Könnte ein grosses Passagierflugzeug auch mit einen Hubkolbenmotor angetrieben werden?

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Klar könnten sie das, wurde früher ja auch gemacht. Strahltriebwerke haben aber bedeutende Vorteile. Zum einen sind Sie bei hohen Geschwindigkeiten und in großen höhen deutlich effizienter. Effizienz ist so ziemlich der wichtigste Faktor. Um die gleiche Leistung wie mit einem Strahltriebwerk zu generieren, müssten die Motoren enorm groß sein, wären schwer und wären damit nicht wirtschaftlich nutzbar in einem Flugzeug.

Ein normaler Kolbenmotor kann theoretisch jede beliebige Leistung erreichen. Es gibt aber Grenzen der Wirtschaftlichkeit und gerade beim Flugzeug wichtig, der Haltbarkeit. Normale Verbrennungsmotoren eignen sich für spezielle Flugzeugtypen. Aber eben nicht für ein großes Passagierflugzeug, was mit 800-900 km/h möglichst schnell und günstig von A nach B kommen soll und dabei die maximale Raumausutzung bieten kann.

Nein. Die leistungsstärksten Serien-Hubkolbenmotoren erreichten "nur" 3160 kW/4300 PS (P&W R-4360) bzw. 3460 kW/4700 PS (Schwezow ASch-2K). Mag sein, daß es einige nicht in Serie gebauten Typen gab, die noch mehr Leistung hatten.

Das Problem bei Hubkolbenmotoren ist

  • dass sie ein viel ungünstigeres Verhältnis aus erzeugter Leistung und Eigengewicht haben als moderne Turbofan-Strahltriebwerke, Letztere dürften pro Kilo Eigengewicht mind. 10-20x so viel Vortriebsleistung erzeugen wie Hubkolbenmotoren
  • Das Leistungsgewicht von großen Hubkolbenmotoren der viermotorigen Bomber im 2. Weltkrieg war so schlecht, dass bereits der Ausfall eines einzigen Motors während des Startvorgangs zur Katastrophe führen konnte, während moderne zweistrahlige Verkehrsjets beim Ausfall einer Turbine enfach lässig wegsteigen
  • Mit Hubkolbenmotoren lassen sich nur Propeller antreiben, deren Wirkungsgrad bei Geschwindigkeiten über 600 Km/h sinkt, während der Wirkungsgrad von Turbofan-Triebwerken oberhalb dieses Geschwindigkeitsbereichs steigt
  • In Hubkolbenmotoren befindet sich eine Unzahl von mechanischen Teilen, die aufeinander reiben oder aneinander stoßen, was die Pannenwahrscheinlichkeit vervielfacht: Kolben, Kolbenringe, Pleuel, Pleuellager, Kurbelwellenlager, Nockenwellen oder Nockenringe, Stößel, Kipphebel, Ventile, Einspritzpumpen, mechanische Höhenlader, Turbolader. Kurz: sie sind ein mechanischer Alptraum
  • In modernen Turbofan-Triebwerken findet dagegen Reibung praktisch nur in den Lagern der zentralen Wellen statt, der Fan und die Turbine selbst laufen komplett berührungsfrei, was ihre überlegene Zuverlässigkeit, Wartungs-freundlichkeit und Langlebigkeit über Tausende von Flugstunden erklärt.
  • Hochleistungs-Hubkolbentriebwerke mit hohem Verdichtungsverhältnis und hohem Ladedruck durch mechanischen Lader bzw. Turbolader benötigen zur Erzielung ihrer hohen Leistung Avgas-Flugbenzin mit möglichst hoher Oktanzahl, früher teils mit 130 Oktan, der das zur Oktanzahlerhöhung das besonders umweltschädlichem Blei-Tetra-Ethyl enthält.

Das bedeutet aber nicht, dass Hubkolbenmotoren in Einzelaspekten nicht auch ihre Vorteile hätten:

  • die phänomenalen Verbrauchswerte von 3 Litern pro Passagier und 100 Kilometer bei gleichzeitig irrsinniger Geschwindigkeit haben ihre Ursache u.A. in der enormen Größe der Fan-Triebwerke, die dadurch ein unfassbar großes Verdichtungsverhältnis von bis zu 50:1 erreichen (zum Vergleich: PKW-Dieselmotor ca. 16:1), was ihren Wirkungsgrad enorm steigert.
  • Je kleiner ein Strahltriebwerk ist, desto geringer sein Verdichtungsverhältnis und desto höher dadurch sein Verbrauch. Je geringer die geforderte Leistung, desto eher spielen Hubkolbentriebwerke ihren Verbrauchsvorteil aus.
  • Daher verfügen die kleineren Militärdrohnen in der 100-PS-Klasse über Rotax 912 Benzinmotoren oder zwischen 100 und 200 PS über Dieselmotoren.
  • Je weniger Leistung Strahltriebwerke abgeben, desto geringer ihr Verdichtungverhältnis und desto schlechter ihr Wirkungsgrad. Die Concorde verbrauchte so bereits beim Anrollen zum Start zwei Tonnen Treibstoff.
  • Der Wirkungsrad von Hubkolbentriebwerken steigt dagegen, wenn sie mit reduzierter Leistung laufen. Das macht sie besonders geeignet, wenn eine möglichst lange Flugdauer gefordert ist, siehe die unbemannte Drohnen.
  • Hubkolbentriebwerke mit mechanischem Höhenlader und/oder Turbolader verlieren in geringer Luftdichte, z.B. bei sehr hoch gelegenen Flughäfen, prozentual weniger Leistung als Strahltriebwerke.
  • Das Höhenforschungsflugzeug GROB G 850 bekam so mit einer Art Hybrid-Antrieb aus herkömmlichen Boxer-Kolbenmotoren und Flugzeugturbinen:

Grob G 850 – Wikipedia

Die Wahl fiel auf Ottomotoren, da diese verglichen mit Dieselmotoren und Strahltriebwerken den geringsten spezifischen Luftverbrauch haben. Im Unterschied zu Diesel- und Strahlantrieben verbrauchen Ottomotoren mit ihrem Verbrennungsluftverhältnis λ (Lambda) gleich 1 den gesamten zugeführten Sauerstoff. Diesel- und Turbinenantriebe arbeiten mit Luftüberschuss, wobei Turbinenantriebe in der Regel etwa 70 % des zugeführten Sauerstoffs nicht nutzen können, da sonst die Turbinenschaufeln durch zu hohe Temperaturen beschädigt würden. Für einen Dieselmotor mit einer vergleichbaren Höhenleistung hätten wegen des höheren Luftbedarfs (λ ≈ 1,4) die Verdichter der Lader und die Ladeluftkühler deutlich größer konstruiert werden müssen. Hinzu kommt das bauartbedingte Mehrgewicht von Dieselmotoren. Ein Turbinenantrieb für die projektierte Flughöhe hätte in niedrigeren Höhen stark gedrosselt werden müssen, was die Verwendung von überdimensionierten Triebwerken und Einbußen bei der Effizienz bedeutet hätte.[6]

Um in der großen Einsatzhöhe von bis zu 24 Kilometern die Luftversorgung der Motoren zu gewährleisten, wurde die Luft sowohl mit Turboladern als auch mit je einen Nieder- und Mitteldruckverdichter aus einem Turboprop-Triebwerk Pratt & Whitney PW127 komprimiert. Diese Verdichter mit eigener Antriebsturbine dienen in den Turboprop-Antrieben als Gasgeneratoren für die freilaufende Nutzturbine, die aber in der Strato 2C nicht eingebaut wird, da der erzeugte Gasstrom abgeleitet und den Verdichtern der Turbolader zugeführt wird, die als dritte Laderstufe (Hochdruckverdichter) fungieren. Die Antriebsturbine der Nieder- und Mitteldruckverdichter wird mit den Abgasen der Kolbenmotoren angetrieben, das nach Passieren des Turboladers in die Turbinensektion des PW127 geleitet wird.[6] Die Verdichterleistung wird mittels eines Bypass-Ventils geregelt.[3] Das Abgas wird dann durch ein Auspuffrohr aus der Motorgondel geführt, wobei durch Expansion in 24 km Höhe noch ein Zusatzschub von 12 % des Propellerschubs erzeugt werden kann. Wegen der geringen Luftdichte in der maximalen Einsatzhöhe und wegen des hohen Verdichtungsverhältnisses der Ladeluft von bis zu 1 || 45 sind in den großen Motorgondeln außer den Antriebs- und Verdichterkomponenten voluminöse Wärmetauscher für die Wasser-, Öl- und Ladeluftkühlung untergebracht.[6] All diese Maßnahmen sollten eine Volldruckhöhe von 24 km[6] und eine Dienstgipfelhöhe von 26 km[3] ermöglichen.

War früher sogar völlig normal.