Ist irgendjemand wirklich glücklich?

4 Antworten

Glücksgefühl auf Dauer geht nicht.

Unsere Stimmung hängt an einer Feder. Je mehr du sie auslenkst, desto stärker ist daraufhin die Schwankung in die andere Richtung.

Der einzig zielführende Weg ist, die Feder nicht auszulenken, sondern einfach höher zu hängen. Du musst zufrieden sein.

Mir ist bewusst dass das Gefühl des Glücklich seins existiert. Aber leitet sich dieses Gefühl wirklich durch einige Leben?

Kein Mensch ist dauerhaft glücklich. Ausnahmslos jede Person hat Phasen, in der sie „unglücklich“ ist. Manche Menschen haben mehr solcher Phasen, manche weniger; die Tatsache, dass sie welche haben, bleibt aber gleich.

Ein glückliches Leben kann und sollte daher auch nicht zum Sinn des Lebens proklamiert werden. Es wartet unweigerlich immer eine unglückliche Phase am Horizont. Sich als Ziel im Leben zu setzen, „glücklich zu sein“, ist daher ein massiver Fehler. Spätestens in der nächsten unglücklichen Phase denkt man dann nämlich, das eigene Leben sei ein Misserfolg und man selbst ein Versager. Genau dieser Gedanke liest sich auch aus deinen Zeilen raus. Glück ist aber nunmal nichts, das man kontrollieren kann. Deshalb macht es auch wenig Sinn, sich dem Glück als Lebensziel oder -grundlage zu verschreiben. Weitaus sinnvoller ist es, sich auf das zu fokussieren, was man selbst kontrollieren kann und wie man auf Dinge reagiert, die man eben nicht kontrollieren kann – zum Beispiel vermeintlich unglückliche Phasen. Das nennt sich in der Philosophie auch Dichotomie der Kontrolle.

Dr. Jordan Peterson hat zum Thema Glück auch einige interessante Gedanken gefasst und kommt auch zum Schluss, dass es wichtiger ist, einen persönlichen Sinn zu finden, als vergänglichem Glück hinterher zu jagen. Dazu ein frei von der Hand übersetztes Zitat aus seinem Buch „12 Rules for Life“:

Es ist schön und gut, zu denken, der Sinn des Lebens sei Glück, aber was passiert, wenn du unglücklich bist? Glück ist eine schöne Nebenwirkung. Wenn es kommt, nimm es an und sei dankbar. Aber es ist vergänglich und unvorhersehbar. Es ist nichts, worauf man abzielen sollte – weil es kein Ziel ist. Und wenn Glück der Zweck des Lebens ist, was passiert, wenn du unglücklich bist? Dann bist du ein Versager.

Ich denke, dass die "Jagd nach dem Glück" eine ganz falsche Maxime ist. Warum sollte man überhaupt immerzu versuchen "glücklich zu sein"? Ich bin da viel bescheidener, weil die Realität des Lebens einen ganzen Strauß von eher positiven Gefühlen - aber auch unguten Gefühlen bereithält, innerhalb derer wir unser emotionales Befinden eingebettet finden.

Wenn beispielsweise hier im Forum jemand andeutet, dass er durch meine Antwort eine gute Einsicht gewonnen hat, habe ich kurzfristig ein gutes Gefühl - aber das ist es dann auch! Ist doch ausreichend. Wenn ich dagegen entdecke - wie kürzlich geschehen - dass das Schloß vor meinem Keller aufgebrochen wurde und mein Fahrrad gestohlen wurde, überkommt mich Ärger - aber schon wenig später denke ich, dass ich im Leben oftmals zufällig gewonnen habe, und dass eben diesmal ein Verlust zu Buche schlägt, aber in der Bilanz die guten Erfahrungen weit häufiger waren - und damit ist der Ärger fast verflogen.

Der Philosoph Husserl sagte immer zu seinen Studenten: "Geben sie Kleingeld!". Damit meinte er, dass man sich am besten von den "großen Erwartungen" frei machen sollte, dass man auch in seinen Ansichten behutsam argumentieren solle, dass man kleinere gute Momente wert schätzen solle. Genau dies meine ich, wenn ich die großspurige "Suche nach dem Lebensglück" für übertrieben und aussichtslos halte.

Ein nettes Gespräch bei einer zufälligen Begegnung, das ist doch schon etwas, das den ganzen Tag erhellen kann. Die Beilegung einer Differenz in einer strittigen Angelegenheit, schon wieder etwas wirklich Gutes. Der Befund beim Arzt, dass keine bedrohliche Entwicklung aufgetreten ist und er mir wünschte: "Machen sie weiter so!" Wieder etwas Gutes! So können sich positive emotionale Momente aufaddieren und eine Lebenszufriedenheit generieren, die völlig ausreichend ist - ohne ein Streben nach Glück.

Ich habe unter anderem auch ein zufriedenes Wesen und darum bin ich ein glücklicher Mensch.