Geht in einer Gasturbinenanlage so viel Leistung verloren?


18.01.2025, 14:38

upd. oder wird der Druck in der Brennkammer doch nicht steigen? Ich habe hier ein pV-Diagramm zu diesem Schema gefunden. Angeblich wird das Gemisch in der Brennkammer (2-3) isobar erwärmt. (wie ist das möglich, wenn in einer laufenden Anlage im Prinzip keinen freien Platz für diese Ausdehnung gibt? Wohin geht das "neue" Volumen?)


18.01.2025, 14:51

anbei ist eine Screenshot aus You-Tube-Video über Gasturbine:

hier erkennt man, dass die Schaufel der letzten Kompressorstufe deutlich kleiner ist, als die Schaufel der Turbine. Ist das der Grund dafür, dass der in der Brennkammer herrschender Druck die Turbine stärker beeinflusst, als den Verdicter? (F ist gleich Druck mal Fläche)

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
Ich werde die Frage sehr dumm formulieren:

Die Frage ist überhaupt nicht dumm, denn genau das ist eines der Hauptprobleme beim Bau einer Axial-Gasturbine.

zwischen Verdichter und Brennkammer ist KEINE Rückschlagklappe vorgesehen - und auch wenn, würde sie nichts bringen, weil das ein kontinuierlicher Kreislauf ist!

Die Lösung ist in der Theorie ganz einfach: der Verdichter muss genügend Druck aufbauen, dass das Verbrennungsgas erst gar nicht auf die Idee kommt, in den Verdichter zurückzuschlagen. In der Praxis ist das aber die schwierigste Stelle einer Gasturbine, einen Axialverdichter zu bauen, der es schafft, große Mengen Luft auf einen höheren Druck zu bringen als in der Brennkammer herrscht. Die Strömungsverhältnisse sind sehr empfindlich gegen Störungen und schlagen dann in eine turbulente Strömung um, womit die Aerodynamik an den Schaufeln zusammenbricht (der Turbine ist das fast egal). Aus diesem Grund kann man z.B. kein Gitter vorne anbringen, um Vogelschlag ziu verhindern. Schon das würde die Strömung so sehr stören, dass der Verdichter nicht mehr gegen den Druck in der Brennkammer ankommt und die Strömung zurückschlägt. Das ist auch der Grund, warum die ersten kontinuierlich arbeitenden Gasturbinen (1939 Brown, Boveri & Cie) sowie die ersten Strahtriebwerke (Hans von Ohain ab 1935) einstufige Radialverdichter hatten, weil die viel einfacher und sicherer genügend Druck aufbauen.

Angeblich wird das Gemisch in der Brennkammer (2-3) isobar erwärmt. (wie ist das möglich, wenn in einer laufenden Anlage im Prinzip keinen freien Platz für diese Ausdehnung gibt? Wohin geht das "neue" Volumen?)

Doch, das sich stark ausdehnende Gas kann zum Auslass raus. Noch vorne geht nicht, da erzeugt der Verdichter zu viel Gegenwind. Hinterm Auslass ist genügend Platz, im Prinzip das gesamte Universum. Da ist lediglich die Turbine dazwischen, die dabei in Drehung versetzt wird.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Thermodynamik im Hauptfach studiert.

weilWaermelehre 
Beitragsersteller
 19.01.2025, 17:30

Danke, es wird klarer.

Trotzdem verstehe ich es nicht, warum der Verdichter weniger Arbeit braucht, als die Turbine abgibt... Wenn ich mir das Gas in der Brennkammer vorstelle - es hat einen Druck und zwei mögliche "Fließrichtungen".

Oder macht nicht der Druck, sondern das "neue" Volumen diese Nutzarbeit? Sprich die Turbine lässt mehr Volumen durch und hat evtl. eine höhere Drehzahl?

Hamburger02  19.01.2025, 19:43
@weilWaermelehre
Trotzdem verstehe ich es nicht, warum der Verdichter weniger Arbeit braucht, als die Turbine abgibt

Die Druckunterschiede sind in etwa ähnlich. Darin besteht nicht der Unterschied in der Arbeit. Was der Verdichter an Druck erzeugt, wird an der Turbine auch wieder in Arbeit umgesetzt, Verluste mal völlig ignoriert. Das wäre zunächst ein Nullsummenspiel. Was die Turbine aber an zusätzlicher Arbeit verrichten kann liegt daran, dass die heißen Abgase zusätzliche Enthalpie enthalten gegenüber der "kalten" Kompressionsluft, die aus dem Verdichter austritt. Den Unterschied sieht man deutlich im pV-Diagramm. Das ist der gleiche Effekt wie bei einem Kolbenmotor mit isobarem Verbrennungsverlauf. Die Expansion der heißen Abgase gibt mehr Arbeit ab, als die Verdichtung der kalten Frischluft zuvor an Arbeit gekostet hat.

Oder macht nicht der Druck, sondern das "neue" Volumen diese Nutzarbeit?

Sowieso. Die isobare Verbrennung führt zu einem gewaltigen Anstieg des Volumens. Durch die Turbine geht ein vielfaches an Volumenstrom gegenüber dem Verdichter und das bei ähnlichen Druckdifferenzen (vom Betrag her). Das führt natürlich zu mehr Arbeit.

Wenn ich mir das Gas in der Brennkammer vorstelle - es hat einen Druck und zwei mögliche "Fließrichtungen".

Nein, es hat nur eine, nämlich in Richtung des geringeren Drucks und der liegt am Turbineneingang und nicht am Verdichterausgang.

Hamburger02  19.01.2025, 19:52
@Hamburger02

Ergänzung: man darf bei der ganzen Betrachtung nicht vergessen, dass die ganze Strömung ein ausgeklügeltes Spiel mit Bernoulli, also Strömungsgeschwindigkeiten und reduzierten statischen Drücken ist. Absolut isobar ist die Verbrennung auch gar nicht. Das ist sie nur annähernd zur Vereinfachung.

Diese Frage habe ich mir auch immer gestellt. Der Druck dürfte den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Das ist bei der Hydraulik ja nicht anders. Du hast da deinen Wagenheber und kannst mit der Hand ein Auto hochpumpen. Warum drückt es dir nicht den Hebel aus der Hand?

Bei der Turbine kommt vermutlich hinzu, dass die angesaugte Luft einen Gegendruck aufbaut, sobald die Sache erst einmal läuft.

Woher ich das weiß:Hobby

weilWaermelehre 
Beitragsersteller
 18.01.2025, 15:08

Danke für deine Antwort!

Beim hydraulischen Wagenheber ist es klar: da ist die Kraft meiner Hand auf die Fläche bezogen (der winzige Kolben) deutlich größer, als das Gewicht vom Auto (der große Kolben). Und das Auto drückt schon toll gegen die Hand, nur wird nach jedem Vorgang die "Rückschlagklappe" geschlossen, was das Runterfallen des Autos verhindert. In der Turbine ist das nicht der Fall. Ich könnte mir es nur so erklären, dass die Verdichterschaufel eine kleinere Fläche haben, als die Turbinenschaufel. Wenn es wirklich der Grund dafür ist, dass die Turbinenanlage funktioniert, wundert es mich, dass es nirgendwo eingegangen wird.

WilliamDeWorde  18.01.2025, 20:16
@weilWaermelehre

Die Rückschlagklappe hat nur den Sinn der Arretierung. Ist bei meinem kaputt und das Auto senkt sich ganz langsam wieder. Nach deiner Überlegung müsste es runterplumpsen.

Nein, es liegt an dem kleinen Loch im Vergleich zu der großen Kolbenfläche, über die nach oben gedrückt wird. Druck breitet sich nach allen Seiten gleichmäßig aus und der Druck auf so eine kleine Fläche ist winzig.

Im statischen Betrieb hast du eine isobare Erwärmung weil sich das Gas ja über die Turbine selbst entspannt und die Antreibt, der Brennkammerdruck bleibt dabei konstant. Bei höherer Drehzahl hast du dann schlicht mehr Durchfluss.

Die Turbine wird als erstes gestartet und erst dann befeuert, also die Flussrichtung wird durch den kontinuierlichen Gasstrom bestimmt der eben vom Verdichter über die Brennkammer zur Turbine geht. Das Gas hat somit in diese Richtung einen geringeren Widerstand als in die andere Richtung.