Kann ich anhand der Säurekonstante ermitteln, in welchen Molmengen die Reaktionspartner in einer Säuredissoziation in Wasser vorliegen?

1 Antwort

Ja, das kannst Du — das muß auch so sein, denn die Natur bringt es ja auch irgend­wie zustande, die notwendigen Zahlen auszurechnen. In einer c₀=0.1 mol/l Lösung von NH₄⁺ (pKₐ=9.2) bekommen wir einen pH von 5.099982831727029299 bzw.

c(NH₃) = 0.00000794233748695039302679 mol/l
c(NH₄⁺)= 0.09999205766251304960697321 mol/l
c(H₃O⁺) = 0.00000794359636259607498644 mol/l
c(OH¯) = 0.00000000125887564568195965 mol/l

Dein Fehler war, daß Du Näherungslösungen verwendet hast, die natürlich nur nä­he­rungs­weise richtig sind. Um den pH einer NH₃-Lösung echt zu bestimmen, mußt Du alle Gleichgewicht richtig anschreiben und richtig lösen.

Wie ist der pH einer NH₃-Lösung? Nun, die erste Idee ist es, das Massenwirkungs­gesetz für die Protolyse aufzuschreiben:

NH₄⁺ + H₂O ⟶ NH₃ + H₃O⁺

Wenn wir x=c(NH₃)=c(H₃O⁺) setzen, bekommen wir

Bild zum Beitrag

und daraus bekommen wir x=c(NH₃)=c(H₃O⁺)=0.0000079429668748354153 mol/l bzw. pH=5.100017248618453. Du hast einen leicht anderen Wert bekommen, weil Du im Nenner des Massenwir­kungs­­gesetzes eine zusätzliche Näherung c₀−x≈c₀ ein­ge­setzt hast; das führt zum genäherten Resultat x=√(Kₐc₀). Das ist Dir selbst auf­gefal­len, aber Du hast daraus nicht ganz den richtigen Schluß gezogen, daß man näm­lich bereits bei der Berechnung von x diese Korrektur berücksichtigen muß, nicht erst hin­terher. In unserem Fall ist c(NH₄⁺)=c₀−x=​0.0999920570331251646 mol/l.

Die berechneten Zahlen erfüllen exakt das Massenwirkungsgesetz Kₐ=x²/(c₀−x), was kein Wunder ist, weil wir sie ja genau so bestimmt haben. Aber sie sind immer noch nicht richtig.

Denn eine weitere Zutat fehlt in dieser Rechnung noch: Das Wassergleichgewicht. In der soeben berechneten Lösung summieren sich Konzentrationen von NH₄⁺ und H₃O⁺ zu exakt c₀=0.1 mol/l; diese Ladung wird in der realen Lösung durch die Gegenionen (z.B. Cl¯, wenn Du NH₄Cl gelöst hast) kom­pen­siert. Wir erwarten aber auch noch Hydr­oxidionen, weil c(OH¯)=10¯¹⁴/c(H₃O⁺). Und das ist problematisch, denn diese ruinieren die Elektroneutralitätsbilanz der Lösung. Irgend­wo steckt also noch eine Näherung drin, die wir gemacht haben und die das Ergebnis verferkelt.

Wir müssen also das Wassergleichgewicht von vorneherein mitnehmen. Dazu setzen wir x=c(H₃O⁺) und y=c(NH₃) als verschieden an (x>y, weil durchs Wassergleichgewicht noch zusätzlich H₃O⁺ entstehen) und überlegen uns, daß c(OH¯)=x−y. Dann geht es los:

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Jetzt landen wir nicht bei einer quadratischen sondern einer kubischen Gleichung, die etwas schwieriger nach x aufzulösen geht. Es ist aber möglich, und ich habe einmal ausführlich beschrieben, wie man es macht:

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Mit dieser Formel habe ich die Zahlen oben ausgerechnet. Du kannst überprüfen, daß die Lösung „korrekt“ ist, also alle fraglichen Gleichungen erfüllt:

  • c(NH₄⁺)+c(H₃O⁺)−c(OH¯) ergibt genau c₀, also genau die Konzentration an Gegen­ionen, die das Ammoniumsalz mitgebracht hat.
  • c(NH₃)+c(NH₄⁺) ergibt ebenfalls genau c₀, weil ja kein Stickstoff verloren geht.
  • c(OH¯)⋅c(H₃O⁺) ergibt die Autoprotolysekonstante 10¯¹⁴ mol²/l²
  • c(NH₃)⋅c(H₃O⁺)/c(NH₄⁺) ergibt die Säurekonstante Kₐ=10¯ᵖᴷᵃ

Meist kommt man mit den Näherungsformeln durch, aber wenn man es genau wis­sen will, dann muß man leider die Näherungsgleichungen verwerfen und alles ab ovo durchrechnen, wobei im Regelfall nur numerische Lösungen möglich sind; Dein Bei­spiel ist ja sehr einfach, weil nur ein einziges Säure/Base-Gleichgewicht vorliegt. Zi­tro­nensäure wäre z.B. deutlich schwieriger, aber natürlich zumindest numerisch lösbar.

 - (Reaktionsgleichung, Säure, chemische Reaktion)  - (Reaktionsgleichung, Säure, chemische Reaktion)  - (Reaktionsgleichung, Säure, chemische Reaktion)