Gedicht „In shadows“ von Hart Crane?

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Der US-Dichter Hart Crane aus Ohio ist entgegen den Angaben in Deinem Lesebuch (oder wo das der Lehrer herauskopiert hat) nicht 1952, sondern schon 1932 gestorben. Er war gay und sprang in dadurch verwirklichter Selbstmordabsicht auf Hoher See von Bord.

Ich bin Deinem Lehrer dankbar für die Aufgabe. Manchmal findet man in all dem Müll bei >Gute Frage< wie Fragen zur Penisgröße, Softair usw. wirkliche Juwelen. Dieses Gedicht gehört dazu. Ich kannte es noch nicht. Im Internet findet man die Information, dass eines von Cranes literarischen Vorbildern der britische Lyriker A.Ch. Swinburne (+1909) war. Dessen Werk kenne ich ganz gut, und schon das eine Gedicht >In Shadow< stellt nach meinem Urteil den Älteren in den Schatten.

Auch wenn der Autor schwul war, ist das ein Gedicht über eine erotische Begegnung mit einer.Frau. Liebe ist Liebe — und einer, der schon 1932 gestorben ist, konnte seine homosexuellen Sehnsüchte nicht openly gay in Verse fassen. Es ist eh egal.

Für mich ist das eines der schönsten Liebesgedichte, die ich je gelesen habe. Am Ende steht das Bild der Nacht. Bringt sie die Erfüllung der Leidenschaften? Es bleibt im Vagen. Die Frau in dem Gedicht hat in den Augen des Dichters geradezu Allmacht. Sonne, Mond und Sterne gehorchen ihrem Willen. Wie das Äußere der Natur vor allem das Licht, eine Verbindung eingeht mit der Begehrten (wunderbar die Stelle mit dem Regenschirm), solltest Du in Deiner Interpretation ausführlicher herausarbeiten. Die Metaphorik von Licht und Dunkelheit ist elementar. Das alles findet freilich nur „im Auge des Betrachters“ statt – in Herz und Hirn des lyrischen Ichs. Als nämlich die Frau zu sprechen beginnt im Sinne von „Oh, lass uns doch in diesem Zwischenreich von Licht und Schatten noch spielerisch verweilen“, beweist Crane, dass bei allem Willen der Frau, dem er gerne begehrend nachzugeben bereit ist, das Zwangsläufige der Leidenschaft stärker ist. Das Risiko, das sie benennt und das sie scheint bannen zu wollen, ist in Wahrheit gerade auch ihr Begehren. Entgegen dem, was die Frau spricht, kann sie die Zeit, das Flüchtige dieser Dämmerstunde nicht nur nicht anhalten, sie will es auch nicht — wenn‘s auf den Willen, wenn Mann und Frau wie von Schicksalsmächten angezogen werden, noch ankäme! „Könnt ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, Du bist so schön“, heißt es noch im >Faust<. Aber „Alle Lust will Ewigkeit!“ bei Nietzsche. Ihre Worte und meine gehören der Nacht an, sagt Crane. So endet das Gedicht. Aber es bleiben… Worte. Daher: wer weiß? Bedenke auch, dass der Titel >In Shadow< heißt und nicht >At Night<.

Wirklich, ein wunderbar zartes Gedicht, das Du uns da präsentiert hast im Gewande einer Schüler- und Hausaufgabenfrage. Und sag Deinem Lehrer einen schönen Gruß: Ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass nicht alles den Bach runtergeht, wenn in der Schule die jungen Leute gute Dinge als Unterrichtsstoff bekommen. >Nur eine Rose als Stütze< dichtete einst Hilde Domin. So eine Rose haben wir hier. Die Stütze ist sehr stark. Sie kann ein Leben verändern.


Elias6354 
Beitragsersteller
 27.01.2025, 09:46

Hallo, Danke für deine ausführliche Antwort