Habe ich als Mädchen auch Gene meiner Oma väterlicherseits?

4 Antworten

Natürlich hast du auch Gene deiner beiden (!) Großmütter in dir. Du kannst den Anteil der Gene, die du mit deinen Großeltern gemeinsam hast, sogar ganz einfach selbst ausrechnen, indem du den Verwandtschaftskoeffizienten r berechnest.

Wie dir sicher bekannt ist, haben Menschen einen diploiden Chromosomensatz, d. h. jedes Chromosom (und damit auch jedes Gen) kommt in den Körperzellen doppelt vor. Die homologen Chromosomen (=Chromosomen, die die gleichen Gene enthalten) bilden dabei Chromosomenpaare. Beim Menschen sind es 23 solcher Chromosomenpaare, also insgesamt 46 Chromosomen. Dabei erhält jeder Mensch jeweils ein Chromosom eines Paares vom Vater, das andere von der Mutter.
Nun überleg aber einmal: wenn jeder Mensch einen diploiden Chromosomensatz hat, dann hat natürlich auch dein Vater einen solchen und deine Mutter ebenso. Nun ist zwei mal zwei bekanntlich vier, folglich müsste sich doch der Chromosomensatz verdoppeln zu einem vierfachen (tetraploiden) Chromosomensatz. Du selbst hast ja aber auch nur einen diploiden Chromosomensatz. Wie kann das gehen?

Die Antwort liegt in einer besonderen Form der Zellteilung, durch die die Geschlechtszellen (Gameten) entstehen. Diese Zellteilung nennt man Reduktionsteilung oder Meiose. Bei der Meiose wird an jede Tochterzelle nur eines der beiden homologen Chromosomen weitergegeben, das andere Chromosom erhält seine "Schwesterzelle". Geschlechtszellen haben also abweichend von den Körperzellen einen reduzierten, nur einfachen (haploiden) Chromosomensatz. Gameten besitzen insgesamt nur 23 Chromosomen, die keine Paare bilden. Bei der Befruchtung verschmelzen dann die beiden haploiden Chromosomensätze des väterlichen Spermiums und der Mutter. 23 plus 23 ist 46 und damit ist der diploide Zustand wieder hergestellt. Alles klar soweit?

Gut, dann überlegen wir einmal, was das bedeutet für die Anzahl der übereinstimmenden Gene. Dein Vater reduziert seinen doppelten Chromosomensatz durch die Meiose auf die Hälfte. Er gibt damit die Hälfte seiner Gene an dich weiter. Das gleiche macht deine Mutter, sodass insgesamt die Hälfte deiner Gene von deinem Vater sind und die andere Hälfte von deiner Mutter. Nun haben deine Eltern wiederum aber ihre Gene ebenfalls jeweils zur Hälfte von ihren Eltern, nämlich deinen Großeltern, geerbt. Die Gene deines Vaters stammen also je zur Hälfte von deinem Großvater väterlicherseits und zur Hälfte von deiner Großmutter väterlicherseits. Das gleiche gilt nun auch für deine Mutter und die Großeltern mütterlicherseits.

Wie groß ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass ein ganz bestimmtes Gen deiner Großmutter väterlicherseits über deinen Vater an dich weitergegeben wird? Ganz einfach: die Wahrscheinlichkeit, dass die Großmutter dieses Gen an deinen Vater vererbt hat, beträgt aufgrund der meiotischen Teilung 50 Prozent oder anders geschrieben 0.5 (entweder hat die Eizelle, aus der dein Vater hervorging dieses Gens enthalten oder nicht). Wenn dein Vater dieses Gen wirklich geerbt hat, dann vererbt er es an dich ebenfalls mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.5. Nun musst du diese beiden Wahrscheinlichkeiten miteinander multiplizieren und erhälst als Ergebnis 0.25. Mit anderen Worten: die Wahrscheinlichkeit, ein bestimmtes Gen von deiner Großmutter väterlicherseits zu erben, beträgt 25 Prozent. Oder noch anders ausgedrückt: du hast etwa 25 Prozent deiner Gene (also die Hälfte der von deinem Vater geerbten Gene; die Hälfte der Hälfte all deiner Gene) deiner Großmutter väterlicherseits zu verdanken. Diese Wahrscheinlichkeit, mit der zwei Individuen ein bestimmtes Gen aufgrund einer gemeinsamen Abstammung besitzen, das ist der Verwandtschaftskoeffizient, kurz r (aus dem Englischen: relatedness coefficient).

Es gibt auch eine allgemeine Formel für den Verwandtschaftskoeffizient r, mit dem du r auch für andere Verwandte, z. B. zwischen Geschwistern oder Cousin und Cousinen ausrechnen kannst. Sie lautet:



Die Zahl in Klammern gibt die uns schon bekannte Wahrscheinlichkeit an, mit der ein bestimmtes Allel in der Meiose verteilt wird, die ja 0.5 beträgt. Der Exponent n ist die Anzahl an Generationen, die zwischen den beiden Individuen liegen. Das Summenzeichen Σ besagt, dass die Wahrscheinlichkeiten der unterschiedlichen Verbindungswege in einem Stammbaum aufsummiert werden müssen. Bei der Berechnung des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Eltern und Großeltern fällt das weg, denn es gibt ja nur einen einzigen Weg, wie das Gen von dem einen zum anderen gekommen sein kann. Im obigen Beispiel kann deine Oma väterlicherseits das Gen nur über einen Weg an dich vererben, nämlich über deinen Vater. Von dir musst du bis zu deiner Omi zwei Generationen zurück gehen: der erste Schritt zu deinem Vater, der zweite Schritt zur Oma. Demnach verkürzt sich die Formel also zu:



Es gibt aber sehr oft verschiedene Wege, über die ein- und dasselbe Gen in zwei Individuen kommen kann. Ein Beispiel ist die Berechnung des Verwandtschaftskoeffizienten zwischen zwei Geschwistern, wenn man also wissen will, wie viele Gene zwei Geschwister gemeinsam haben. Hier gibt es nun mehrere mögliche Wege, wie ein Gen in beiden Geschwistern landen kann, nämlich entweder über den Vater oder über die Mutter. Es gibt also zwei Wege, deren Einzelwahrscheinlichkeit aufsummiert werden muss.

Zwischen zwei Geschwistern liegen wiederum zwei Generationen. Man muss von einem Geschwister eine Generation zurück springen, um zu den Eltern zu kommen, und dann wieder eine Generation vor, um beim Geschwister zu landen. Es ergibt sich deshalb bei Geschwistern die Berechnung von r folgendermaßen:



Im Durchschnitt hat man also die Hälfte der Gene mit seinem Bruder bzw. seiner Schwester gemeinsam.

Man kann nun auch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dir und einem Onkel oder einer Tante ausrechnen. Nimm an, dein Vater hat einen Bruder. Dein Onkel und du können ein Gen über zwei verschiedene Wege geerbt haben: entweder über deine Oma oder über deinen Opa väterlicherseits. In beiden Fällen musst du erst eine Generation zu deinem Vater zurück, dann noch eine zu einem der beiden Großeltern und dann wieder eine vor zum Onkel. In dem Fall sind es also zwei Wege mit jeweils vier Generationen, macht ein r von 0.25. Bei Cousin/Cousine muss man noch eine Generation weiter vor springen, nämlich vom gemeinsamen Onkel aus noch eine weitere Generation zu Cousin/Cousine. Macht also einen Exponenten n = 4, ansonsten gibt es auch hier wieder die Möglichkeit, dass du und ein Cousin/eine Cousine ein Gen über die gemeinsame Oma oder den gemeinsamen Opa geerbt haben könnt, wodurch sich ein r von 0.125 ergibt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
felen12329 
Fragesteller
 03.08.2020, 13:11

Also wird es wohl auch so sein, dass ich irgendeine Eigenschaft beim Aussehen zum Beispiel von meiner Oma väterlicherseits habe? Ich weiß ja das ich von allen was habe, aber meine Familie väterlicherseits sagt immer, ich sehe meiner Oma väterlicherseits sehr ähnlich. Ich würde ja gerne ein Bild hier hochladen, dass es andere Mal beurteilen können, wie ich und meine Oma aussehen. Als Vergleich. Ich selbst sehe nämlich keine Ähnlichkeit mehr. Habe die Bilder schon zu oft verglichen. ALSO SEHE ICH NICHT ZU HUNDERT PROZENT WIE MEINE MÜTTERLICHE FAMILIE AUS? AUCH WENN ICH EIN MÄDCHEN BIN?

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Darwinist  03.08.2020, 17:41
@felen12329

Man kann nicht sagen, welche der Gene (oder besser sollte man eigentlich Allele sagen) du von welchem Elternteil erben wirst, weil die Aufteilung der Allele während der Meiose für jedes Chromosomenpaar unabhängig voneinander und zufällig geschieht. Du erbst also nicht ein bestimmtes Gen auf jeden Fall von deiner Mutter bzw. deiner mütterlichen Linie, nur weil du ein Mädchen bist. Eine Ausnahme davon bilden die Gene in der DNA deiner Mitochondrien. Mitochondriale DNA wird tatsächlich (fast) nur über die mütterliche Linie vererbt.

Was du sagen kannst ist, dass du im Durchschnitt 25 % deiner Gene auch in deiner Oma väterlicherweits wieder finden wirst und diese von ihr geerbt hast. Welche das sind, kann aber ganz unterschiedlich sein. Aus dem gleichen Grund sind Geschwister ja nicht genetisch identisch, sondern immer einzigartig. Weil es jedes Mal eine neue Kombination der Allele gibt.

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felen12329 
Fragesteller
 03.08.2020, 18:08
@Darwinist

Danke schonmal für die langen Texte und deine Mühe:) Was wirklich jeder sagt, ich habe die Haarfarbe und Haar Struktur (welliges blondes Haar) von meiner Oma geerbt, sowohl als die Figur. Sie war in meinem Alter genauso ein dünner Strich in der Landschaft wie ich. Haha😂

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Ja, hast du. Dein Vater hat die die Hälfte seiner Gene von seiner Mama und die andere Hälfte von seinem Papa - ebenso bei deiner Mutter.

Die beiden geben jeweils die Hälfte dieser Gene an dich weiter, Welche Hälfte, kann man nicht sagen - die "Karten werden vorher genmischt".

Also hast du ein Viertel deiner Gene von jedem Großelternteil. Ein Bisschen anders ist es bei den Geschlechtschromosomen, weil das Y-Chromosom nur durch den Vater vererbt werden kann. Aber als Mädchen ist das für dich unwichtig.

Ja, hast du.....bei jeder Befruchtung werden die Gene sozusagen neu gemixt.

Genieße dein Leben, du hast von jedem aus der Famile etwas mitbekommen.....

Mit Sicherheit, denn du hast sogar einzelne Gene, die deine Verwandtschaft mit Löwenzahn und Regenwürmern beweisen.