Die Grenzen der Nächstenliebe?

8 Antworten

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Wie deutest du dieses Gleichnis? Der Ansatz ist verkehrt.

Lies das Gleichnis im Zusammenhang des Evangeliums. Es geht im großen Umfeld darum vorbereitet zu sein auf die Widerkunft Christi. Es fängt damit an, dass Jesus und die Jünger über das Ende der Welt sprechen. Und in den folgenden Gleichnissen geht es darum auf die endgültige Begegnung mit Christus vorbereitet zu sein.

Was bedeutet es genug Öl auf der Lampe zu haben? Es bedeutet den Glauben an Jesus Christus bis zuletzt zu bewahren. Den einen gelingt es, den anderen geht das Licht des Glaubens aus.

Um Nächstenliebe und Teilen geht es nicht.

Avena 
Fragesteller
 07.11.2020, 22:08

Die Bedeutung des Gleichnisses kenne ich. Auch dass es nicht um Teilen und Nächstenliebe geht, weiß ich. Doch ist mir diese Nebensächlichkeit halt aufgefallen.

Deine Erklärung "Den einen gelingt es, den anderen geht das Licht des Glaubens aus." hilft mir da schon weiter. Denn den Glauben kann man nicht im Sinne von Nächstenliebe teilen, den muss jeder für sich selbst haben.

Danke.

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GerdLon  14.11.2020, 22:08
@Avena

Dankeschön für das Sternchen. Das hat mich gefreut.

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Das Öl steht für die Bereitschaft, sich auf die Ankunft des Bräutigams, sprich auf Gott, vorzubereiten und geduldig zu wachen und zu warten, und das kann man aus Gründen der Freiheit und der Selbstbestimmung mit niemanden teilen.

Jaja, das liebe Jesulein. Es ist leider ein Fehler unserer Zeit, die Bibel nur selektiv zu lesen, also das zu hören, was man gerne hören möchte.

Jesus hat den Menschen nicht nur das Gebot der Nächstenliebe gegeben. Er hat auch dazu aufgefordert, 'wachsam' zu sein und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. "Wenn wir uns von eurem Öl geben, reicht es weder für uns noch für euch." Welchen Sinn hätte es haben können, das Öl zu teilen? Dass dann in der Nacht alle Lampen ausgehen??

In diesem Sinn haben die klugen Jungfrauen Verantwortung übernommen und das Öl verweigert, um ihre eigenen Lampen am Brennen zu halten. Die törichten waren verantwortungslos und wollten in ihrer Verantwortungslosigkeit die Klugen mitreißen.

Ich denke nicht, dass es in diesem Gleichnis um diesen Aspekt geht, sondern um etwas anderes. Als Erklärung zitiere ich mal den Walvoord-Bibelkommentar:

"Christi Wiederkunft in Herrlichkeit wird aber auch noch andere Scheidungen zwischen Wachsamen und Achtlosen mit sich bringen, wie das Gleichnis von den zehn Jungfrauen anschaulich macht. Es gibt zahllose ganz verschiedene Auslegungen zu diesem Gleichnis. Vom Kontext her (Mt 24,3.14.27.30.39.44.51) scheint es am plausibelsten, es als Bild für das Gericht über die Juden, die nach der Rückkehr des Herrn noch am Leben sind, zu verstehen. Beim Erscheinen des Herrn wird ein Gericht über die Heiden (die Trennung von Schafen und Böcken; vgl. Mt 25,31-46) stattfinden, aber auch das Volk Israel wird gerichtet werden (Hes 20,33-44; Sach 13,1).

Israel wird durch zehn Jungfrauen dargestellt, die auf die Rückkehr des Bräutigams warten. Nach den jüdischen Heiratsbräuchen zur Zeit Jesu war es üblich, dass der Bräutigam aus dem Haus der Braut in einer Prozession zu seinem eigenen Haus zurückkehrte, wo dann ein Hochzeitsmahl abgehalten wurde. So wird in diesem Gleichnis Jesus als König mit seiner Braut, der Kirche, aus dem Himmel zurückkehren, um die Herrschaft über das Tausendjährige Reich anzutreten. Die Juden, die die schreckliche Zeit der Trübsal erlebt haben, werden zu den geladenen Gästen dieser Hochzeitsfeier gehören.

Auf ein solches Fest muss man sich jedoch vorbereiten. In dem Gleichnis hatten fünf der Jungfrauen die entsprechenden Vorkehrungen getroffen und außer den erforderlichen Lampen noch einen gewissen Ölvorrat in Gefäßen (Mt 25,4) mitgenommen. Die anderen fünf hatten nur ihre Lampen dabei. Als der Bräutigam um Mitternacht ankam, waren die Lampen der fünf, die kein zusätzliches Öl besaßen, am Verlöschen. Da sie sich nun erst einmal Öl besorgen mussten, versäumten sie die Ankunft des Bräutigams. Als sie zurückkehrten und feststellten, daß das Hochzeitsfest bereits begonnen hatte, baten sie, eingelassen zu werden, doch der Zutritt wurde ihnen verwehrt (V.10 - 12).

In der Zeit der Bedrängnis wird Israel wissen, dass das Kommen des Messias nahe bevorsteht, doch nicht alle Juden werden innerlich darauf vorbereitet sein. Der Bräutigam wird plötzlich und unerwartet kommen (Mt 24,27.39.50). Obwohl die Bedeutung des Öls in dieser Passage nicht explizit erklärt wird, sehen die meisten Exegeten es als Symbol für den Heiligen Geist und sein Erlösungswerk. Zum Erlöstsein gehört mehr als das bloße Bekenntnis, es erfordert eine wirkliche Erneuerung durch den Geist. Diejenigen, die lediglich bekennen, gerettet zu sein, ohne den Geist zu besitzen, werden von dem Fest, d. h. vom Reich Gottes, ausgeschlossen werden. Wer nicht bereit ist, wenn der König kommt, kann nicht in sein Reich eingehen. Da aber der Tag und die Stunde seiner Rückkehr unbekannt sind, sollten die Gläubigen in der Zeit der Trübsal wachen (grEgoreite), d. h. wachsam und vorbereitet sein (vgl. Mt 24,42)."

Die Grenzen der Nächstenliebe?

Ich beziehe mich nicht nur auf das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen, sondern auch auf andere Schriftstellen des Matthäusevangeliums, welche da laut Matthäus 5,43-48; 22,39 und 25,31-46 aufzeigen, dass die einzige Grenze der Nächstenliebe zwischen einem selbst und anderen liegen sollte.

Was aber das Gleichnis mit den klugen und törichten Jungfrauen betrifft, so würde wohl lesen helfen bevor man den klugen Jungfrauen vorwirft, dass sie keine Nächstenliebe gehabt hätten, mal abgesehen davon, dass es nur ein Gleichnis war. Und ja, Dein Vater hat recht, die törichten Jungfrauen hatten keine Weitsicht.

Hat also folglich Nächstenliebe eine Grenze? Wenn ja, wo verläuft diese Grenze?

Zwischen einem selbst und anderen Personen, denn sie beginnt nicht bei einem selbst, sondern erst beim Nächsten und schließt auch jene mit ein, die man am Geringsten achtet. Das Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen bezieht sich aber auf die Vorbereitung auf das Himmelreich und das ist eine Sache der jeweils eigenen Vorbereitung. Um das zu erkennen, empfiehlt es sich, das gesamte Gleichnis, also auch schon den ersten Vers zu berücksichtigen, der da mit den Worten beginnt: "Dann wird es mit dem Himmelreich sein wie mit zehn Jungfrauen, [...]" (zitiert aus der Einheitsübersetzung, siehe Matthäus 25,1)