Erfahrung FSJ im medizinischen Bereich?

5 Antworten

Auch ich habe mein FSJ im Rettungsdienst gemacht.

Wie SaniOnTheRoad schon geschrieben hat: Es ist insofern ein Sonderfall, als dass man da als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt wird. Man ist kein Handlanger und bekommt eine adäquate Qualifikation für die Aufgabe, mit der man später auch noch beruflich tätig werden kann. In meinem Fall war es tatsächlich so, dass zwei FSJler gemeinsam eine Fahrzeugbesatzung gebildet haben, d.h. die komplette Schicht eigenverantwortlich gemeistert und dabei auch die volle Verantwortung für ihre Patienten getragen haben.

Das war natürlich cool, so ein Bisschen der eigene Herr zu sein. Aber mit der Verantwortung muss man natürlich erstmal umgehen können, erst recht wenn dann Dinge schief gehen. Das war für mich eine sehr steile Lernkurve und für mich ist jenes FSJ der Zeitraum, in dem ich erwachsen geworden bin.

Dafür macht man eben den Job, den andere für 2500 €/Monat machen, für 460 €/Monat. Mit allem, was dran hängt. Man fühlt sich voll ausgebeutet. Die Work-Life-Balance hat über die Zeit definitiv nicht gestimmt. Und ich hatte zwei Mit-FSJler, die mit Bandscheibenvorfällen vorzeitig aufgehört haben.

Muss man also wollen und können, aber wenn man's will und kann, ist es toll.

Ich arbeite im Studentenjob immer noch im Rettungsdienst mit der Qualifikation, die ich im FSJ gratis bekommen habe ;)

_____

Ich habe auch einige FSJler in Krankenhäusern kennen gelernt. Da waren einige arg desillusioniert, denn sie dachten dass sie was Medizinisches lernen. Das war oftmals nicht so, sondern ihre Aufgaben waren halt irgendwelche Hilfstätigkeiten, zu denen man nicht viel wissen brauchte.

Ich habe z.B. in meinen 4 Wochen Anästhesiepraktikum eine FSJlerin kennen gelernt, die extra eine FSJ-Stelle im OP-Berich haben wollte. Deren Aufgabe bestand dann darin, Patienten in der Einschleuse aus dem Krankenbett auf die OP-Pritsche umzulagern. Und mehr nicht, Punkt. Die hatte in ihren 12 Monaten FSJ sicherlich weniger Gelegenheit, bei Operationen zuzusehen, als ich in meinen 4 Wochen Anästhesiepraktikum (für den Rettungssanitäter). Und medizinisches Wissen hat sie erst recht nicht mitgenommen.

Dementsprechend sollte man beim Thema "FSJ im Krankenhaus" wirklich aufpassen, welche Aufgabe man dort haben wird und ob das zu den eigenen Erwartungen passt.

Ich habe dort persönlich nie ein FSJ gemacht, habe aber bei uns schon oft FSJler gehabt, die von diversen FSJ erzählten.

So auch in Krankenhäusern und Anstalten. Meist hörte ich nur eines. Es wird nicht empfohlen.

Die FSJler meinten, man würde so ziemlich immer nur die... ich sag mal "Praktikantenarbeit" machen. Man würde sehr viel Unschönes sehen und gewürdigt werden FSJler in Krankenhäusern so ziemlich nie. Zumindest hörte ich sehr oft, wie schlecht man dort FSJler behandelt, aber nie Gegenteiliges. Kurz, du arbeitest Vollzeit, das zum Teil sehr hart, wirst mit unheimlich wenig Vergütung eingestellt und lernst sehr sehr wenig. Dankbarkeit wirst auch eher seltener entgegenbekommen. Aber das ist auch nur das, was ich bisher mitbekommen habe.

Nach meinen Erfahrungen waren am beliebtesten immer Grundschulen und Kindergärten. Dort kümmerte man sich oft gut um FSJler.

blaubeere05 
Fragesteller
 05.01.2023, 22:37

Vielen Dank für die ehrliche und hilfreiche Antwort! :)

1
SeifenkistenBOB  06.01.2023, 01:07

Das was ich von FSJlern in KiTas gehört habe entspricht so ziemlich dem, was du fürs FSJ in Kliniken beschrieben hast. Bis auf, dass die Praktikantenarbeit daraus besteht, eine Vollzeitkraft zu ersetzen.

1

Hi,

Wenn ja, wie war das für euch?

Ich kann aus meiner Sicht nur für den Rettungsdienst berichten.

Das FSJ im Rettungsdienst ist quasi schon ein "Sonderfall" an sich - einfach, weil die Freiwilligendienstleistenden hier grundsätzlich eine rettungsdienstliche Qualifikation - Rettunghelfer oder Rettungssanitäter, je nach Einsatzstelle - erhalten und eben als vollwertige Kräfte eingesetzt werden.

Rückblickend gesehen hat mir das FSJ keineswegs geschadet - letztendlich stehe ich auch deswegen beruflich genau da, wo ich stehe. Und das finde ich alles andere als schlecht.

Man muss aber auch ehrlicherweise feststellen: es wäre auch anders gegangen und es hätte sich anders für mich finanziell wesentlich mehr gelohnt. Man muss auch feststellen: im Rettungsdienst ersetzen FSJler durchaus hauptamtliche Kräfte (was nicht Sinn der Sache ist), für ein Fünftel bis ein Viertel des üblichen Gehalts.

Würdet ihr es wieder machen?

So in der Form: nein.

Oder: ja - ich würde jederzeit wieder in den Bereich einsteigen; aber eben nicht als FSJler.

Oder: ja - ich würde jederzeit wieder einen Freiwilligendienst machen; aber nicht in diesem Bereich.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent
blaubeere05 
Fragesteller
 05.01.2023, 22:59

Dankeschön für die ausführliche Antwort!

0

Wenn man noch keine Berührungspunkte mit dem Blaulichtmilieu hatte, dann kann ein FSJ eine recht einfache, unkomplizierte Möglichkeit sein, den Rettungsdienst kennenzulernen und tiefer in die Materie einzutauchen. Die Vorteile sind dabei vor allem die pädagogische Betreuung, Übernahme gewisser Bürokratie und Ausbildungskosten durch den FSJ-Träger, sowie der Kontakt zu anderen FSJ-lern in regelmäßigen Tages- oder Blockseminaren. Vielerorts spart man sich damit auch den Sporttest und das formale Bewerbungsgespräch beim Arbeitgeber.**

Jedoch muss man sich eine Sache klar machen:
Als FSJ-ler im Rettungsdienst bist du (meist, je nach Bundesland und AG) ein qualifizierter Mitarbeiter (San-Helfer oder Rettungssanitäter), der eine Vollzeitstelle besetzt, dafür aber nur einen Bruchteil des Gehalts (korrekt: Taschengeld) von wenigen hundert Euro bekommt.

Die Arbeitsbelastung ist hoch, es nimmt ggf. mehr Zeit ein, als dir am Ende gutgeschrieben wird und du hast nicht zuletzt eigene Ausgaben, die gedeckt werden müssen (evtl. eigener Pkw, evtl. Anteile an Ausbildung und Führerschein). Dies und viele weitere Gründe sprechen mMn dafür, sich seine Arbeit auch halbwegs fair bezahlen zu lassen.

In der aktuellen Personalsituation sollte es kein allzu großes Problem sein, als interessierter Laie einen Ausbildungsplatz zum RS mit anschließender Übernahme zu finden. Viele (aber nicht alle) Arbeitgeber sind bezüglich Ausbildungskosten sehr zuvorkommend oder räumen sich eine zeitlich befristete Sicherheit ein, dass du nicht sofort nach Ausbildungsende wieder fliehst. Da habe ich schon von verschiedensten Methoden gehört.
Hierbei das meiste selbst in die Hand nehmen zu müssen (und evtl. in Vorkasse zu treten) mag zwar zunächst nachteilig erscheinen, wird dir aber auf persönlicher, zwischenmenschlicher und fachlicher Ebene mehr bringen, als andere Leute damit zu beauftragen. Entspannte Chefs und coole Kollegen können da eine pädagogische Betreuung überflüssig machen.

**Das entspricht meinen persönlichen Erfahrungen bei einem FSJ-Träger in Hessen. Nicht jedem FSJ-Platz ist ein Träger zwischengeschaltet. Betreuung, finanzielle Aspekte und formale Voraussetzungen können stark variieren.

Würde ich noch mal ein FSJ im RD machen wollen?
Nein.

Ich mache momentan selber eins im Rettungsdienst. Bin jetzt bei der Hälfte und habe es noch nicht bereut.