Frage an die Autisten unter uns: seid ihr apathisch?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Interessant wäre zu wissen, ob du bereits von klein auf so "gefühlstaub" warst.

Es könnte - wenn es an deinem Autismus liegt - mit der alltäglichen Reizüberflutung von uns Autisten einhergehen. Wir nehmen Geräusche, Gerüche, Berührungen, Lichter etc. viel intensiver wahr, als neurotypische Menschen. Um uns also zu schützen, geht unser Gehirn automatisch in einen Schutzmeschanismus und dadurch entsteht, wie zum Beispiel bei dir, eine scheinbare "Gefühlsleere". Das würde aber nicht bedeuten, dass du in solchen Momenten grundsätzlich nichts fühlst. Du kannst es nur nicht nach außen tragen und hast dich vielleicht sogar selber davon überzeugt, dass du tatsächlich nichts spürst.

Aber so ganz genau sagen kann ich das auch nicht. Wir Autisten sind auf jeden Fall nicht empathielos. Soviel steht fest. Das wird leider viel zu oft behauptet.

Bei mir ist es sehr unterschiedlich. Meine eigenen Gefühle nehme ich sehr stark wahr. Diese kann ich auch gar nicht unterdrücken. Ich mag manchmal Schwierigkeiten damit haben, sie in Worte zu fassen - besonders während eines Meltdowns -, doch ich spüre sie sehr stark. Sonst hätte ich ja keinen Meltdown. Bei den Gefühlen anderer bin ich manchmal taub, manchmal nicht. Oft ist es eben, weil Leute mir nicht genau sagen, wie sie sich fühlen und was ich jetzt für sie tun kann, damit sie sich (etwas) besser fühlen. Bei Tieren (insbesondere meinen Lieblingstieren) habe ich sehr viel Empathie, würde ich behaupten. Ich denke, wenn die Trauer von anderen so plötzlich kommt, kann mein Gehirn nicht schnell genug umschalten von Heiter auf Empathisch. Deshalb bemerke ich dann erst später, wie ich mich hätte verhalten müssen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽
nai96 
Fragesteller
 20.01.2022, 15:48

Danke für deine Antwort.

Das stimmt. Ich besitze auch sehr viel Empathie und erlebe intensive Gefühle. Jedoch bricht es manchmal eher einfach heraus, weil ich sie sonst anscheinend nicht bewusst wahrnehme. Also wie ich quasi in meiner Frage schrieb.

Ich hatte es als Kind noch nicht. Es trat meiner Erinnerung zufolge erst auf, als aufs Gymnasium kam und ich das erste Mal richtigen gesellschaftlichen Druck fühlte. Ich war denke ich etwa 12. Seit dem ist es so. Ich habe überlegt ob es daran liegt, dass es mir als Autist schwerer fällt mich anzupassen. Ich habe mit Mobbing und viel unverständnis der Lehrer zu kämpfen gehabt, die kein Verständnis für Kinder hatten, die auffällig waren. Dann habe ich 3 Jahre lang so gut wie gar nicht gesprochen, dafür Ärger und schlechte Noten bekommen. Als ich dann die Schule wechselte machte ich dort mein Abitur und ich schaffte es mich nach und nach wieder zu öffnen. Das Gefühl der Taubheit, ist aber bis jetzt geblieben, obwohl ich nicht mehr in dieser Situation bin.

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Zitruseulchen  20.01.2022, 19:45
@nai96

Gerngeschehen!

Okay, also der Fakt, dass das nicht von Anfang an so bei dir war, würde für meine Theorie sprechen. Besonders bei Autisten kann das oft vorkommen. Wir betreiben jahrelang (oft bereits von klein auf, manchmal aber auch erst später) Masking und das ist für uns sehr anstrengend. Das können viele Nicht-Autisten gar nicht begreifen.

Keine Ahnung, aber für mich klingt es plausibel. Du verstellst dich und dadurch kann irgendwann auch diese "Gefühlskälte" zu stande kommen. Ich denke, daher kommt die Fehlinformation, wir Autisten wären gefühllos. Entweder können wir es von klein auf nicht gut kommunizieren, wie wir uns fühlen, oder wir haben uns so sehr hinter unserer Maske versteckt, dass wir erst einmal wieder zu uns finden müssen. (Oder, oder, oder, ...)

Leider ist es auch immer sehr schwierig, "man selbst zu sein". Viele Leute kennen einen nur "so".

Tut mir leid für mein Gequatsche. Ich komme oft vom eigentlichen Thema ab. Jedenfalls erlebst du deine eigenen Gefühle sehr stark. Unter all diesem Druck ist es wohl nicht verwunderlich, dass du so geworden bist (Das war jetzt etwas doof formuliert). Das ist so eine Art Selbstschutz, oder? Ich gehe zumindest mal davon aus. Und ich würde auch davon ausgehen, dass es an der mangenden Anpassungsfähigkeit durch den Autismus liegt. Zumindest teilweise.

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nai96 
Fragesteller
 20.01.2022, 22:28
@Zitruseulchen

Daran dachte ich auch schon.

Keine Sorge, ich finde nicht, dass du vom Thema abgekommen bist. Ich fand die Antwort plausibel und gut geschrieben.

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https://medlexi.de/Apathie

hier steht das es bei Autisten auftritt

Wenn ich bedenke wie egal mir der Tot meiner Oma war könnte das durchaus bei mir auch zutreffen 😂

nai96 
Fragesteller
 19.01.2022, 22:23

Das ist nicht damit vergleichbar, wenn man bei einem Tod nicht trauern muss.

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Meolettalove2  19.01.2022, 22:30
@nai96

Naja es ist auch ein Beispiel.Ehrlich gesagt empfinde ich oft einfach garnichts. Wenn ich „Empatisch“ bin dann nicht weil ich wirklich Empatie spüre sondern weil ich gelernt hab wann es angebracht ist. Das aber zu empfinden ist schwer. Diese Innere Leere hab ich auch Recht oft aber eben auch nicht immer.
Ich finde sowas ist immer schwer zu definieren. Ich sehe es einfach so das ich fühle wie ich fühle und fertig.

Mir egal was es im Endeffekt ist.

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Ja, wenn du diagnostizierter Autist bist, dann wird das der Grund dafür sein. Ich habe es da schwieriger... bin auch sehr apathisch, aber habe nie eine Diagnose oder sowas bekommen.

nai96 
Fragesteller
 19.01.2022, 22:22

Danke. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher ob dies wirklich der Grund ist.

Ich habe auch noch andere Diagnosen wie PTBS und Depression. Es wurde sehr häufig damit begründet. Aber auch wenn es mir super geht, diese Eigenschaft von mir ist irgendwie immer da. Deswegen glaube ich, dass es an etwas Anderem liegen muss. Ich kenne mich und mein inneres ja

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Meolettalove2  19.01.2022, 22:26

Ich fühl das. Ich hab save auch irgendwas aber naja. Das einzige was bei mir herausgefunden wurde als Kind war das ich eine Wahrnehmungsstörung hab und sehr Intelligent. (Ob ich Hochbegabt war war noch nicht absehbar).

Alles andere sind von mir Spekulationen.

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