Fehlerfreies Sprechen möglich?
Hallo zusammen.
Ich hätte ein paar Fragen, die ich mir oft gestellt hatte. Also vorab bitte nicht falsch verstehen. Es geht um folgende:
- Ist es eigentlich realistisch, dass man seine Muttersprache (z.B. in diesem Fall Deutsch) fehlerfrei sprechen kann? D.h. gramm. richtig etc.? (Ich bin zweisprachig aufgewachsen und kann weder die eine noch die andere „perfekt“ beherrschen.)
- Bezüglich „fließend sprechen“ noch eine Unklarheit: d.h. wie der Name schon sagt: fließend sprechen, ohne z.B. stottern, langes Überlegen etc. ABER es heißt nicht, dass man fehlerfrei (gramm./stillistisch etc.) sprechen muss, oder?
- Passiert mir manchmal beim Sprechen/Schreiben, dass ich manchmal des Öfteren „den bestimmten Artikel“ benutze, wo ich vlt. am Besten den unbestimmten benutzen sollte. IST ES SCHLIMM BZW. EIN ECHTER „FEHLER“? (Weil ich oft davon aus gehe, dass der Zuhörer weiss, worüber ich erzähle).
Über eure Antworten würde ich mich sehr freuen. Vielen herzlichen Dank im Vorraus. :-)
5 Antworten
Niemand kann immer und in jeder Situation Sprache fehlerfrei nutzen - weder schriftlich noch mündlich. Das ist völlig normal und bedeutet nicht, dass man eine Sprache nicht fließend kann. Fehler, Pausen, Wiederholungen, etc., hängen von vielen unterschiedlichen Punkten ab; z.B. davon, wie spontan man etwas sagt/schreibt, wie gut man sich mit dem gesagten/geschriebenen Inhalt auskennt, wie ablenkend das Umfeld ist.
Da ist regional beides möglich :) Allerdings ist tue erst später im Duden hinzugekommen, ursprünglich ist tu die „richtige“ Form
Du kannst dich doch (zumindest schriftlich) ganz gut ausdrücken!
Mach dir keinen Kopf wegen "Perfektion"! So gut wie niemand beherrscht selbst seine Muttersprache völlig fehlerfrei!
So wünsche ich dir also einen 'entspannten Sprachgebrauch'!
"Fließend sprechen" heißt übrigens auch nicht, dass keine Fehler vorkommen dürfen.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung. Ich mache mir manchmal darüber zu sehr Gedanken, weil ich mir Mühe gebe, im Geschäft keine Fehler zu machen.
Das ist in deinem Beispiel kontextabhängig, und es würde in den meisten Kontexten beides gehen. Aber der Kontext ist entscheidend.
Ok verstehe also je nach Kontext. Aber angenomm ich hätte Mal den „Falschen“ erwischt. Wäre es ein echter Fehler? Bzw. wenn ich davon ausgehen würde, dass das (vermeintlich unbekannte) „Subjekt“ schon dem Zuhörer bekannt ist und ich deswegen dieses mit dem „bestimmten Artikel“ adressiere?
Interessanterweise beinhaltet die Unterscheidung zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel, anders als viele annehmen, nicht zwei, sondern sogar vier Bedeutungsdimensionen: definit, undefinit, spezifisch und generisch. Deshalb ist es auch schwieriger als man zunächst annimmt, sie richtig zu verwenden.
Dankeschön 😁 aber wie Sie schon bereits sehr gut die unterschiedlichen Bedeutungsdimensionen erklärt haben, ist es nicht immer einfach/ eindeutig den „richtigen“ zu erwischen. Daher wäre es kein echter Fehler, richtig?
Genau, es ist nur dann ein Fehler, wenn das, was du ausdrückst, entweder die Option in keinem Kontext zulässt, wie „Ich gehe auf Straße“ oder in dem jeweiligen Kontext nicht das ausdrückt, was du beabsichtigst, z. B. „Unsere Datenbank hat jetzt die Daten“, wenn jene Daten vorher nicht erwähnt wurden / unklar ist, auf welche Daten du referierst. Also, kurzum: Es wird auffallen, wenn es im Kontext absolut nicht stimmig ist, aber selbst das ist nicht schlimm :)
Nochmals dankeschön für Ihre Rückmeldung auf mein Anliegen. Sie haben mir dabei sehr gut geholfen. 🍀👍
Niemand ist perfekt. Du solltest dir also keinen zu schweren Kopf machen. Vor allem ist "fehlerfrei" hier ein Begriff, den man nur mit Vorsicht anwenden sollte:
- Sprechen und schreiben sind zweierlei. Fehlerfreies Sprechen in einem absoluten Sinn ist praktisch unmöglich; es gibt wohl keinen Menschen, der sich nicht schon mal verhaspelt hat. Fehlerfreies Schreiben ist im Deutschen auch nicht ohne; unsere Groß-Klein-Schreibung zum Beispiel stellt auch sehr geübte Muttersprachler immer wieder vor Herausforderungen.
- Selbst die meisten Muttersprachler haben nur einen relativ überschaubaren aktiven Wortschatz von ein paar tausend Wörtern. Damit werden sie selten Fehler machen. Doch so bald es in die Weiten des Gesamtwortschatzes geht (ca. 500.000 im Deutschen), verlieren viele schnell die Übersicht und benutzen unvertraute Begriffe nicht korrekt (wenn sie ihnen überhaupt einfallen).
Ferner ist in manchen Situationen schwierig zu entscheiden, was "fehlerfrei" überhaupt ist. Wenn ich mich im beruflichen Umfeld bewege, spreche ich relativ neutrales Hochdeutsch. Wenn ich dasselbe bei meinen Freunden in der Kneipe mache, wäre das (sofern sie es nicht als Scherz auffassen) ein Fehler - in dem Fall der falsche Soziolekt.
Was deinen Punkt 3) betrifft: Da du dir des Problems bewusst bist, kannst du ja versuchen, stärker auf die Signale deiner Gesprächspartner zu achten. Vor allem sollte man nie allzu viel voraussetzen. Die Leute hören selten richtig zu und haben dann schon Sachen vergessen, die du vielleicht 5 Minuten vorher gesagt hast.
Vielen herzlichen Dank für Ihre ausführliche Erklärung bzgl. meiner Frage(n).👍
Ist es eigentlich realistisch, dass man seine Muttersprache (z.B. in diesem Fall Deutsch) fehlerfrei sprechen kann?
sollte man meinen, wenn man nicht ganz bildungsfern ist und Lesen als Zeitverschwendung empfindet.
Allerdings kommt beim Vortragen einer Rede noch die Psyche, die eigenen Hemmungen, hindernd dazu. Die haben dann aber nichts mehr mit guter Bildung zu tun, sondern eher mit mangelnder Übung und Ängsten,
Vielen Dank - ja richtig…die Psyche spielt immer wiede Mal eine wichtige Rolle.
Natürlich ist es realistisch, die Muttersprache fehlerfrei und fließend zu sprechen.
Trotzdem kann es bei Aufregung und Ablenkung auch mal passieren, dass man sich verspricht und einen begonnenen Gedanken bzw. Satz dann anders beendet, als geplant, wobei es zu grammatikalischen Fehlern kommt. Das merkt man dann aber selbst und korrigiert sich.
Angesichts der sinkenden Sprachkompetenzen der Eltern der letzten Generationen und der sinkenden Unterrichtsqualität der letzten Jahrzehnte wird man heute aber immer seltener Menschen treffen, die ihre Muttersprache wirklich fehlerfrei beherrschen.
Selbst Personen, die beruflich eine erhöhte Sprachkompetenz besitzen müssten (z.B. TV-Moderatoren, Nachrichtensprecher, Politiker) demonstrieren oft erhebliche Sprachdefizite. Aktuell führendes Negativbeispiel ist Annalena Baerbock, der "wandelnde Sprachfehler".
Fehlerfrei nach Duden ist ungleich der linguistischen Definition von „die eigene Muttersprache beherrschen“, denn diese berücksichtigt Sprachwandel und Sprachprinzipien. Die generalisierte Aussage, es gehe mit der Sprache bergab, hat es schon immer gegeben, und sie war schon immer unwissenschaftlich.
dass man sich verspricht und einen begonnenen Gedanken bzw. Satz dann anders beendet,
LOL... meine Chefin, eine hochkompetente, hochgebildete Dame, schreibt, wenn sie Essays schreiben muss, sehr gerne Mammutsätze. Sie will es offensichtlich dadurch unserem "Oberguru", "psychotherapieausbildung" nachmachen. Nur der Oberguru kann es, sie nicht. Sie verliert sich regelmäßig im Dickicht der Grammatik. Sie hat mich daher zur ihrer privaten Lektorin ernannt, Ich entwirre dann ihre Sätze, mache aus einem Satz mindestens zwei oder drei. Und dann kann man sie auch verstehen.
Warum "LOL"? Du vergleichst Eierlikör mit Kaffee. ICH bezog mich ja explizit auf jemanden, der es KANN. Dass es daneben auch Leute gibt, die es sowieso nicht können und sich dann noch unnötigerweise mit komplexen Satzkonstruktionen übernehmen, weil sie diese formulieren, ohne sie vorher bis zum Ende durchdacht zu haben, ist ein ganz anderes Thema.
Dankeschön für Ihre ausführliche Erklärung. Aus der Perspektive habe ich das ganze nicht betrachtet.
Dankeschön für die schnelle Antwort. :-) Manchmal tue ich mir darin halt schwer und werde leicht verunsichert.