Erfahrung Promotion?

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Neben fachlicher Qualifikation beweist eine beendete Promotion auch, dass die Person Durchhaltevermögen hat und mit Rückschlägen und Frustration zurecht kommt.

Wenn man anfängt zu promovieren, dann ist man mit Motivation bei der Sache. Wenn nicht, dann sollte man sich das grundsätzlich überlegen ob man das machen will, eine gewisse Begeisterung braucht man schon, sonst halten das wenige bis zum Ende durch.

Die Promotion ist ein langer Prozess und es ist der Sache eigen, dass genau das Thema bisher niemand sonst behandelt hat. Daher kann es im Verlauf der Jahre zu unerwarteten Rückschlägen kommen, Dinge funktionieren nicht wie gedacht, Sachen kosten mehr als man glaubt, wichtige Geräte sind belegt der kaputt, der Stromausfall macht das ganze Experiment kaputt, Interviewpartner wollen nicht mit einem reden, es stellt sich raus, dass die Sache ganz anders liegt als in den Anfangshypothesen vermutet und nun klappt die Methode nicht mehr, man ist auf jemanden angewiesen und der wechselt die Stelle, man hat ein Paper eingereicht und es kommt immer nur mit "mayor revisions" zurück, der Professor verlangt, dass man etwas ganz anderes auch noch mitbetrachtet, auf der Konferenz sind die kritischen Fragen ein bisschen sehr kritisch, die Finanzierung läuft aus und man muss nebenher Projektanträge schreiben, jemand veröffentlicht ein Paper mit ähnlichem Thema und man muss die eigene Arbeit umstellen und ganz insgesamt zweifelt man daran, ob die ganze Sache irgendwie Hand und Fuß hat und irgendwen interessiert. Da man selbst tief im Thema drinsteckt sieht man den Wald vor Bäumen nicht, es gibt tausend Dinge, die man noch machen könnte, man ist einfach nie wirklich fertig.

Diese Phasen in denen man am liebsten alles hinschmeißen würde hatte jeder den ich kenne. Der ein oder andere hat es auch gemacht. Es kann manchmal einfach alles frustrierend sein und man glaubt nicht, dass man je zum Ende kommt. Ein Kollege in den letzten Wochen seiner Arbeit hatte quasi sein Büro nicht mehr verlassen, aber irgendwann einen Zettel mit der Aufschrift an die Tür gehängt "Und Gott am sechsten Tag so: Scheiß drauf, morgen ist Abgabe, das lass' ich jetzt so". Das trifft das Ende ganz gut, es gäbe immer noch mehr, aber irgendwann muss man den Punkt setzen.

Und dann hat man oft eine 50% Stelle, arbeitet aber ganz selbstverständlich Vollzeit und immer mal auch am Wochenende. Neben der Promotion muss man einen Haufen anderes Zeug auch noch machen, das kann einen interessieren, muss es aber nicht. Manchmal hätte man einfach gerne einen 9-5 Job bei dem man wirklich Feierabend hat. Ob einem die Promotion am Ende was bringt weiß letztendlich auch niemand.

Trotzdem ist es auch eine tolle Zeit. Man bekommt die Chance sich eingehend und in Tiefe mit einem Thema auseinanderzusetzen das einen interessiert. Man ist eingebunden in die globale Wissenschaftswelt und kann Kontakte knüpfen, zu Konferenzen gehen und sein Thema präsentieren. Die Kollegen forschen auch und sind in ähnlichem Alter, je nach Institut ist die Atmosphäre etwas wirklich Besonderes, konstruktiv und kollegial im besten Fall (es gibt auch Institute an denen ist Hauen und Stechen, kommt drauf an). Man kann seine Arbeit in Papern veröffentlichen, andere lesen das und zitieren es manchmal, man trägt dazu bei das Wissen in seinem Fachgebiet zu erweitern, das ist schon auch toll

Habe selbst in Chemie zum Thema Photoleitende Polymere promoviert. Ideen und Pläne passen nicht immer zu den Ergebnissen. Im Laufe der Arbeit habe ich die Richtung etwas verändert und letztendlich den Spaß wiedergefunden. Wer bei Forschung von vornherein nur einen Weg sieht, ein Ziel zu erreichen, geht falsch vor. Auch das Leben ist nicht genau planbar und es ist gut, wenn man gelernt hat, Rückschläge zu verkraften.

Meine Mutter ist Medizinerin und hat während ihres Studiums ihre Doktorarbeit geschrieben. Sie beschreibt diese Zeit bis heute als eine der frustrierendsten Phasen ihres Lebens 🤷🏼‍♀️😂 War eine experimentelle Arbeit und es lief wenig bis gar nichts so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Dazu kam dann noch ein eher semi-engagierter Doktorvater, was das Ganze natürlich nicht unbedingt erleichtert hat.

Ich denke, das Motivationstief gerade Richtung Ende der Arbeit ist absolut normal. Ist halt eine sehr aufwändige Geschichte, die meisten müssen auch den ein oder anderen Rückschlag etwa bei Experimenten wegstecken... Aber zumindest meine Mutter ist trotzdem froh, die Erfahrung gemacht zu haben. Also dranbleiben, dann hast du irgendwann den Titel und kannst stolz auf dein Durchhaltevermögen sein.

Hallo Sophie,

lasst dich von den Erfahrungen der anderen nicht zu sehr verunsichern. Wenn du promovieren willst und es für deinen weiteren Werdegang Sinn macht, dann strebe die die Promotion weiterhin an und zieh sie durch.

Es stimmt natürlich, dass der Weg dahin für die meisten kein Zuckerschlecken ist und oftmals einfach Zähne zusammenbeißen und Durchhalten bedeutet. Wenn deine Kollegen gerade mitten in ihrer Dissertation stecken, dann ist ihr Blick nicht zwingend repräsentativ für die Gesamtbewertung ihres Promotionsprozesses. Die meisten stürzen sich motiviert in die Arbeit an ihrer Dissertation, die Motivation hält auch eine Weile an und dann kommen (immer mal wieder) Phasen der Frustration, in denen man die ganze Arbeit am liebsten in den Müll werfen möchte und das Gefühl hat ohnehin niemals fertig zu werden. Es ist eben ein langer Prozess mit Höhen und Tiefen. Darauf sollte man sich realistischer Weise durchaus einstellen, man sollte sich aber eben auch nicht zu sehr davon verunsichern lassen. Wichtig ist, dass einem vorab klar ist, dass eine Promotion keine nette Verlängerung der Studienzeit ist.

Ich bin derzeit zum Beispiel in der Endephase meiner Dissertation und habe immer mal wieder darüber nachgedacht abzubrechen. Mit dem Motivationstief einher ging dann irgendwann die Vorstellung, dass ich das Ding nur noch "irgendwie" fertig bekommen möchte. Aber siehe da, auf der Endgeraden kommt plötzlich wieder ein gewisser Spaß und auch der Anspruch auf, eine gute Arbeit abliefern zu wollen. ;)

Lg Susan

Es gibt wohl keinen Dissertanten, der nicht zeitweise ernsthaft überlegt hat, den ganzen Dreck hinzuschmeißen. Die Sache ist nun mal nicht einfach und dauert ein paar Jahre. Man hat an sich selbst hohe Erwartungen. Dann klappt es überhaupt nicht wie gedacht (bei Forschung gibt es keine Erfolgsgarantie), die Selbstzweifel nagen, die einstigen Kollegen sind vielleicht schon in guten Jobs.

Im Einzelfall kommt es aber sehr auf das Mikroklima an, in den man arbeitet. Wie sind die Bedingungen der Stelle, wie ist das Team, wie ist der Prof...? Das macht viel aus.