Gibt es sowas wie Zeit überhaupt?
.. oder ist das alles nur eine Idee.
Man kann Zeit ja nicht anfassen, messen ist auch schwer. Was wir bisher machen ist nur Bewegungen zu vergleichen, also Anfang oder Endzustände. Aber woher wissen wird ob die Zeit vergeht und warum kann sie langsam und schnell vergehen?
Ist es eine Philosophische Frage?
7 Antworten
Im Universum ist alles in Bewegung - immer und ewig. Das Leben des Menschen hat einen Anfang und ein Ende, und seine Zeit ist seine Lebenszeit. Aber wegen der unterschiedlich endlichen Lebenszeit der Menschen und aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung musste ein immer besserer Vergleich gefunden werden. Deshalb misst der Mensch den Ablauf natürlicher, besonders physikalischer Vorgänge, um einen möglichst exakten Maßstab für sein Leben und seine Tätigkeit zu erhalten. Zeit ist ein Konstrukt des Menschen, ansonsten wäre es das einzige immaterielle Phänomen im Universum. Aber es kann nach dem Prinzip von der Erhaltung der Energie kein Nichts und kein Immaterielles geben. Folglich gibt es keine Zeit, nur natürliche, also physikalische, chemische und biologische Abläufe.
Zeit kann man messen, dazu gibt es Uhren.
Ja, also Physiker definieren die Sekunde über etwas in Bezug auf ein Cäsium-Nuklid.
Zeit erkennt man nur an Veränderungen, Kraft erkennt man nur an Wirkungen. Beides kann man also nicht "anfassen", ist aber trotzdem sehr real.
Aus dem Umkehrschluss "ohne Veränderung keine Zeit" hat man allerdings geschlussfolgert, dass die Zeit erst mit dem Urknall entstanden ist.
Für mich gibt es Zeit nicht, denn die Vergangenheit ist ja schon vorbei und die Zukunft noch gar nicht da.
Bleibt einzig die Gegenwart. Ständig gibt es einzig die Gegenwart.
Zeit lässt sich objektiv in ihrer Quantität messen. Wir teilen und zerlegen, damit wir verstehen und umgehen können. Das Wort Zeit, auch das englische time, das französische temps gehen auf die ind. Wurzel da zurück, was soviel wie teilen, zerlegen heißt. Also richtig benannt wurde es. Wenn man aber die Bedeutung und Herkunft der gesprochenen, verwendeten Wörter nicht (mehr) kennt, weiß man auch nicht wirklich, was man so die ganze Zeit redet. ;-)
The day, der Tag, ist also der Zerleger, der Zerteiler und teilt für uns den Zeitfluß in handliche Stücke, damit wir besser umgehen können damit.
warum kann sie langsam und schnell vergehen?
Hier bemerken wir unser subjektives Zeitempfinden. Ein bedrohliches Erlebnis kann uns Zeit / den Zeitfluss sehr langsam fühlen lassen - das Herz pocht uns bis zum Hals, die Spannung steigt ins Unerträgliche, wir fokussieren uns auf die Bedrohung, die Zeit scheint stillzustehen .... Das aber ist einfach nur unser eigenes Empfinden. Genauso wie wenn wir träumen oder verliebt sind, immer dann fühlen wir recht deutlich ein gewisses eigenes Gefühl für den aktuellen Zeitfluss.
Oder Zeiten ohne Ablenkung und Handeln können für uns gefühlt sehr langsam vergehen. In Wirklichkeit aber vergeht die Zeit natürlich immer gleich schnell.
In der Geschichte von Momo von Michael Ende macht Beppo der Straßenkehrer eine spannende Entdeckung in Sachen Zeit:
aus Momo von Michael Ende
Er fuhr jeden Morgen lange vor Tagesanbruch mit seinem alten, quietschenden Fahrrad in die Stadt zu einem großen Gebäude. Dort wartete er in einem Hof zusammen mit seinen Kollegen, bis man ihm einen Besen und einen Karren gab und ihm eine bestimmte Straße zuwies, die er kehren sollte.
Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch schlief. Und er tat seine Arbeit gern und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit.
Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig:
Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich.
Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging es wieder weiter:
Schritt – Atemzug – Besenstrich.
Während er sich so dahinbewegte, vor sich die schmutzige Straße und hinter sich die saubere, kamen ihm oft große Gedanken. Aber es waren Gedanken ohne Worte, Gedanken, die sich so schwer mitteilen ließen wie ein bestimmter Duft, an den man sich nur gerade eben noch erinnert, oder wie eine Farbe, von der man geträumt hat. Nach der Arbeit, wenn er bei Momo saß, erklärte er ihr seine großen Gedanken. Und da sie auf ihre besondere Art zuhörte, löste sich seine Zunge, und er fand die richtigen Worte. „Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“ Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort:
„Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“
Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter:
„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“ Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte:
„Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“
Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort:
„Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“
Er nickte vor sich hin und sagte abschließend:
„Das ist wichtig.“
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Auch Hermann Hesse lässt in seinem Roman Siddhartha den Fluss von der Zeit erzählen:
Siddhartha blieb bei dem Fährmann und lernte das Boot
bedienen, und wenn nichts an der Fähre zu tun war, arbeitete er mit Vasudeva im Reisfelde, sammelte Holz, pflückte die
Früchte der Pisangbäume. Er lernte ein Ruder zimmern, und
lernte das Boot ausbessern, und Körbe flechten, und war
fröhlich über alles, was er lernte, und die Tage und Monate
liefen schnell hinweg. Mehr aber, als Vasudeva ihn lehren
konnte, lehrte ihn der Fluß. Von ihm lernte er unaufhörlich.
Vor allem lernte er von ihm das Zuhören, das Lauschen mit
stillem Herzen, mit wartender, geöffneter Seele, ohne Lei-
denschaft, ohne Wunsch, ohne Urteil, ohne Meinung.
Freundlich lebte er neben Vasudeva, und zuweilen tauschten
sie Worte miteinander, wenige und lang bedachte Worte.
Vasudeva war kein Freund der Worte, selten gelang es Sid-
dhartha, ihn zum Sprechen zu bewegen.
»Hast du«, so fragte er ihn einst, »hast auch du vom Flusse
jenes Geheime gelernt: daß es keine Zeit gibt?«
Vasudevas Gesicht überzog sich mit hellem Lächeln.
»Ja, Siddhartha«, sprach er. »Es ist doch dieses, was du
meinst: daß der Fluß überall zugleich ist, am Ursprung und an
der Mündung, am Wasserfall, an der Fähre, an der Strom-
schnelle, im Meer, im Gebirge, überall, zugleich, und daß es
für ihn nur Gegenwart gibt, nicht den Schatten Zukunft?«
»Dies ist es«, sagte Siddhartha. »Und als ich es gelernt
hatte, da sah ich mein Leben an, und es war auch ein Fluß,
und es war der Knabe Siddhartha vom Manne Siddhartha und
vom Greis Siddhartha nur durch Schatten getrennt, nicht
durch Wirkliches. Es waren auch Siddharthas frühere
Geburten keine Vergangenheit, und sein Tod und seine
Rückkehr zu Brahma keine Zukunft. Nichts war, nichts wird
sein; alles ist, alles hat Wesen und Gegenwart.«
Siddhartha sprach mit Entzücken, tief hatte diese Erleuch-
tung ihn beglückt. Oh, war denn nicht alles Leiden Zeit, war
nicht alles Sichquälen und Sichfurchten Zeit, war nicht alles
Schwere, alles Feindliche in der Welt weg und überwunden,
sobald man die Zeit überwunden hatte, sobald man die Zeit
wegdenken konnte? Entzückt hatte er gesprochen. Vasudeva
aber lächelte ihn strahlend an und nickte Bestätigung,
schweigend nickte er, strich mit der Hand über Siddharthas
Schulter, wandte sich zu seiner Arbeit zurück.
Und wieder einmal, als eben der Fluß in der Regenzeit ge-
schwollen war und mächtig rauschte, da sagte Siddhartha:
»Nicht wahr, o Freund, der Fluß hat viele Stimmen, sehr viele
Stimmen? Hat er nicht die Stimme eines Königs, und eines
Kriegers, und eines Stieres, und eines Nachtvogels, und einer
Gebärenden, und eines Seufzenden, und noch tausend andere
Stimmen?«
»Es ist so«, nickte Vasudeva, »alle Stimmen der Geschöpfe
sind in seiner Stimme.«
»Und weißt du«, fuhr Siddhartha fort, »welches Wort er
spricht, wenn es dir gelingt, alle seine zehntausend Stimmen
zugleich zu hören?«
Glücklich lachte Vasudevas Gesicht, er neigte sich gegen
Siddhartha und sprach ihm das heilige Om ins Ohr. Und
eben dies war es, was auch Siddhartha gehört hatte.
Und von Mal zu Mal ward sein Lächeln dem des Fähr-
manns ähnlicher, ward beinahe ebenso strahlend, beinahe
ebenso von Glück durchglänzt, ebenso aus tausend kleinen
Falten leuchtend, ebenso kindlich, ebenso greisenhaft. Viele
Reisende, wenn sie die beiden Fährmänner sahen, hielten sie
für Brüder. Oft saßen sie am Abend gemeinsam beim Ufer
auf dem Baumstamm, schwiegen und hörten beide dem
Wasser zu, welches für sie kein Wasser war, sondern die
Stimme des Lebens, die Stimme des Seienden, des ewig Wer-
denden. Und es geschah zuweilen, daß beide beim Anhören
des Flusses an dieselben Dinge dachten, an ein Gespräch von
vorgestern, an einen ihrer Reisenden, dessen Gesicht und
Schicksal sie beschäftigte, an den Tod, an ihre Kindheit, und
daß sie beide im selben Augenblick, wenn der Fluß ihnen et-
was Gutes gesagt hatte, einander anblickten, beide genau
dasselbe denkend, beide beglückt über dieselbe Antwort auf
dieselbe Frage.
Es ging von der Fähre und von den beiden Fährleuten et-
was aus, das manche von den Reisenden spürten.
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Und Goethe beschrieb es so:
Jeder Zustand, ja jeder Augenblick ist von unendlichem Wert, denn er ist der Repräsentant einer ganzen Ewigkeit.
Doch da es Kausalität gibt gibt es auch Zeit.
Warum denkst Du das?
Muss zugeben, dass ich Deine Antwort nicht verstehe.
Kausalität heißt Ursache vor Wirkung. Wenn eine Kerze brennen soll mußt du dieses erst anzünden. Du kannst nicht entscheiden das sie jetzt brennen soll du sie aber erst später anzündest. Das belegt schlüssig Zeit als physikalische Größe.
Messen heist ja, vergleichen mit bekannten Größen. Aber was ist die bekannte Größe?