig zu beten ist.
Auf die Masse kommt es nicht an sondern auf die Gesinnung.
Und diese kann man auch pflegen ganz ohne Abarbeiten von Texten.

Dieses Gefühl kenne ich zu gut.

Es war der Anfang der Erkenntnis, was ich mir insgeheim schon im Kindergartenalter gedacht habe, was ich aber dann aber erst mit 15 Jahren mir getraut habe auszusprechen.

Man findet alle Erklärungen nur in der Wissenschaft und Religionen(nicht eine spezielle sondern alle, die sich der Mensch ausgedacht hat) sind wunderschöne Märchen, aber der Glaube an einen oder mehrere Götter beruht auf einer Lüge, weil es einfach keinen Gott/Götter gibt.

Versteh mich nicht falsch. Es gab Mohammed, der behauptet, er wäre der Prophet Allahs. Nur gibt es Allah nicht, also kann er auch nicht sein Prophet sein.

Es gab auch einen Mann namens Jesus, der Predigte und der von sich behauptete, er wäre Gottes Sohn. Er war von jemanden der Sohn und er hat gepredigt. Aber Gott war nicht sein Vater, weil es Gott nicht gibt.

Alle handelnden Figuren der Bibel haben mehr oder weniger genau so existiert. Auch Handlungen haben mehr oder weniger so stattgefunden. Nur wurden sie aufgebauscht, damit gedacht wurde, es käme von was göttlichem.

Für die sieben Plagen gibt es zum Beispiel ganz rationale und wissenschaftliche Erklärungen.

Vielleicht wird dir ja langsam klar, dass deine Gebete von niemandem gehört werden? Ein erster, völlig korrekter Ansatz in Richtung Atheismus. :

vonGizycki  22.02.2020, 11:47

profanity

Soooo einfach ist das auch wieder nicht. Es bleibt die Frage: Welcher Atheismus? Denn Atheismus und Atheismus ist nicht dasselbe. Da gibt es Unterscheidungen die gravierend sind.

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profanity  22.02.2020, 12:59
@vonGizycki

Danke, das weiß ich. Ich bezeichne mich als Antitheisten. Ich lehne jeglichen Glauben an Götter und Religionen strikt ab. Diese Märchenwesen sind für mich ebenso wenig existent wie der Weihnachtsmann, Elfen, Kobolde und Einhörner.

Ich halte mich an wissenschaftliche Fakten, die messbar und berechenbar sind und logische, nachvollziehbare Muster besitzen. Ich bevorzuge die Urknalltheorie und die Evolution, die mir deutlich plausiblere Erklärungen für die Entstehung des Universums und des Lebens liefert, als es der Glaube an mystische, außerirdische Zauberer jemals bewerkstelligen könnte.

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profanity  22.02.2020, 13:05
@vonGizycki

PS: deine philosophischen Ausführungen zu Erich Fromm kann ich gut nachvollziehen und kann sie in dieser Form akzeptieren.

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vonGizycki  22.02.2020, 13:59
@profanity

Da bin ich völlig mit Dir einverstanden, aber im Zusammenhang mit Religion zählt das nicht besonders, denn der Urknall ist die Folge eines dahinterliegenden Phänomens. Wir kennen diese Ursache nicht und dennoch verdanken wir diesem Umstand unsere Existenz. Denn gäbe es diesen Grund nicht, dann gäbe es auch kein Sein. Es lohnt sich aber trotzdem darüber zu philosophieren (Metaphysik) Und es gibt eine Menge zu sagen. Auch Metaphysisch ist eine Synthese religiöser Auffassung und wissenschaftlicher Erkenntnis möglich. Diese Sythese findest Du in meinem Profil unter Religiosität - aber wie? Dort ist ein Link. Als Philosoph habe ich mich eindringlich seit vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigt.

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profanity  22.02.2020, 17:56
@vonGizycki

Naja, nicht kennen ist nicht wirklich richtig. Wissenschaftlich betrachtet können wir ziemlich sicher von einer Anfangssingularität ausgehen, bei der es durch eine zufällige Ungleichgewichtung zur Expansion kam. Innerhalb einer Singularität divergiert die Raumzeit, d. h. sie ist unendlich. Somit erübrigt sich auch die Frage nach dem "Vorher", denn das gab es nicht. Erst mit der Expansion entstanden Raum, Zeit und Materie/Energie.
Zu Anfang war das Universum noch so heiß, dass es sich nur in Quarks und Gluonen teilte. Daraus entstanden die ersten Neutronen und Photonen, die sich verbanden und die ersten leichten Elemente bildeten. Sie legten den Grundstein für die Naturgesetze. Das waren die ersten drei Minuten nach Beginn der Expansion.

Und es hat immerhin fast 10 Milliarden Jahre gedauert, bis dass unser Sonnensystem entstand. Ich betrachte das Ganze weniger philosophisch, als vielmehr als das Produkt einer zufälligen Kausalität. Und nein, das ist kein Widerspruch, denn was erstmal da ist, folgt einer gewissen Kausalität. Dass es aber überhaupt erst entsteht, ist reiner Zufall.

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vonGizycki  22.02.2020, 18:27
@profanity

Naja, was heißt schon Singularität. Als religiöser Atheist würde ich das religionsphilosophisch so ausdrücken. Es muss als ersten Grund (Urgrund) im Sinne von Aristoteles und dem unbewegten Beweger, - was kein Geistwesen meint was irgendetwas erschaffen hat sondern ledigliche eine logische Schlussfolgerung ist-, etwas gegeben haben, das unbeschreiblich ist aber daher auch als ein Nichts bezeichnet werden könnte. Er könnte sogar als ein Nichts aufgefasst werden, weil es absolut keine Beschreibung bzw. keine beweisbare Erkenntnis darüber gibt, was vor dem Urknall war. Dabei ist es an dieser Stelle wichtig zu wissen, dass es philosophisch unterschiedliche Interpretationen vom Nichts gibt und um das zu begreifen, braucht es nicht ellenlanger Vorkenntnisse über die Geschichte der Philosophie. Vereinfacht gesagt reicht der Begriff Nichts von der Vorstellung eines absoluten Nichts, was bedeutet, das aus Nichts auch nichts entstehen kann, - also das Unmögliche, - bis hin zu dem Begriff Nichts, das als Nichtsein aufgefasst wird und meint, das zwar ebenfalls nichts ist, aber aus dem etwas werden kann, - also das Mögliche. Letz­teres ist mir gedanklich am sympathischsten und erscheint mir am wahrscheinlichsten, wenn wir über den Anfang des Seins philosophieren. Denn es ist klar, es ist ja etwas und nicht nichts! Wäre es da nicht erlaubt, diesem Nichts als Nichtsein ein schöpferische Trieb- oder Treibkraft hin zum Sein zuzuschreiben? Und müsste sie im Urgrund nicht zumindest als Möglichkeit (Potential) zur Entfaltung geruht haben und dann mit dem Urknall wirksam wurde? Was dieser Urgrund im Detail ist, da ergehen sich Wissenschaftler in Spekulationen über etwas, was im Letzten nicht beschreibbzu diesem Punkt aber nur auf anderem Wege decken sich die Erkenntnisse von Religionsphilosophie und Wissenschaft, nur eben unterschiedlich beschrieben.

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profanity  22.02.2020, 18:59
@vonGizycki

Eine Singularität ist alles andere als Nichts. Im Grunde ist jedes schwarze Loch im Universum eine Singularität. Zwar nicht so wie die Anfangssingularität, aber das Prinzip ist das selbe.

Eine schöpferische Kraft würde voraussetzen, dass da etwas war, was sich Gedanken über etwas hätte machen können. Wie auch immer das geartet sein soll. Da wir aber wissen, dass sowohl Zeit, als auch Raum und Materie/Energie (Letzteres ist gleichzusetzen, daher der Schrägstrich) erst beim Urknall entstand und alle drei äquivalent sind - also ohne Zeit keinen Raum keine Materie/Energie und umgekehrt - kann es kein "Vorher" geben und somit auch nichts, was sich hätte Gedanken machen können, ein Universum zu kreieren. Alles andere wäre ein logischer Widerspruch. Eine Singularität denkt nicht, sie reagiert nur.

Meine Ausführungen basieren auf Draygombs Paradoxon, das u. a. hier nachzulesen ist und noch etwas genauer erklärt, warum ein Schöpfergott (oder -wesen, -kraft oder wie auch immer) nicht existieren kann:

https://www.philoclopedia.de/2016/06/12/draygombs-paradoxon/

Den Ursprung der Philosophie finden wir im antiken Griechenland und in Indien, ca. 500 Jahre vor christlicher Zeitrechnung. Natürlich haben sich die Menschen auch vorher schon Gedanken gemacht, aber Philosophie, wie wir sie heute verstehen, entstand etwa zu dieser Zeit.

Aus den oben angeführten Gründen sehe ich keine Deckungsgleichheit zwischen Religion und Wissenschaft.

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vonGizycki  22.02.2020, 19:27
@profanity

Eine Singularität ist alles andere als Nichts.

Ich habe unterschieden zwischen Absolutem Nichts und dem Nichts als Nichtsein. Ich bitte das zu beachten. Philosophie heißt auch selbst denken und baut zudem auf vorher Gedachtem auf.

Eine schöpferische Kraft würde voraussetzen, dass da etwas war, was sich Gedanken über etwas hätte machen können.

Das behauptest Du. Ich habe das nicht behauptet. Aber wenn etwas entsteht, dann wird etwas erschaffen, durch was und wie auch immer. Wir wissen es einfach nicht! Aber damit meine ich KEINEN!! planenden Geist der sich Gedanken gemacht hat. Das hatte ich bereits ausgeführt und hattest Du wohl überlesen. Das etwas ist und nicht nichts, das wirst Du wohl nicht leugnen können.

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Habe ich auch. Du willst es nicht machen, aber gemacht haben.

Zwing dich einfach dazu. Irgentwann verschwindet es von selbst.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
vonGizycki  22.02.2020, 11:52

DrJoey

Du willst tatsächlich behaupten, dass er wenn sich zwingt, sein schlechtes Gefühl los wird? Das ist fern von jeglichem konstruktiven Ratschlag und nimmt ihn nicht ernst und missachtet seinen Zustand! Der Ratschlag dürfte sogar destruktiv sein und das gerade deswegen.

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