Kann man sich mit der deutschen Sprache präziser und komplexer ausdrücken als mit beispielsweise Englisch?

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Die Anzahl der Wörter ist zum einen nicht wirklich präzise bestimmbar (das hat vor allem den Grund, dass Wörter kombinierbar sind) und zum anderen auch nicht immer entscheidend für den Ausdruck.

Freilich muss man zugeben, dass ein Autor wie z.B. Shakespeare einen enormen Wortschatz hatte (an den die meisten heutigen englischen Muttersprachler wohl kaum herankommen würden), und dass dies auch in den Dramen hilfreich war, um die Situationen farbig und eindrucksvoll zu beschreiben. Dennoch denke ich, dass der Wortschatz in vielen Situationen nicht alleine nicht den Ausschlag gibt.

Es kommt ja auch auf die Art des Textes an. Wenn ich eine Bedienungsanleitung schreibe, sollte sie möglichst leicht verständlich sein. Wenn ich ein Drama schreiben würde (was ich nicht tue), wären andere Aspekte zu berücksichtigen (und Shakespeare schrieb ja keine nüchterne "Zeugenaussage" über den Tod von Romeo und Julia, sondern ein Drama, was auch Kunst ist, nicht nur dem Sinn nach, sondern auch dem Klang nach, und den Bildern nach, die die Sprache malt).

Sicher kann man auch in Deutsch sehr viel Schönes, Spannendes und Verständliches schreiben. Ich denke, dass es eher individuell verschieden ist, wie sich Menschen ausdrücken, und dass der Vergleich von zwei Sprachen da nicht zu einer definitiven Entscheidung führen wird.


OlliBjoern  03.03.2018, 00:20

But soft! What light through yonder window breaks?

It is the east, and Juliet is the sun.

Arise, fair sun, and kill the envious moon,

Who is already sick and pale with grief,

That thou, her maid, art far more fair than she.

(W. Shakespeare, Romeo and Juliet, Act 2 Scene 2)

OlliBjoern  03.03.2018, 00:23

Ein Wort, ein Satz -: aus Chiffren steigen

erkanntes Leben, jäher Sinn,

die Sonne steht, die Sphären schweigen,

und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,

ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -

und wieder Dunkel, ungeheuer,

im leeren Raum um Welt und Ich.

(Gottfried Benn, "Ein Wort")

In der Sprachwissenschaft ist es ein Tabu, Sprachen in ihrer Leistung global vergleichend zu werten. Jede Sprache erfüllt ihren Zweck, dafür wandelt sie sich ständig.

Zwar gibt es einzelne Sprachelemente in der einen Sprache, wo es in der anderen Sprache eine Lücke gibt, oder manchen Sachverhalt, den man in der anderen Sprache eleganter ausdrücken kann, aber das hält sich global gesehen in etwa die Waage.

Bekannt ist, dass Englisch nach der Zahl der Wortwurzeln die ausgebauteste Sprache der Welt ist und Neubegriffe international einhellig im englischen Gewande daherkommen, auch in Staaten mit anderer Staatsprache. ("Mobbing" wurde in Schweden erfunden, "Airbag" in Deutschland.)

Ich kann immer nur ungläubig den Kopf schütteln, wie im deutschen Alltag alles Neue ("News") auf Englisch hochstilisiert wird. Beispiel: Wenn früher ein Chor älterer Leute auf dem Lande gequält kulturbeflissen "Concordia" (lat. 'Eintracht') o.ä. hieß, nennt der sich heute "Tremendous vibrations" oder so. Ähnlich ist es bei jeder Aktion in einer Schule oder Behörde. Deutsch ist out.

Danach müsste man die gestellte Frage damit beantworten, dass man in Deutsch überhaupt nichts Neues ausdrücken kann, geschweige denn präziser und komplexer als im Englischen. Das ist natürlich nachweislich Unsinn. Das fällt schon auf, wenn man wegen einiger Zeitgenossen, die kein Deutsch lernen wollen, alle Schilder "Notausgang" mit "Emergency exit" überpinseln will. Da reicht der Platz nicht :-))

Nein, das ist nur ein altes, oft widerholtes, Vorurteil.

Die englische Sprache hat, je nach Definition des Begriffs Wort" mindestens 100 000 , maximal 600 000 Wörter. Die Anzahl der Wörter im Englischen ist sehr hoch, weil Englisch zwar eine germanische Sprache ist, aber weitaus MEHR Wörter aus den romanischen Sprachen (Latein, Französisch usw) enthält. Synonym-Wörterbücher zeigen Dir dies deutlich.

Tatsache ist aber auch, dass der Normalmensch (egal ob deutsch oder englisch etc) aktiv mit ca. 3000 Wörtern nicht nur locker überlebt, sondern sich gut verständigen kann.

In der Philosophie mag es aber sein, dass Deutsch "komplexer" ist als Englisch - mit dem großen Nachteil, dass eben faktisch kein Mensch Jaspers und Heidegger versteht.

Die einzelnen Wörter sind nur ein kleiner Teil der Sprache - wie gut sie Autor/Autorin beherrscht und mit ihr spielt macht mE den viel grösseren Teil aus ...

Es gibt dt, engl., spanische Bücher mit unglaublich präszisen Beschreibungen, malerischem Bilderreichtum etc. wie auch gut verständliche wissenschaftliche Texte oder auch nicht ... Keine dieser drei Sprachen ist mE der anderen unter- noch überlegen (andere kann ich nicht pers. beurteilen).

Und ich finde eher dass im englischen wissenschaftlich (komplexe) Sachverhalte leichter verständlich ausgedrückt werden (können). Wäre grundsätzlich auch in dt. möglich ... Mag damit zusammenhängen, dass im dt. öfters auch komplexe Satzkonstruktionen gewählt werden die der Verständlichkeit keineswegs zugute kommen. Die hohe Kunst besteht darin komplexe Sachverhalte in einfachen Worten & Satzkonstruktionen korrekt darzulegen.

Im Gegenteil; Ich halte die englische Sprache für deutlich präziser und komplexer als die deutsche. Ein paar Beispiele:

Die englische Sprache hat weitaus mehr Wörter für unterschiedliche Situationen als die deutsche. Im Vergleich zur englischen Sprache wird im Deutschen beispielsweise nicht zwischen Himmel im meteorologischen (sky) und religiösen (heaven) Zusammenhang differenziert, auch die Begriffe für verdienen im Sinne von erwirtschaften (earn) und zustehen (deserve) sind im Deutschen beide identisch. Dasselbe gilt für tragen im Sinne von anziehen (wear) und im Sinne von mitnehmen (carry). Es gibt noch etliche weitere Beispiele.

Dieser Mangel an verschiedenen Wörtern für bestimmte Gegebenheiten in der deutschen Sprache führt häufig dazu, dass bereits unwichtig wirkende Kleinigkeiten wie eine falsche Groß- und Kleinschreibung die Bedeutung und Aussage von Sätzen völlig in ihrem Sinn entstellen können. Englische ist diesbezüglich eine deutlich robustere Sprache:

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Auch gibt es im Englischen viel mehr Synonyme mit unterschiedlichen Konnotationen als im Deutschen, die es ermöglichen, seine Gedanken präziser an andere zu vermitteln (z. B. Menschheit vs humanity, mankind, humankind oder Geschwindigkeit, Schnelligkeit vs speed, velocity, rapidity, quickness, swiftness, promptness, speediness oder suchen vs search, seek, quest oder tödlich vs deadly, lethal, fatal, mortal).

Außerdem gibt es im Deutschen im Gegensatz zum Englischen keine Verlaufsform der Gegenwart (present progressive), um auszudrücken, dass man gerade dabei ist, etwas zu tun.

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