Generisches Maskulinum, suffix-er, genus und sexus?

1 Antwort

Ich würde behaupten, ich kenne mich da ganz gut aus. Also:

was ich bisher weiß ist auch nur, dass das genus das gremmatikalische geschlecht, der sexus das biologieche geschlecht ist 

Genus ist das grammatische Geschlecht, genau. Im Deutschen gibt es davon 3: Maskulinum, Femininum, Neutrum.

Sexus ist das realweltliche Geschlecht. Früher ging man dabei immer vom s.g. biologischen Geschlecht aus, heute weiß man, dass es wohl eher um das soziale Geschlecht, also Gender, geht.

Genus und Sexus stimmen nicht immer über ein. Gegenstände haben kein Sexus, sind aber trotzdem nicht immer Neutra: die Gabel, der Löffel. Menschen haben immer ein Sexus, sind aber nicht immer feminin oder maskulin: das Weibsbild.

-er Suffixe gibt es im Deutschen einige, bspw. für Instrumente, der Bohr-er, oder Komparative, schön-er. Das -er Suffx, das du meinst, wird an Verbstämme gehängt, um aus diesen Personenbezeichnungen zu bilden: lehren > Lehr-er.

Diese Personenzeichnungen sind immer maskulin, da das -er Suffix dieses Genus mitbringt. Bezeichnet man mit einer solchen Personenbezeichnung einen Mann, stimmen Genus und Sexus überein. Bezeichnet man eine Person, die kein Mann ist, mit einer solchen Personenbezeichnung im Maskulinum, stimmen Sexus und Genus nicht überein. Diesen Fall nennt man "generisches Maskulinum" - generisch, da es sich um eine generische Form handeln soll, d.h. eine Form, die keine Aussage über das Sexus der Person trifft. Neben den -er-Personenbezeichnungen trifft das auch auf andere Personenbezeichnungen zu, wie etwa Anwalt oder Polizist.

Seit einigen Jahrzehnten zeigen vor allem linguistische und psychologische Forschung, dass diese eigentlich sexusneutral gedachten generischen Maskulina - die ja keine Information zu Sexus enthalten sollten - scheinbar doch solche Information enthalten: Wenn wir einem generischen Maskulinum begegnen, wird in unserer Sprachverarbeitung die Assoziation mit einer männlichen Person stärker als etwa die Assoziation mit einer weiblichen Person geweckt.

Da dies un(ter)bewusst geschieht, konnte dies vor der Entwicklung entsprechender Methoden in Linguistik und Psychologie nicht festgestellt werden. Daher ging man lange davon aus, dass generische Maskulina tatsächlich sexusneutral seien. Gehen wir nun den Schritt und ersetzen "Sexus" durch "Gender" oder "Geschlecht", sind wir an der Stelle, an der die politische Diskussion entbrennt: Sind generische Maskulina geschlechtsneutral, genderinklusiv? Die Forschung sagt nein.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – ich forsche als Linguist zum Thema "Gender(n)"

Nellyxd390 
Fragesteller
 23.05.2024, 16:25

Super Antwort, danke!
hast du zufällig auch schonmal von Eisenberg, Nübling und Diewald gehört?
Ich finde es total schwer deren Texte zu verstehen. Vielleicht weißt du da mehr drüber?

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Adomox  23.05.2024, 16:27
@Nellyxd390

Damaris Nübling und Gabriele Diewald kenne ich persönlich. Anders als Peter Eisenberg forschen die beiden tatsächlich auch auf diesem Gebiet. Relativ schwer zu verstehen sind alle drei, das ist bei älteren Germanist*innen leider oftmals so.

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Nellyxd390 
Fragesteller
 23.05.2024, 16:30
@Adomox

Kennst du vielleicht „Wenn das Genus mit dem Sexus“ von Eisenberg und „Genus und Sexus - es ist kompliziert“ von Diewald und Nübling? Wenn ja, würde es dir etwas ausmachen deren Positionen kurz zu erläutern?

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Adomox  23.05.2024, 16:32
@Nellyxd390

Ich weiß nur, dass es die beiden Artikel gibt, gelesen habe ich die nie.

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