Darf ich sauer auf mein Vater sein?
Ich hatte nie eine richtige Bindung zu ihm. Seit meiner Geburt war er kaum präsent in meinem Leben. Wenn überhaupt, war er einmal im Jahr für ein, zwei Tage da, dann war er wieder weg. Ich habe ihn nie so wirklich kennengelernt
Er hat mir nie direkt etwas Schlechtes getan aber indirekt hat er mir sehr viel genommen. Und ich frage mich Darf ich mich deshalb wütend fühlen?
Als meine Mutter mit mir schwanger war hat mein Vater sie mit ihrer Schwester betrogen. (so haben es mir meine Brüder erzählt)
Seitdem war sie auf sich allein gestellt mit drei Kindern. Mein Vater hat ihr nie geholfen, weder emotional noch finanziell. Er hat nie Unterhalt gezahlt, er hat sich nie um uns gekümmert.
Meine Mutter musste alleine für uns drei Kinder arbeiten, uns versorgen, uns großziehen. Sie hatte mehrere Jobs gleichzeitig, war kaum zu Hause. Ich habe meine Mutter oft vermisst, obwohl sie da war. Und das liegt eben auch daran, dass mein Vater nie seinen Teil übernommen hat.
Ich vermisse nicht ihn ich vermisse die Idee von einem Vater. Jemand, mit dem ich über Dinge reden kann. Jemand, der mir zeigt, wie man mit Werkzeug umgeht, wie ich Dinge repariere, wie ich mit Autos umgehe. Ich hätte so vieles gebraucht, was ich nie bekommen habe.
Und was auch dazu kommt: Meine Mutter hatte selbst keinen Kontakt mehr zu ihrer eigenen Familie. Ich bin also komplett ohne Großeltern, Tanten, Onkel usw. aufgewachsen. Es war immer nur meine Mutter, meine Brüder und ich. Sie selbst hatte niemanden, der sie entlastet hat
Ich weiß, dass mein Vater psychisch krank ist, aber das entschuldigt nicht alles Meine Mutter hatte es auch schwer, wahrscheinlich noch schwerer. Aber sie war da.
Deswegen frage ich euch:
Ist es okay, dass ich Wut spüre, obwohl mein Vater mir nie direkt etwas angetan hat?
Ich habe das Gefühl, ich darf diese Gefühle nicht haben, weil „es ja nicht so schlimm war“
4 Antworten
Es kam halt zur Trennung und wenn keine Vaterfigur da ist, dann fehlt dir ein Teil in deiner Entwickungsphase.
Normalerweise lieben ja Töchter ihre Väter und sehen diese als Vorbildfunktion.
Und Jungen lieben ihre Mütter würden alles für Sie tun.
Ich habe einen Vater aber es juckt mich nicht was er sagt höre lieber auf meine Mutter.
Er ist nur am "meckern" meine Mutter ist die Lösungsorientierte und hat immer einen Tipp für mich.
Von meinem Vater kann ich nur lernen wie es ist finanziell für eine Familie zu sorgen.
Er arbeitet verdient die Brötchen und hockt sich dann erschöpft auf die Couch.( ich verlange auch nicht mehr von Ihm)
Er arbeitete viel und ist Alleinverdiener.
Vielleicht findest du ja einen Typen der dich gut behandelt und quasi eine wichtige männliche Rolle in deinem Leben spielt?
Ja es ist OK wenn man wütend ist.
Aber je älter du wirst, desto eher wirst du erkennen, das fast alles im Leben einen Grund hat und das Menschen manchmal anders handeln als sie sollten. Die Gründe dafür könnten zB ausweglose Gefühle, Angst oder auch andere Umstände sein.
Nicht falsch verstehen ich finde seine Handlungsweise nicht gut. Bin auch schon fast 50 Jahre alt und verstehe manche Handlungsweisen dadurch anders. Und kann beide Situationen nachempfinden. Ich habe Ähnliches erlebt, aber es gibt auch Dinge, auf die ich nicht stolz bin, die ich aus der Situation heraus dennoch gemacht habe, weil es eben von der Gefühlslage her nicht anders ging.
Auch du wirst irgendwann in solche Situationen kommen. Auch du wirst irgendwann einer Person vor den Kopf stoßen, weil es eben nicht anders gehen wird. Diese Person wird dann auch auf dich wütend sein. Und auch das ist OK dann.
Deine Gefühle sind so, wie sie sind. Ob sie okay sind oder nicht, ist nicht Punkt. Sie sind halt nun mal da.
Es kommt nicht darauf an, wie dein Leben angefangen hat, sondern was du heute daraus machst.
Wenn du deine Wut nutzt um Kraft zu schöpfen um später zuverlässig und verantwortungsvoll für deine Kinder dazu sein, ist das stark und wertvoll.
Wenn du un der Wut versinkst und sue mit Alkohol betäubst, versaust du dir damit das Leben.
Ich vermisse nicht ihn ich vermisse die Idee von einem Vater.
Sehr schlau. Ein guter Ansatz. Du hättest viel von einem Vater gebraucht. Irgendwann siehst du, dass du selbst jetzt da bist und dich selbst um deine Bedürfnisse kümmern kannst. Was als Kind fehlte, kann man nicht nachholen.
Dein Vater konnte wohl nichts dafür. Das ist, wie du schreibst, weder Trost noch Entschuldigung, aber eine Erklärung.
Auf GuteFrage findest du verprügelte und missbrauchte Kinder, die sich wünschen, ihr Vater wäre weg gewesen. Das lindert deinen Schmerz nicht, aber es kann dir helfen, ihn einzuordnen. Vielen Kindern geschehen schlimme Dinge und sie leiden, obwohl sie keine Schuld tragen.
Deine Wut klingt völlig gesund. Jetzt kommt es darauf an, was du mit ihr machst. Verschwunden wird die wohl niemals. Es liegt an dir, ob du sie mitten in den Raum stellst und davon alles überschatten lässt, oder ob du sie irgendwann ins Regal oder in den Keller stellst und es besser machst als dein Erzeuger.
Ich habe das Gefühl, ich darf diese Gefühle nicht haben, weil „es ja nicht so schlimm war“.
Und du erkennst, dass etwas an diesem Gedanken nicht stimmt, darum fragst du hier ja nach.
Ja, du lebst noch und anderen geht es nich schlimmer. Aber das ist deren Problem und die kümmern sich darum. Du hast dein eigenes Problem und es ist völlig richtig, wenn du das 100% ernst nimmst. Die eigenen Probleme sind immer die schlimmsten.
Drei Jährige Kinder leiden ganz real, wenn sie kein Eis bekommen. Da passt "nicht so schlimm" auch nicht. Ihr Leid ist echt. Genauso wie deins.
Dazu darfst Du gern in den Schriften von "Bert Hellinger" nachschlagen (da geht es (auch) ums verzeihen) , oder beim Carlos Castaneda, da geht es auch ums "Loslassen udn um Richtungswechsel", oder beim den Buddhisten, bei denen geht es um das Beenden unglücklicher Verbindungen...
Letztlich kannst du dich fragen, was deine Apelle sollen, ob Du durch das Bestehen darauf glücklicher wirst.