Karl Barth - Religion ist Unglaube?

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hierbei muss man sehr fein unterscheiden !!!

a) der Glaube an Gott

b) die Religion

.....und damit hat Barth Recht gesprochen.

Es gibt in der Bibel keinen Hinweis auf eine Religion oder deren Praktizierung. Es gibt nur den Glauben an Gott. Das was dann in den einzelnen Kirchen oder gar Sekten kreiert wurde, muss nicht zwingend mit Gott zu tun haben, oder gar gottgewollt sein. 

Ich darf da nur an den Paradeunsinn im Mittelalter erinnern:

Wenn der Taler im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.

Suuuper Idee. Die Kirche machte sich fein die Tasche voll, und beging darüber hinaus die Anmaßung, dass der Weg ins Paradies käuflich war. Wenn man soetwas als Unglaube bezeichnet, dann findet es meine volle Unterstützung.

askingyou22 
Fragesteller
 05.12.2015, 10:14

Es gibt also einen Unterschied zwischen beispielsweise dem täglichen Beten vor dem Essen - als Zeichen für seine Religion - und dem täglichen Handeln, dem Vollbringen von guten Taten oder diversen anderen Dingen, dem Spüren das Gott bei einem ist und sich einem Offenbart auf ganz individuelle persönliche Weise? 

Kurz gesagt, wenn man irgendwelche Rituale der Kirche verfolgt und sich deshalb als gläubig bezeichnet ist das falsch und Barth zufolge Unglaube? Wenn man aber glaubt mit Gott in Verbindung zu stehen, seinen eigenen Weg gefunden hat die Offenbarung Gottes zu spüren so kann man sich gläubig bezeichnen? 

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MatzeMuk  12.02.2023, 12:26
@askingyou22

Genau, alles wo wir uns von Glauben an Gott abwenden kann religiös aussehen aber es ist eben doch Unglaube. Zb an Schutzengel/-heilige die wir uns ins Auto hängen oder als Kette tragen: sie verdeutlichen Zweifel daran dass Gottes Geist in uns lebt. In uns ist er näher als jedes Schmuckbildchen. Auch das Gebet durch einen menschlichen Mittler (Maria/Beichtvater...) zeigt Unglaube gegenüber Gott: Wenn bspw mein Opa im Sterben liegt und mit seinem eigenen Mund nichtmehr gut beten kann helfe ich natürlich gern. Aber kann ich mit gleichem _Herzen_ beten wie er selbst während es für seinen Leib zuende geht? Er selbst mag zwar seine Lippen weniger gut bewegen können aber was auf seinem Herzen ist wird er im stillen doch besser direkt transportieren können. Der Gott, der so auf 1 Sünder hofft dass er 99 Gerechte Schafe warten lässt wird von uns verkannt wenn wir versuchen durch heiligere Vermittler zu ihm zu beten. Er hat für Sünder, Zöllner, genau für uns 99 Sprechstunden und anstatt dieses große Angebot anzunehmen quetschen wir unsere Anliegen in die eine Stunde die er sich für heilige Menschen reserviert hat. So erscheinen _wir_selbst_ nie vor ihm und erfahren seine gute Fürsorge und Liebe nicht. Für Sündenablass Geld zu bezahlen kommt einer solchen religiösen Unglaubenshandlung nah. Der Mensch hofft eher auf das Geld was er in Händen hat und eine andere Person während Glaube an Gott bedeutet menschliche Konzepte und Gewohnheiten zu überwinden und den unsichtbaren Gott zu erkennen.

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1988Ritter  06.12.2015, 10:37

Vielen Dank für die Auszeichnung.

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Wie versteht ihr seine Aussage?

Ihr liegt eine Unterscheidung von Religion und Glaube zugrunde, die meist so dargestellt wird:

  • In Religion versucht der Mensch, Gott oder das Gute (Unsterblichkeit, Nirwana, ...) durch eigene Anstrengung (gute Werke, Fasten, Meditation, ...) zu erreichen.
  • Beim (christlichen) Glauben geht es aber darum, dass Gott den Menschen erreichen will und dem Menschen die Erlösung geschenkt wird.

Wenn du diese Begrifflichkeit akzeptierst, dann ergibt sich die Aussage von Karl Barth als logische Folge daraus.

Und wenn du öfter auf GF Fragen anschaust, die mir Religion oder dem christlichen Glauben zu tun haben, dann wirst du auch Leute finden, die ähnlich argumentieren.

Wie lässt sich dieses Zitat auf das evangelische, katholische und orthodoxe Christentum übertragen?

Auch Christentum kann zu Religion im oben genannten Sinn werden. Für lutherisches Christentum hat das mal der norwegische Bischof Ole Hallesby in seinem Buch "Christentum kontra Religion" erläutert (die deutsche Übersetzung wurde auch unter dem Titel "Warum ich nicht religiös bin" veröffentlicht). Da bin ich als junger Mensch zum ersten Mal dieser Sichtweise begegnet.

Aber grundsätzlich finde ich es besser, die Worte so zu benutzen, wie sie allgemein gebraucht werden.

helmutwk  06.12.2015, 11:02

Sehe gerade, das das von Diimitrii gebrachte Zitat die Position Barths besser erläutert als meine Antwort.

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Joh 3,8 Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.

Wie will man einen solch windigen Gesellen zur religiös-moralischen Praxis katholisch-christlicher Kirchengeschichte (z.B.) bringen?

Schon als Christus eben nicht seinen Lieblingsjünger die Kirchengründung übergab, sondern dies dem Petrus antrug [Mt 16,18], dessen Verzagtheit legende wurde, zeigte sich etwas Signifikantes. Denn auch heute können so manche christlichen Kirchen sagen: "Ihr (Leicht-)Gläubigen, ich kenne ihn nicht." [vgl. Lk 22,57]

Da der Glaube - übrigens auch in anderen Glaubensrichtungen - immer etwas Individualisierendes an sich hat, lehrt uns Gott auch folgendes:

Röm 14,22 Den Glauben, den du hast, behalte bei dir selbst vor Gott. Selig ist, der sich selbst nicht zu verurteilen braucht, wenn er sich prüft.

Also streitet nicht über die Bartfarbe oder ob ER Mann oder Frau wäre. Denn das Alpha und Omega sprach: Ich [bin der Vater], ich bin die Mutter, ich bin der Sohn. Ich bin der Unbesudelte und Fleckenlose.

Deswegen saß Jesus gelegentlich auch mit Sündern und Zöllnern zusammen! [Mt 9,11]

Wikipedia:

"Der berühmte Paragraph 17 von KD I/2 (1937) fasst Barths Religionskritik an der über 1700-jährigen Fehlentwicklung des Christentums, die im Versagen gegenüber der Hitlerdiktatur unübersehbar wurde, in dem Satz zusammen: Religion ist Unglaube. Denn nur Gott selbst könne von Gott reden. Seine Souveränität, die „von oben“ in die heillos in-sich-verschlossene Selbstrechtfertigung und Bilderfabrik des Menschen einbreche, blieb das Leitmotiv. Aber Gott habe in der Geschichte Jesu Christi schon sein endgültiges Ja-Wort zum Menschen gesprochen: Im Licht dieser exklusiven Rechtfertigungstat sei diese unerlöste Welt doch schon mit Gott versöhnt. Indem das unausweichliche Gericht des Kreuzes die vom religiösen Menschen produzierten Nicht-Götter als Verleugnung Gottes aufdecke, diene es der Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zum freien und frohen Dienst an Gottes Geschöpfen (Barmer These I)."


Meine Interpretation:

Der Satz wurde scheinbar im Zusammenhang mit Hitlers Kulturschöpfer/Kulturträger/Kulturzerstörer Modell gebracht. Das Christentum hat sich nicht gegen Hitler aufgelehnt, obwohl "Gott" vor 2000Jahren seinen Sohn geopfert hat um alle Menschen auf Ewigkeit von ihren Sünden zu befreien, demnach gibt es keinen Unterschiedlichen Wert von Menschenleben egal an was sie glauben (hier Juden). Das Christentum hätte also seiner Meinung nach eingreifen müssen. Hat dies aber nicht getan. Somit glauben Christen eigentlich die Vergebung Gottes durch die Kreuzigung, aber lassen trotzdem Massenweise Menschen töten, obwohl ihnen ja vergeben ist und sie somit nicht verfolgt werden dürften, weil sie einer anderen Religion angehören. 

Ich lese daraus eine Kritik an der Doppelmoral der Christlichen Kirche. Sie glauben an die absolute Befreiung von Sünden, aber sehen dann tatenlos zu wie Menschen aufgrund ihres Glaubens umgebracht werden. 


Kann auch sein, dass ich absolut falsch liege. Aber so oder so ähnlich würde ich es interpretieren.

askingyou22 
Fragesteller
 05.12.2015, 10:16

Ist auf jeden Fall eine sehr interessante Interpretation :) vielen Dank dafür!

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helmutwk  06.12.2015, 11:00

Kann auch sein, dass ich absolut falsch liege.

Ne, absolut falsch liegst du da garantiert nicht. Barth war ja mit der "Bekennenden Kirche" verbunden (die die von Barth verfassten Barmer Thesen als Bekenntnis aufnahmen), und wurde deshalb von den Nazis ausgewiesen. Die Kritik richtete sich also nicht an die Kirche insgesamt, sondern an die von den DC beherrschte offizielle Kirche, aber auch an solche, die irgendwo zwischen BK und DC standen.

Und 1937 war der Holocaust noch nicht angelaufen, es ging also (noch) nicht darum, dass Leute wegen ihrer "Rasse" (auch getaufte Juden wurden vergast!) umgebracht wurden, sondern "nur" um Diskriminierung, Entwürdigung, Ausgrenzung aus der Gesellschaft etc. Bzw. um "einzelne" Morde an Juden oder politischen Gegnern (immerhin schon Hunderte).

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Ich glaube beispielsweise an den Gott, der sich uns m. E. in der Bibel offenbart und bin davon überzeugt, dass die die Bibel das ist, was sie von sich selbst behauptet, zu sein: Gottes wahres Wort und Offenbarung für die Menschen (vgl. 2. Timotheus 3,16; 2. Petrus 1,21).

Ob man das als Religion bezeichnen kann, weiß ich nicht genau. Mir ist es nicht wichtig, was christliche Kirchen und Gemeinden lehren, da häufig viele eigene Lehren und Traditionen zu finden sind. Wichtig ist mir, alles anhand der Bibel zu überprüfen, wie es die Beröer gemacht haben (Apostelgeschichte 17,11).

Viele Religionen versuchen durch eigene Werke den Himmel (oder andere Vorstellungen) zu erreichen. Aber wie könnten wir einem allmächtigen Gott mit unseren Werken gefallen und ihn damit beeindrucken? Wie könnten wir uns durch unsere vermeintlich tollen Werke das Himmelreich erwerben? Die Bibel zeichnet einen anderen Weg. Errettung gibt es nur aufgrund der Gnade und Barmherzigkeit Gottes und nicht wegen unserer vermeintlichen Werke. Werksgerechtigkeit ist durchaus typisch für viele Religionen, aber die Bibel zeigt einen anderen Weg: Erkennen, dass man ein Sünder ist (wir alle haben in Gedanken, Worten und Taten schon gesündigt), Annahme des stellvertretenden Opfers von Jesus am Kreuz und Bitte um Vergebung der Sünden, um rein, gereicht und heilig vor Gott stehen zu können.

Für mich ergeben diese Aussagen sehr viel Sinn und eben auch die Vorstellung, dass wir es aus unserer eigenen Kraft und unserer vermeintlich guten Werke nicht bis in den Himmel schaffen können, da wir in Worten, Taten und Gedanken Fehler begehen und sündigen (tagtäglich...). Doch Gott hat uns in aller Freiheit und in seiner Gnade die Möglichkeit zur Vergebung unserer Sünden gegeben und öffnet uns damit die Tür zu ihm in seine Herrlichkeit. Trotz unserer Fehler und Sünden können wir reingewaschen, sauber und heilig vor einem völlig reinen, heiligen und gerechten Gott stehen.